BGH Beschluss v. - 2 StR 325/20

Strafverfahren: Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung im Urteil; Darlegungsanforderungen bei eindeutigen Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung und bei Mischspuren

Gesetze: § 81e StPO, §§ 81eff StPO, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Erfurt Az: 321 Js 3324/16 - 6 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in 16 Fällen in Tatmehrheit mit Begünstigung in drei Fällen und Sachbeschädigung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und gegen ihn die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von insgesamt 68.000 €, davon in Höhe von 18.000 € gesamtschuldnerisch mit einem Mitangeklagten, angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er auf die unausgeführte Sachrüge stützt.

2Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

31. Das Urteil ist aufzuheben, soweit der Angeklagte hinsichtlich der Taten II. 4 (V.14 der Anklage), 6 (V.18 der Anklage), 9 (V.25 der Anklage), 11 (V.28 der Anklage), 13 (V.33 der Anklage), 14 (V.34 der Anklage), 15 (V.36 der Anklage), 16 (V.38 der Anklage), 18 (V.43 der Anklage), 19 (V.46 der Anklage) und 27 (V.63 der Anklage) der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und hinsichtlich Tat II. 12 der Urteilsgründe (V.29 der Anklage) wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist.

4a) Die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten erweist sich in Bezug auf diese Verurteilungen als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung insoweit entscheidend auf die Ereignisse gutachterlicher Vergleichsuntersuchungen von DNA-Spuren gestützt; deren Darstellung genügt jedoch nicht den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Anforderungen.

5aa) Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass diese für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen unter Angabe der Spurenart grundsätzlich mitteilen, wieviele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher - numerischen - Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 572/16, juris Rn. 12 f.; , juris Rn. 9; vom - 4 StR 439/13, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 6; Beschlüsse vom - 5 StR 529/20, juris Rn. 3; vom - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 188 mwN) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. , NJW 2015, 2594 mwN).

6Reduzierte Darlegungsanforderungen bestehen bei DNA-Analysen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen; in diesen Fällen genügt die Mitteilung, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 408/20; vom - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189). Erforderlich ist aber auch dann die Angabe des Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form; eine Mitteilung in verbalisierter Form - etwa „es bestünden keine begründeten Zweifel“ an der Spurenurheberschaft des Angeklagten - reicht mangels dahingehend vereinheitlichter Skala bislang jedenfalls nicht (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 341/19; , BGHSt 63, 187, 191).

7Bei Mischspuren, also Spuren, die mehr als zwei Allele in einem System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), wird von den Tatgerichten grundsätzlich weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wieviele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 408/20, juris Rn. 4; vom - 5 StR 362/18, StV 2019, 331). Lediglich in Fällen, in denen Mischspuren eine eindeutige Hauptkomponente aufweisen (sog. Typ B, vgl. Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, NStZ 2007, 447), gelten für die Darstellung der DNA-Vergleichsuntersuchung die für Einzelspuren entwickelten Grundsätze (vgl. , juris Rn. 9; Beschlüsse vom - 4 StR 408/20; vom - 6 StR 183/20 und 6 StR 211/20).

8bb) Die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu den Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19 und 27 der Urteilsgründe genügen diesen Anforderungen nicht.

9Das Landgericht teilt schon nicht mit, ob es sich bei den untersuchten Spuren jeweils um Einzelspuren oder Mischspuren handelt. Zwar lassen einzelne Formulierungen darauf schließen, dass der DNA-Vergleichsuntersuchung im jeweiligen Fall Mischspuren zugrunde lagen; dies gilt bezüglich Tat II. 13 („Mitverursacher“) sowie bezüglich jeweils einer von mehreren Spuren bei den Taten II. 16, 19 und 27 („Mischmerkmale“, „zusammen mit“ einem weiteren DNA-Profil, „Mitspurenverursacher“). Jedoch ist den Urteilsgründen weder zu entnehmen, um welchen Typ einer Mischspur es sich dabei handelte, noch ob im Übrigen durchweg Einzelspuren vorlagen.

