BFH Urteil v. - VII B 171/01 BStBl 2002 II S. 870

Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung per Telefax nach dem bis zum geltenden Zustellungsrecht unzulässig

Leitsatz

Nach dem bis zum geltenden Zustellungsrecht des VwZG konnte im finanzgerichtlichen Verfahren eine Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht wirksam per Telefax erfolgen. Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Zustellungsgegenstand, kommt eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 9 Abs. 1 VwZG nicht in Betracht.

Gesetze: FGO § 53FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3FGO § 116 Abs. 6FGO § 119 Nr. 4VwZG § 2 Abs. 1VwZG § 5 Abs. 2VwZG § 9 Abs. 1ZPO § 166 Abs. 1ZPO § 174 Abs. 2 (i. d. F. des ZustRG)

Instanzenzug: Hessisches FG

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten vor dem Finanzgericht (FG) die Vollstreckungsankündigung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) in Gestalt der Einspruchsentscheidung angefochten. Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den , 11.20 Uhr, bestimmt worden. Die von einer Verwaltungsangestellten unterzeichneten Terminsladungen sind gemäß dieser Verfügung dem FA und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am per Telefax zugestellt worden. Mitgefaxt wurde jeweils ein Vordruck gemäß § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) mit der Bitte, das vollzogene Empfangsbekenntnis umgehend an das Gericht zurückzusenden. Laut den in den Gerichtsakten befindlichen Sendeberichten sind die Übertragungsvorgänge erfolgreich durchgeführt worden. Die Originale der Ladungen sind ebenfalls zu den Gerichtsakten gegeben worden.

Mit Schreiben vom machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger geltend, die am in seinem Büro eingegangene Ladung per Telefax sei nicht wirksam. Da ihm kein Original der Ladung übersandt worden sei, könne er weder die Echtheit der Absenderkennung noch die Echtheit der Unterschrift prüfen. Er regte an, erneut und ordnungsgemäß zu laden oder durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Da sich die Hauptsache inzwischen erledigt habe, stelle er seinen Klageantrag auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage um.

Am teilte der Berichterstatter des FG-Senats dem Büro des Prozessbevollmächtigten auf dessen Anfrage telefonisch mit, dass der am folgenden Tag anberaumte Termin durchgeführt werde. Am Terminstag beanstandete der Prozessbevollmächtigte mit um 10.19 Uhr eingegangenem Telefax erneut die Ladung und bat um gerichtlichen Hinweis, ob die per Telefax erfolgte vermeintliche Ladung echt und wirksam sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sämtliche anderen Ladungen bisher per Originalschreiben mit Postzustellungsurkunde erfolgt seien. Sollte ihm ein Hinweis nicht rechtzeitig zugehen, werde er diesen Verfahrensfehler in der Revision rügen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Kläger niemand erschienen. Das FG stellte die Ordnungsmäßigkeit der Ladung fest, obwohl das der Ladung beigefügte Empfangsbekenntnis vom Prozessbevollmächtigten nicht zurückgesandt worden war, und wies die Klage ab. In der Begründung führte das FG vorweg aus, es liege weder ein Ladungsfehler vor noch seien Zustellungsmängel der Ladung ersichtlich. Eine Ladung per Telefax sei nach § 5 Abs. 2 VwZG gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Kläger, einem Rechtsanwalt, möglich gewesen. Dies ergebe sich inzident aus dem (BFH/NV 2001, 810). Die Ladung sei dem Prozessbevollmächtigten - das stehe durch dessen ausdrückliche schriftliche Bestätigung fest - fristgerecht zugegangen; ob er sie als wirksam anerkenne, spiele keine Rolle. Es sei auch ohne Belang, dass das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt worden sei. Der Nachweis des Zugangs sei hier durch eigene Bestätigung des Prozessbevollmächtigten geführt. Dessen Zweifel an der Authentizität der Terminsladung seien realitätsfremd. Außerdem wäre es ihm zuzumuten gewesen, sich bei der Senatsgeschäftsstelle zu erkundigen, ob die Ladung wirklich vom Gericht stamme und von einer hierzu legitimierten Person unterschrieben worden sei.

