Umsatzsteuer | Bedeutung des Neutralitätsgrundsatzes für Steuersatzermäßigungen (BFH)
Ein Mitgliedstaat, der auf der
Grundlage von
Art. 122
MwStSystRL einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von
Brennholz schafft, kann dessen Anwendungsbereich anhand der KN auf bestimmte
Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen, sofern der Grundsatz der
steuerlichen Neutralität beachtet wird (Folgeentscheidung zum "Finanzamt A", - Änderung der Rechtsprechung:
; veröffentlicht am
).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für zum Heizen bestimmte Holzhackschnitzel (sog. Industrie -und Waldhackschnitzel). Nach Auffassung des BFH kommt eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach nationalem Recht (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 48 der Anlage 2 zum UStG) nicht in Betracht. In diesem Zusammenhang hat der BFH dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Mitgliedstaat, der in Anwendung von Art. 122 MwStSystRL einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, dessen Anwendungsbereich anhand der Kombinierten Nomenklatur auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen kann (; s. hierzu unsere Online-Nachricht 15.10.2020). Der EuGH hat diese Frage bejaht, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird ( "B-AG").
Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat der BFH wie folgt geurteilt:
Ein Mitgliedstaat, der auf der Grundlage von Art. 122 MwStSystRL einen ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz schafft, kann dessen Anwendungsbereich anhand der KN auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen, sofern der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Finanzamt A vom - C-515/20, - Änderung der Rechtsprechung).
Daher können Holzhackschnitzel auch dann nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG der Steuersatzermäßigung unterliegen, wenn sie bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 122 MwStSystRL Brennholz im Sinne der Warenbeschreibung der Anlage 2 Nr. 48 Buchst. a zum UStG sind.
Dem steht das Fehlen der hierfür erforderlichen zolltariflichen Voraussetzung nicht entgegen, wenn die Holzhackschnitzel und das die zolltarifliche Voraussetzung erfüllende Brennholz austauschbar sind.
Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:
Dem Urteil liegt das "Finanzamt A" zugrunde. Mit ihm geht eine Änderung der Rechtsprechung einher. In diesem Urteil hatte der EuGH auf die Vorlagefragen des V. Senats sinngemäß geantwortet, das Art. 122 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten auf die Lieferung von Brennholz einen ermäßigten Steuersatz anwenden konnten, jegliches Holz bezeichnet, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist. Macht ein Mitgliedstaat von dieser Ermäßigungsermächtigung Gebrauch, kann er aber den Anwendungsbereich anhand der Kombinierten Nomenklatur auf bestimmte Kategorien von Lieferungen von Brennholz begrenzen. Dabei ist der Neutralitätsgrundsatz zu beachten, der in diesem Bereich besagt, dass bestimmte Formen von Brennholz von der Ermäßigung ausgeschlossen werden dürfen, sofern die begünstigten und die nicht begünstigten Formen von Brennholz für den Durchschnittsverbraucher nicht austauschbar sind.
Die Beantwortung dieser Frage obliegt den nationalen Gerichten und ist vom BFH im Urteil V R 2/22 (V R 6/18) dahingehend beantwortet worden, dass die Begrenzung der Steuerbegünstigung in Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG auf Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen i.S.d. Unterposition 4401 10 00 einer Begünstigung auch von Holzhackschnitzeln nicht entgegensteht, wenn die Holzhackschnitzel nach ihren objektiven Eigenschaften und dabei nach ihrem Trocknungsgrad ausschließlich zum Verbrennen bestimmt und damit für den Durchschnittsverbraucher mit den begünstigten Formen von Brennholz austauschbar sind.
An seiner bisherigen Rechtsprechung (, BStBl II 2006, 694 zu Milchersatzprodukten pflanzlichen Ursprungs und v. , zu Holzhackschnitzeln), nach der einer zolltariflichen Einreihung Vorrang gegenüber dem Neutralitätsgrundsatz zukam, hält der BFH ausdrücklich nicht mehr fest.
Der Problematik wird in Zukunft weniger Bedeutung zukommen, weil die Ermächtigung zur Steuersatzbegünstigung in Art. 122 MwStSystRL durch Art. 105b Nr. 16 der Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze (ABl EU Nr. L 107 S. 1) mit Wirkung v. weggefallen ist.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
ZAAAJ-17356