10Ungeachtet dessen genügen die Urteilsgründe den Darstellungsanforderungen weder in Bezug auf etwaige Einzelspuren, noch in Bezug auf Mischspuren. Die - für beide Spurenarten erforderliche - Mitteilung eines Wahrscheinlichkeitsergebnisses in numerischer Form findet sich allein zu einer Spur betreffend Tat II. 27 („Hypothese, dass der Angeklagte K.      Mitspurenverursacher war, rein rechnerisch eine über eine Milliarde mal höhere Wahrscheinlichkeit [...], als die Hypothese, dass der Angeklagte als Mitspurenverursacher auszuschließen sei“). Den übrigen Ausführungen - zu den Taten II. 9, 12, 13 und 18, dass der Angeklagte „als Verursacher ermittelt“, „verifiziert“ oder „als Verursacher festgestellt“ worden sei bzw. zu den Taten II. 4, 6, 11, 14, 16 und 19, dass die Spuren das DNA-Profil des Angeklagten „aufwiesen“, diesem „entsprachen“ oder mit diesem „übereinstimmten“ sowie zu Tat II. 15 und zu einer Spur betreffend II. 27, dass seine Urheberschaft „praktisch bewiesen“ sei - lässt sich keine den Darstellungsanforderungen genügende Wahrscheinlichkeitsangabe entnehmen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich nicht, dass im Rahmen der betreffenden Vergleichsuntersuchungen ein bestimmtes Wahrscheinlichkeitsergebnis ermittelt wurde.

11Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über eine Wahrscheinlichkeitsangabe hinaus für Mischspuren regelmäßig auch Mitteilungen zur Anzahl der untersuchten und übereinstimmenden Merkmalssysteme geboten sind, fehlt es überwiegend auch daran. Zwar wird gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsberechnungen mittlerweile standardmäßig die Untersuchung von 16 Systemen zugrunde liegen (vgl. auch , juris Rn. 12). Aus dem Umstand, dass die Strafkammer zu Tat II. 4 ausführt, dass die betreffende Spur „in allen 16 untersuchten Systemen mit dem Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimmte“ sowie zu Tat II. 19 feststellt, dass „in 16 voneinander unabhängigen Merkmalssystemen übereinstimmende Merkmale“ mit denen des Angeklagten bestanden, folgt jedoch nicht ohne Weiteres, dass dies bei allen untersuchten Spuren der Fall war.

12b) Der Senat kann ein Beruhen des Urteils auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung in diesen Fällen nicht ausschließen. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass gerade der Angeklagte die Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19 und 27 der Urteilsgründe begangen hat, entscheidend auf die an den jeweiligen Tatorten gesicherten und gemäß gutachterlichen Untersuchungen mit dem Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimmenden DNA-Spuren gestützt.

13Zwar lässt sich den Ergebnissen der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchungen - ungeachtet ihrer unzureichenden Darstellung in den Urteilsgründen - Indizwirkung dahingehend beimessen, dass der Angeklagte jeweils als (Mit-)Verursacher von DNA-Spuren am betreffenden Tatort in Betracht kommt (vgl. , juris Rn. 13); eine solche findet sich auch aufgrund des festgestellten räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs der Taten - diese wurden sämtlich zwischen Ende Januar und Mitte April 2016 im Raum E.   /W.    begangen - verstärkt. Jedoch ist den Urteilsgründen keine umfassende Gesamtbetrachtung der Beweisanzeichen zu entnehmen, auf die sich ein tragfähiger Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten gründen könnte.

142. Die hinsichtlich der Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19 und 27 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, namentlich diejenigen zu den jeweiligen Tatorten, Tatzeiten, Tatobjekten, Stehl- und Sachschäden, sowie die zu etwaigen psychischen Folgen für die Betroffenen, können hingegen bestehen bleiben; sie sind von den Darstellungsmängeln in der Beweiswürdigung nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO).

153. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung hat hinsichtlich der Taten II. 1, 10, 24 und 25 der Urteilsgründe (V.3, V.27, V.53 und V.55 der Anklage) und im Schuldspruch hinsichtlich Tat II. 26 der Urteilsgründe (V.56 der Anklage) Bestand; das Urteil ist insoweit allein im Strafausspruch zu Tat II. 26 aufzuheben.

16a) Bei den Taten II. 1 und 24 wurden keine den Angeklagten betreffenden DNA-Spuren gesichert; vielmehr stützt die Strafkammer ihre Überzeugung von dessen Täterschaft dort ausschließlich und rechtsfehlerfrei auf andere Beweise, namentlich zu Tat II. 1 auf die Angaben eines Mitangeklagten und zu Tat II. 24 auf die Sicherstellung von Stehlgut bei dem Angeklagten in Verbindung mit Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung.

17b) Soweit das Urteil bezüglich der Taten II. 10, 25 und 26 Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen von am Tatort gesicherten DNA-Spuren mitteilt, genügen diese Ausführungen zwar ebenfalls nicht den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Anforderungen. Jedoch hat das Landgericht zusätzlich festgestellt, dass Beutestücke aus diesen Taten in den Wohnungen der Mitangeklagten L.   und B.   L.   sichergestellt worden waren, in denen sich jeweils zeitnah auch der Angeklagte aufgehalten hatte. Hinsichtlich der Taten II. 25 und 26 bestand auch ein enger räumlich-zeitlicher Zusammenhang zur rechtsfehlerfrei festgestellten Tat II. 24 unter Beteiligung des Angeklagten; diese Taten waren sämtlich binnen weniger Tage in    Wi.       begangen worden. Darüber hinaus gab es Hinweise des Mitangeklagten B.   L.  und einer gesondert verfolgten Zeugin auf den Erhalt von Beutestücken gerade von dem Angeklagten. Hinsichtlich Tat II. 10 hat die Strafkammer ihre Überzeugung zudem maßgeblich auch auf ein Lichtbild des Angeklagten gestützt, auf welchem dieser ein bei dieser Tat entwendetes Armband als eigenes trägt. Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass die Verurteilung des Angeklagten in jenen Fällen auf der unzureichenden Darstellung der DNA-Vergleichsuntersuchungen beruht.

18c) Das Urteil unterliegt allerdings im Strafausspruch zu Tat II. 26 der Aufhebung. Die Strafkammer hat insoweit keine Feststellungen zu etwaigen psychischen Folgen für die Geschädigten getroffen, jedoch bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten darauf abgestellt, dass diese Tat „auch durch die psychischen Schäden für die Opfer“ geprägt gewesen sei. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verhängung der betreffenden Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten darauf beruht.

194. Das Entfallen der für die Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19, 26 und 27 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.

205. Die Verurteilung des Angeklagten hinsichtlich der Taten II. 5, 17 und 20 der Urteilsgründe (V.16, V.42 und V.47 der Anklage) wegen Begünstigung weist aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf.

216. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten hinsichtlich der Taten II. 4, 6, 9, 11 bis 16, 18, 19 und 27 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach sich. Da die Strafkammer zudem bei der Bemessung des Einziehungsbetrages im Hinblick auf nicht näher bestimmte, zurückgelangte Beutestücke einen „Sicherheitsabschlag“ vorgenommen hat, der sich den jeweiligen Taten des Angeklagten nicht im Einzelnen zuordnen lässt, kommt auch eine teilweise Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung nicht in Betracht. Einer Aufhebung der der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Feststellungen, insbesondere solchen zu den jeweiligen Stehlschäden, bedarf es indes nicht. Ergänzende, nicht widersprechende Feststellungen sind möglich.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:120821B2STR325.20.1

Fundstelle(n):
KAAAJ-15446