Hiergegen richtet sich die auf einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) des FG gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger. Ein Ladungsversuch ausschließlich per Telefax stelle mangels Originalunterschrift der zuständigen Amtsperson keine ordnungsgemäße Ladung gemäß § 91 FGO dar. Ohne wirksame Ladung ihres Prozessbevollmächtigten seien die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, so dass der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 4 FGO gegeben sei. Ferner sei dadurch auch das rechtliche Gehör der Kläger (§ 119 Nr. 3 FGO) verletzt worden.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Gründe

Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG durfte den Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht per Telefax zur mündlichen Verhandlung laden. Da der Ladungsfehler nicht geheilt worden ist, waren die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten (§ 119 Nr. 4 FGO).

1. Nach § 53 Abs. 1 FGO sind Ladungen den Beteiligten (§ 57 FGO) zuzustellen. Hat ein Beteiligter - wie im Streitfall die Kläger - einen Bevollmächtigten bestellt, ist die Zustellung an ihn zu richten (§ 62 Abs. 3 Satz 5 FGO). Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des VwZG (§ 53 Abs. 2 FGO). Diese Regelung kommt im Streitfall noch zur Anwendung, denn sie gilt für Zustellungen bis ; ab ist nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zuzustellen. Es gelten die §§ 166 ff. ZPO i. d. F. von Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz - ZustRG -) vom (BGBl. I, 1206; zum In-Kraft-Treten vgl. Art. 4 ZustRG).

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG besteht die Zustellung in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift. Damit ist der Zustellungsgegenstand abschließend umschrieben. Demgegenüber regeln § 2 Abs. 1 Sätze 2 und 3 VwZG die Zustellungsarten, d. h. auf welche Weise die Übergabe des Zustellungsgegenstandes an den Empfänger nach Wahl der Behörde bzw. des Gerichts (§ 2 Abs. 2 VwZG) zu erfolgen hat.

2. Im Streitfall ist die Ladung durch Telefax erfolgt. Ein Telefax ist kein tauglicher Zustellungsgegenstand i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG.

a) Das beim Empfänger auf elektronischem Weg eingegangene und ausgedruckte Schriftstück ist nicht die Urschrift, sondern lediglich eine Art Vervielfältigung oder Kopie der Urschrift. Das ausgedruckte Telefax (Telekopie) ist auch keine Ausfertigung der Urschrift. Unter Ausfertigung ist eine amtliche Abschrift oder Fotokopie des bei den Akten verbleibenden Originals zu verstehen, das im Rechtsverkehr die Urschrift ersetzen soll und in besonderer Form erteilt wird (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 2 VwZG Rz. 11, m. w. N. aus der Rechtsprechung). Diese besteht in der Regel in einem Ausfertigungsvermerk, der Ort und Datum der Erteilung und die Unterschrift des ausfertigenden Beamten enthält. An einem solchen Vermerk mit handschriftlicher Unterschrift fehlt es bei einer bloßen Telekopie. Für die Annahme einer beglaubigten Abschrift schließlich fehlt der Beglaubigungsvermerk, d. h. die handschriftliche Versicherung der zuständigen Urkundsperson, dass die Telekopie mit der Urschrift übereinstimmt (vgl. dazu Schwarz, a. a. O., § 2 VwZG Rz. 13, m. w. N.).

b) Diesem Befund entsprechend ist das steuerrechtliche Schrifttum, soweit die Frage behandelt wird, überwiegend der Auffassung, dass die Ladung per Telefax wie auch mittels anderer neuer Arten der Telekommunikation, wenn das Schriftstück ohne Originalunterschrift beim Adressaten eingeht, keine förmliche Zustellung darstellt und daher unzulässig ist (Schwarz, a. a. O., § 2 VwZG Rz. 14; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 2 VwZG Rz. 9; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 53 Rz. 13; Neumann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 53 FGO Rz. 12; Hundt-Eßwein in Beermann, a. a. O., § 2 VwZG Rz. 5, sieht die Frage als von der Rechtsprechung noch nicht geklärt an, jedoch lasse sich dieser Weg insbesondere bei eiligen Entscheidungen kaum aufhalten).

