BBK Nr. 12 vom Seite 537

Es gibt nichts Richtiges im Falschen: BMF erneut zur Nutzungsdauer von Software und IT

Prof. Dr. Carsten Theile | BBK-Herausgeber

Steuerpflichtige [i]BMF, Schreiben v. 26.4.2022 - IV C 3 - S 2190/21/10002 :028 NWB TAAAI-62261 wird es auf jeden Fall freuen: Hartnäckig hält das BMF an der seitens der Politik vorgegebenen Auffassung fest, dass mit digitalen Wirtschaftsgütern bei unveränderter Rechtslage beliebig in der Steuerbilanz umgegangen werden kann. Und natürlich scheitert der Versuch des Ministeriums, in einem Antwortschreiben an die Verbände vom seine Auffassung auch vor einem „steuersystematischen Hintergrund“ zu begründen. Denn wenn sich die Verwendung oder Nutzung von Wirtschaftsgütern „erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt“, dann ist nach § 7 Abs. 1 EStG schlicht planmäßig über diese Nutzungsdauer abzuschreiben. Und bei kürzerer Nutzungsdauer liegt eben kein Anwendungsfall des § 7 Abs. 1 EStG vor. Das alles ist recht klar und einfach – und eine Sachverhaltsfrage.

Diese [i]Rätke/Theile, Faktische Sofortabschreibung für Hard- und Software reloaded, BBK 7/2022 S. 319 NWB OAAAI-58039 bemüht auch das BMF: Das „Angebot“ einer einjährigen Nutzungsdauer sei eine „begründete Annahme, die Wirklichkeitstrends“ aufnimmt. Schon kurz nach dem Erwerb seien solche digitalen Wirtschaftsgüter „nicht mehr zu einem vergleichbaren Wert (zu) verkaufen (sic!)“, so dass ein wirtschaftlicher Verbrauch angenommen werden könne, insoweit „die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, ggf. auch einer anderweitigen Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.“ Daher werde die Sofortabschreibung „von Seiten der Finanzverwaltung nicht beanstandet“.

Hätte das BMF Recht mit einer tatsächlichen Nutzungsdauer von einem Jahr für digitale Wirtschaftsgüter, dann müsste auch in der Handelsbilanz so vorgegangen werden (und ein Anwendungsfall des § 7 Abs. 1 EStG läge nicht mehr vor). Indes: Mir ist in Theorie und Praxis kein Handelsrechtler bekannt, der eine einjährige Nutzungsdauer als den betrieblichen Realitäten entsprechend anerkennt. Folglich wird in der Handelsbilanz weiterhin einigermaßen wahrhaftig abgeschrieben werden müssen – was das BMF nicht anficht, denn „unterschiedliche Abschreibungszeiträume in den Handels- und Steuerbilanzen“ würden dann wohl „schon aus anderen Erwägungen heraus“ getroffen. Hola! Dem BMF scheint es nicht zu reichen, nur das Einkommensteuergesetz zu verstümmeln!

Doch [i]Rätke/Theile, Faktische Sofortabschreibung für Hard- und Software, BBK 8/2021 S. 377 NWB OAAAH-75386 gemach, es ist ja gut für Steuerpflichtige, und leidgeprüfte Steuerberater wissen es schon längst: Wer sich auf das Gesetz verlässt, ist schnell verlassen. Was stört uns da schon eine weitere Erosion des Rechtsstaates?

Beste Grüße

Carsten Theile

Fundstelle(n):
BBK 2022 Seite 537
HAAAJ-15298