BMF - IV C 3 - S 2190/21/10002 :028

BMF-Schreiben zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung vom

Bezug: BStBl 2022 I S. 187

Bezug: BStBl 2021 I S. 298

Bezug: BStBl 2005 I S. 1025

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für Ihr Schreiben zum BMF-Schreiben zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung vom .

Zu Ihren Änderungs- und Erläuterungsbitten möchte ich folgendes ausführen:

Die Neufassung vom des BMF-Schreibens zur Nutzungsdauer von Computerhardware und Software zur Dateneingabe und -verarbeitung vom reagiert bereits auf Fragen aus der Wirtschaft sowie von Verbänden und Anwendern und bietet durch die im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder formulierten Ergänzungen die von der Praxis eingeforderten Klarstellungen.

Die vorliegende Neufassung vom ändert nicht den mit dem BMF-Schreiben vom beabsichtigten Regelungsgehalt. Insbesondere sollen mit diesem BMF- Schreiben keine besondere Form der Abschreibung und keine andere neue Abschreibungsmethode eingeführt werden.

Steuersystematischer Hintergrund der Regelungen des BMF-Schreibens:
Grundsätzlich richtet sich die Absetzung für Abnutzung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 7 Absätze 1 bis 3 EStG. Der Abschreibungszeitraum für bewegliche Wirtschaftsgüter bemisst sich dabei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Die Nutzungsdauer ist unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Verhältnisse zu schätzen. Hierbei sind sowohl die betriebsgewöhnliche Lebensdauer, die technische Leistungsfähigkeit und die betriebliche Auslastung, aber auch wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

So genannte „AfA-Tabellen“ wurden als Hilfsmittel zur Schätzung der Nutzungsdauer von allgemein verwendbaren bzw. branchentypischen Anlagegütern erarbeitet. Die in ihnen festgehaltenen Werte beruhen auf Erfahrungswissen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Normierung einer bestimmten Nutzungsdauer für ein bestimmtes Wirtschaftsgut. Die in den AfA-Tabellen angegebene Nutzungsdauer dient als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit der steuerlichen AfA. Sie orientiert sich an der tatsächlichen Nutzungsdauer eines unter üblichen Bedingungen arbeitenden Betriebs und kann je nach Einzelfall länger oder kürzer sein.

Für die Abschreibung maßgebend ist zwar vorrangig die technische Nutzungsdauer. Eine hiervon abweichende kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer kann aber dann Einfluss auf die Abschreibungsdauer haben, wenn das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Im Ergebnis ist die Bestimmung der für die Abschreibung zu Grunde zu legenden Nutzungsdauer eine sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich zu beurteilende Frage. Sie ist jedoch unabhängig von einer gegebenenfalls tatsächlich längeren Nutzung des Wirtschaftsgutes im Betrieb. Es kann daher vorkommen - und kommt auch bei den verschiedensten Wirtschaftsgütern vor - , dass für den Ansatz der planmäßigen Abschreibungen in der Handelsbilanz ein anderer Abschreibungszeitraum zu Grunde gelegt wird als für die Absetzung für Abnutzung in der Steuerbilanz (Beispiel ERP-Software: Handelsbilanz: 8 Jahre Nutzungsdauer, Steuerbilanz 5 Jahre Nutzungsdauer aufgrund des (BStBl I 2005 S. 1025)).

Derzeitig geführte Diskussion um das BMF-Schreiben vom
Zentraler Punkt der gegenwärtig geführten Diskussion ist die Frage, ob die betroffenen Wirtschaftsgüter auch bei der vorgeschlagenen Annahme einer nur einjährigen Nutzungsdauer weiterhin dem § 7 Absatz 1 EStG und damit der Abschreibung unterliegen. Denn gemäß § 7 Absatz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter, deren Verwendung oder Nutzung zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, über den Zeitraum der voraussichtlichen Gesamtnutzung abzuschreiben.

Die vom BMF-Schreiben erfassten Wirtschaftsgüter können auch weiterhin mehr als ein Jahr zur Erzielung von Einkünften verwendet werden. Das wird auch mit den im BMF-Schreiben enthaltenen Aussagen nicht verändert. Bereits zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Schreibens am war es nicht beabsichtigt, die Wirtschaftsgüter zu kurzlebigen Vermögensgegenständen umzuqualifizieren. Schon gar nicht sollte und konnte mit dem BMF-Schreiben eine neue Abschreibungsmethode in Form einer Sofortabschreibung geregelt werden. Vielmehr stand allein die Frage nach der der Abschreibung gem. § 7 Absatz 1 EStG zugrunde liegenden Nutzungsdauer dieser Wirtschaftsgüter im Fokus. Ziel war es unbestritten, dass für die betroffenen Wirtschaftsgüter die Abschreibungsbedingungen schnell und unbürokratisch verbessert werden sollten. Vor diesem Hintergrund wurde die voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter neu beurteilt. Die technische Nutzungsdauer bleibt hiervon unberührt. Der Ansatz der kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer für die Abschreibung ist zulässig.