c) Der Senat schließt sich dieser herrschenden Auffassung im Schrifttum an, weil nur sie mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG zu vereinbaren ist. Gegen den Wortlaut des Gesetzes können Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte wie z. B. das rationelle Arbeiten mit den Mitteln der modernen Telekommunikation auch im Gerichtsbetrieb nicht ins Feld geführt werden. Insofern ist die Sachlage, was die Zulässigkeit der Übermittlung eines Schriftstücks durch Telefax angeht, bei der Regelung des streng förmlichen Zustellungsgegenstandes in § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG eine andere als in solchen Fällen, bei denen nach dem Gesetz lediglich das ,,Schriftlichkeitserfordernis'' zu erfüllen ist (z. B. bei bestimmenden Schriftsätzen gemäß § 64 Abs. 1 FGO oder bei der Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gemäß § 122 Abs. 1 und 2, § 157 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -; s. dazu Gräber/von Groll, a. a. O., § 64 Rz. 29, und Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 7. Aufl. 2000, § 122 Rz. 11, jeweils m. w. N. zur Zulässigkeit der jeweiligen Übermittlung per Telefax).

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch die ab geltende Neuregelung der Zustellung im gerichtlichen Verfahren durch das ZustRG. Hiernach wird der Begriff der ,,Zustellung'' neu definiert als die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der jeweils gesetzlich bestimmten Form (§ 166 Abs. 1 ZPO). Nach § 174 Abs. 2 ZPO kann das Schriftstück an einen Anwalt und an andere Personen und Behörden, denen gemäß Abs. 1 der Vorschrift gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann, auch durch Telekopie zugestellt werden, wobei bestimmte Übermittlungsbedingungen einzuhalten sind. Bei dieser Regelung handelt es sich nicht etwa um die gesetzliche Lösung einer bisher umstrittenen Frage, sondern, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, um eine echte konstitutive Neuregelung. Nach seiner Zielsetzung soll das ZustRG das Verfahren bei förmlicher Zustellung im gerichtlichen Verfahren vereinfachen und den gewandelten Lebensverhältnissen anpassen. Als Lösung hierfür lässt der Gesetzesentwurf u. a. ,,an Behörden und Personen, denen gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann, die Zustellung auf dem Wege der Fernkopie (Telefax) oder als elektronisches Dokument (E-Mail) zu'' (BTDrucks 14/4554, S. 1). In der Einzelbegründung zu § 174 Abs. 2 ZPO heißt es zu Beginn (BTDrucks 14/4554, S. 18): ,,Diese Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, die Mittel moderner Bürokommunikation für die Ausführung der förmlichen Zustellung eines Schriftstücks zu nutzen. Wenn auch die herkömmlichen Briefzustelldienstleistungen durch Postunternehmen auf lange Sicht für die gerichtliche Zustellung maßgebliche Bedeutung haben werden, so bietet die Telekommunikationstechnik doch bereits derzeit geeignete und sichere Möglichkeiten, um die Ausführung der Zustellung zu vereinfachen und den derzeit noch erheblichen Verwaltungsaufwand zu verringern. Die Vorschrift unterstellt, dass Personen, die ein Schriftstück als zugestellt akzeptieren, wenn es sie als einfacher Brief oder über ein Abholfach erreicht, in gleicher Weise mitwirken, wenn ihnen das Schriftstück auf dem Wege der Telekopie (Telefax) übermittelt wird.''

Der Senat sieht keine Veranlassung, § 174 Abs. 2 ZPO vor dem Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens zum (Art. 4 ZustRG) zu Lasten des rechtsuchenden Bürgers anzuwenden. Der Gesetzgeber hat bewusst einen langen Zeitraum von etwas über einem Jahr von der Verkündung des ZustRG bis zu seiner Anwendung eingeräumt, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich auf das neue Recht personell und organisatorisch einzustellen. Dieser gilt nicht nur für die Gerichte, sondern auch für die von den Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis betroffenen Personen und Behörden. Diese haben einen Anspruch darauf, dass dieser Zeitraum auch eingehalten wird.

d) Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zu dem vom FG für seine Auffassung genannten BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 810. Zwar könnte man auf den ersten Blick nach dem Gedankengang des Urteils in der Tat davon ausgehen, dass der VI. Senat die Wirksamkeit der Zustellung einer Ladung per Telefax voraussetzt. Der VI. Senat hat diese Frage jedoch nicht diskutiert und brauchte sie auch nicht zu entscheiden, weil im konkreten Fall der Zugang des Telefaxes beim Prozessbevollmächtigten nicht feststellbar war (Fehlermeldung im Sendeprotokoll). Da es mithin am erforderlichen Nachweis der Zustellung fehlte, was allein zur Aufhebung des angefochtenen Urteils ausreichte, brauchte der VI. Senat die systematisch an sich vorrangige Frage, ob ein Telefax überhaupt ein tauglicher Zustellungsgegenstand ist, nicht zu entscheiden.

Nicht zu folgen vermag der Senat der gegenteiligen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Weimar im Beschluss vom 3 ZKO 158/97 (ThürVBl 1999, 286 = juris Nr. MWRE107679900), welches die Zulässigkeit einer Ladung an einen Rechtsanwalt per Telefax aus § 5 Abs. 2 VwZG ableitet. Das Gericht übergeht § 2 VwZG und damit die abschließende Regelung des Zustellungsgegenstandes in § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG. Nur für die dort genannten Zustellungsgegenstände stehen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VwZG die Zustellungsarten durch die Post (§§ 3, 4 VwZG) oder durch die Behörde (§§ 5, 6 VwZG) oder die Sonderarten der Zustellung (§§ 14 bis 16 VwZG) offen. Wenn § 5 Abs. 2 VwZG bestimmt, dass u. a. an Rechtsanwälte das ,,Schriftstück auch auf andere Weise übermittelt'' werden kann (als gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 Abs. 1 VwZG), so bedeutet dies nicht etwa, dass allein dadurch eine Telefaxübermittlung der Ladung zulässig ist, denn ,,Schriftstück'' im Sinne dieser Vorschrift ist ersichtlich allein das nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG in Form der ,,Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift'' zu übergebende Schriftstück. § 5 Abs. 2 VwZG enthält keine Abweichung von dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG geregelten Zustellungsgegenstand, sondern lediglich eine gegenüber § 5 Abs. 1 VwZG (Empfangsbekenntnis) erleichterte Art und Weise der Zustellung. Typische Beispiele für diese erleichterte Zustellung sind der eingeschriebene Brief, auch gegen Rückschein, der einfache Brief oder das Einlegen in ein Abholfach des Empfängers (Gräber/Koch, a. a. O., § 53 Rz. 67; vgl. auch die Begründung des neuen § 174 Abs. 2 ZPO in BTDrucks 14/4554, S. 18; widersprüchlich Schwarz, a. a. O., § 5 VwZG Rz. 15, sowie Hundt-Eßwein, a. a. O., § 5 VwZG Rz. 7; missverständlich Tipke/Kruse, a. a. O., § 5 VwZG Rz. 4, ,,jede beliebige Übermittlungsart''). In allen diesen Beispielen bleibt der Zustellungsgegenstand unberührt.

Der Bs IV 143/95 (Neue Juristische Wochenschrift 1996, 1226), auf welchen sich das OVG Weimar zur Rechtfertigung seiner Auffassung beruft, betrifft nicht die Zustellung einer Ladung, sondern einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung in einer Prozesskostenhilfesache per Telefax. Dort bleibt unklar, wieso es sich bei der per Telefax übermittelten Entscheidung über die Prozesskostenhilfe um eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks handeln soll. Das OVG unterstellt dies ohne jede Begründung und kommt so zu dem Ergebnis, dass die Zustellung einer per Telefax an einen Rechtsanwalt übermittelten gerichtlichen Entscheidung sowohl hinsichtlich des Zustellungsgegenstandes als auch hinsichtlich der Zustellungsart den notwendigen Zustellungserfordernissen entspreche. Auch diese Entscheidung kann den Senat nicht von der Richtigkeit der auch vom FG in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung zur Zulässigkeit der Zustellung einer Ladung per Telefax überzeugen.