Bei dem „Angebot“ einer einjährigen Nutzungsdauer handelt es sich nicht um eine realitätsfremde, sondern um eine begründete Annahme, die Wirklichkeitstrends aufnimmt. Die AfA-Tabellen für allgemein verwendbare Anlagegüter (AfA-Tabelle AV) wurden letztmalig im Jahr 2000 aktualisiert. Auch das BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung von ERP-Software, in dem eine Nutzungsdauer von 5 Jahren vorgesehen war, stammte aus dem Jahr 2005. Seitdem ist es im Bereich der Digitalisierung zu gravierenden Veränderungen und Weiterentwicklungen gekommen. Betriebliche Prozesse und Investitionen sind häufig innerhalb kurzer Zeit durch noch bessere und innovativere „digitale Wirtschaftsgüter“ und IT- Verfahren überholt. Ein Unternehmen, dass heute in Hard- und Software investiert, kann bereits nach kurzer Zeit diese Wirtschaftsgüter nicht mehr zu einem vergleichbaren Wert verkaufen. Ein wirtschaftlicher Verbrauch kann dann angenommen werden, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, ggf. auch einer anderweitigen Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.

Auswirkungen des BMF-Schreibens
Die mit dem BMF-Schreiben bekannt gegebene Annahme einer verkürzten Nutzungsdauer für Computerhardware und Software von bisher drei bzw. fünf Jahren auf ein Jahr führt zu einer klaren Verbesserung für die Unternehmen, die somit ohne weitere Verständigung mit der Finanzverwaltung diese digitalen Wirtschaftsgüter innerhalb eines Jahres abschreiben können.

Vereinfachend wirkt zudem, dass es von Seiten der Finanzverwaltung nicht beanstandet wird, wenn Steuerpflichtige die betroffenen Wirtschaftsgüter vollständig im Jahr der Anschaffung abschreiben und § 7 Absatz 1 Satz 4 EStG keine Anwendung findet. Hiervon werden insbesondere auch Privatpersonen und kleine Unternehmen (z.B. StartUp) profitieren, die ihre PCs und Software damit praktisch im Jahr der Anschaffung vollständig abschreiben können. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass die gesetzliche Regelung des § 7 Absatz 1 Satz 4 EStG nicht ausgeschlossen ist und bei der Abschreibung berücksichtigt werden kann.

In der Neufassung des BMF-Schreibens wird nunmehr klarstellend ausgeführt, dass die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer keine Wahlrechtsausübung im Sinne des § 5 Absatz 1 EStG darstellt. Eine andere Interpretation ist auch nicht möglich, da mit dem BMF-Schreiben die bestehende Abschreibungssystematik nicht modifiziert wurde.

Die Annahme einer neuen kürzeren Nutzungsdauer hat daher keine besonderen Auswirkungen auf das Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz. Auch ohne diese Annahme können in der Praxis in der Handelsbilanz andere Nutzungsdauern für die planmäßigen Abschreibungen zu Grunde gelegt werden als für die Absetzung für Abnutzung in der Steuerbilanz. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Absatz 1 EStG gilt grundsätzlich zwar auch für die Bewertung der Wirtschaftsgüter. Nach dem steuerlichen Bewertungsvorbehalt in § 5 Absatz 6 EStG, der sich auch auf die Absetzung für Abnutzung bezieht, können aber auch Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen und der steuerrechtlichen Bewertung bestehen.

Da die im BMF-Schreiben angebotene Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer - wie dargelegt - keine Sonderregelung darstellt bzw. das Abschreibungssystem nicht verändert, ist das BMF-Schreiben auch nicht beihilferechtlich beachtlich. Erst eine von den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen abweichende Sonderregelung wäre beihilferechtlich relevant. Dies liegt jedoch erkennbar nicht vor.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer nur für die eng im BMF-Schreiben abgegrenzte Computerhardware und Software Anwendung findet. Bei der Hardware handelt es sich hierbei vorrangig um Arbeitsplatz-PC, die ggf. auch bisher schon der Bewertungsfreiheit nach § 6 Absatz 2 oder Absatz 2a EStG unterlagen. Für diejenigen PC, die aufgrund einer fehlenden selbständigen Nutzungsdauer oder aufgrund der Überschreitung der 800 Euro-Grenze davon nicht profitieren konnten, führt der Ansatz einer einjährigen Nutzungsdauer nunmehr wirtschaftlich zu demselben Ergebnis.

Soweit auch schon aus anderen Erwägungen heraus in der Praxis unterschiedliche Nutzungsdauern und damit unterschiedliche Abschreibungszeiträume in den Handels- und Steuerbilanzen angesetzt wurden, kann diese abweichende Behandlung sich auch bei den im angesprochenen Wirtschaftsgütern ergeben. Da die Wirtschaftsgüter weiterhin der Abschreibung nach § 7 Absatz 1 EStG unterliegen, bedarf es keines Wahlrechtes im Sinne des § 5 Absatz 1 EStG, denn für die Abschreibung ist kein anderer steuerlicher Ansatz zu wählen als der der regulären Abschreibungen gem. § 7 Absatz 1 bis 3 EStG.

Der Koalitionsvertrag sieht die Einführung einer Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter vor. Die Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung der Investitionsprämie sind noch nicht abgeschlossen. Ich danke Ihnen für das Angebot eines Austausches; ich werde ggf. zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.

BMF v. - IV C 3 - S 2190/21/10002 :028

Fundstelle(n):
DStR 2022 S. 942 Nr. 19
TAAAI-62261