3. Eine Heilung des hiernach vorliegenden Zustellungsmangels gemäß § 9 Abs. 1 VwZG kommt nicht in Betracht. Auch diese Vorschrift setzt voraus, dass der Empfangsberechtigte letztlich das Schriftstück i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG, also die Urschrift der Ladung oder eine Ausfertigung bzw. eine beglaubigte Abschrift der Ladung, erhalten hat, bei der Zustellung eines solchen Schriftstücks aber zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden sind oder sich dessen formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt. Das Fehlen eines ordnungsgemäßen Zustellungsgegenstandes i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG ist somit nicht über § 9 Abs. 1 VwZG heilbar. Dem entspricht die herkömmliche Auffassung, wonach allenfalls Zustellungsmängel, die zur Unwirksamkeit der Zustellung führen, nach § 9 Abs. 1 VwZG heilbar sind, nicht aber inhaltliche Mängel oder sonstige Mängel, die dem Schriftstück selbst anhaften, z. B. Mängel der Ausfertigung (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 53 Rz. 99, m. w. N.). Dies gilt erst recht, wenn es, wie im Streitfall, an einem ordnungsgemäßen Zustellungsgegenstand überhaupt fehlt.

Dem steht die Rechtsprechung des BFH, wonach der Zugang einer Fotokopie, die als besondere Form der Abschrift die für den Adressaten bestimmte Ausfertigung nach Inhalt und Fassung vollständig wiedergibt, eine fehlerhafte Zustellung heilen kann (vgl. , BFHE 192, 200, BStBl II 2000, 560, und , BFH/NV 2000, 1252, jeweils m. w. N.) nicht entgegen. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Steuer- und Haftungsbescheide. Da für diese grundsätzlich lediglich die Bekanntgabe in schriftlicher Form genügt, brauchen, auch wenn die Behörde die Form der Zustellung angeordnet hat (§ 122 Abs. 5 AO 1977), die für förmliche Ladungen geltenden Anforderungen an den Zustellungsgegenstand bei materieller Betrachtung nicht notwendigerweise erfüllt zu sein. Im Übrigen handelte es sich, auch wenn man die Telekopie ebenso wie die normale Kopie im Sinne dieser Rechtsprechung als ,,besondere Form der Abschrift'' ansähe, dabei jedenfalls nicht um die in § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG vorgeschriebene Ausfertigung bzw. beglaubigte Abschrift.

Da dem Prozessbevollmächtigten der Kläger auch in der Folge bis zum Termin der mündlichen Verhandlung keine den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG entsprechende Ladung zugegangen ist, ist auch insoweit keine Heilung eingetreten. Die Frage, ob eine nachfolgende Übermittlung der Ladung in Form eines ordnungsgemäßen Zustellungsgegenstandes den Ladungsmangel hätte heilen können, obwohl dadurch die Ladungsfrist nicht mehr hätte gewahrt werden können, bedarf daher im Streitfall keiner Entscheidung.

4. Unter Berufung auf den Zustellungsmangel, im Ergebnis also die Nichtladung bzw. die nicht ordnungsgemäße Ladung, ist der Prozessbevollmächtigte nicht zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung am erschienen. Dies hatte zur Folge, dass die Kläger vor dem FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten waren. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zugleich einen absoluten Revisionsgrund i. S. des § 119 Nr. 4 FGO darstellt, weil unwiderleglich vermutet wird, dass das angefochtene Urteil auf der nicht ordnungsgemäßen Vertretung beruht (vgl. , BFHE 174, 304, BStBl II 1994, 661; Gräber/Ruban, a. a. O., § 119 Rz. 19, m. w. N.). Auf die Erfolgsaussichten des von den Klägern verfolgten Begehrens kommt es insoweit nicht an.

5. Da mithin im Streitfall die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen, macht der Senat von der ihr nach § 116 Abs. 6 FGO eingeräumten Befugnis Gebrauch, in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Da es sich bei der zu entscheidenden Frage um eine solche auslaufenden Rechts handelt, hielt es der Senat nicht für geboten, unter Zulassung der Revision den Vollsenat mit der Frage zu befassen (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 73/01, BFH/NV 2002, 990).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2002 II Seite 870
BB 2002 S. 1739 Nr. 34
BFH/NV 2002 S. 1252 Nr. 9
BFHE S. 330 Nr. 198
BStBl II 2002 S. 870 Nr. 22
DB 2002 S. 1698 Nr. 33
DStRE 2002 S. 1222 Nr. 19
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