BFH Urteil v. - III R 9/96 BStBl 2000 II S. 592

Ein Unternehmen mit Betriebsstätte der Geschäftsleitung außerhalb des Fördergebiets erfüllt die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet nicht, wenn die Wirtschaftsgüter nach den Gesamtumständen des Einzelfalls infolge der engeren wirtschaftlichen Beziehungen der Betriebsstätte der Geschäftsleitung zuzuordnen sind

Leitsatz

Dem Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet (in den InvZulG ab 1990) kommt stets dann besondere Bedeutung zu, wenn die Betriebsstätte der Geschäftsleitung des investierenden Unternehmens außerhalb des Fördergebiets liegt.

In solchen Fällen sind die betreffenden Wirtschaftsgüter, sofern keine eindeutige räumliche Zuordnung möglich ist, der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die engeren Beziehungen bestehen. Diese Entscheidung wiederum ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Falles zu treffen.

Gesetze: InvZV § 2 Nr. 5 (später Nr. 6) Buchst. a

Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg (EFG 1996, 192) (Verfahrensverlauf),

Tatbestand

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH in der Firmengruppe C, ist in den Bereichen Straßenreinigung, Haldenbewirtschaftung und Umweltschutz unternehmerisch tätig. Ihr Hauptsitz befindet sich in A in Nordrhein-Westfalen.

Am (Streitjahr) schloss die Klägerin mit dem im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung und vom Finanzgericht (FG) als Zeugen gehörten Herrn T einen Mietvertrag über einen im Einfamilienhaus des T am B-weg 2 in P in Brandenburg gelegenen Büroraum. Der Raum ist über den Flur des Hauses zugänglich. Er ist ca. 16 qm groß und von T mit einem Schreibtisch, einem Couchtisch mit Sofa und zwei Sesseln, einem Schrank sowie einem Telefon ausgestattet worden. In dem Schreibtisch reservierte T, der den Raum als Außendienstmitarbeiter eines anderen Unternehmens ebenfalls - meistens allerdings nur abends - nutzte, zwei Fächer für die Klägerin.

Der Geschäftsführer der Klägerin hielt sich anfangs zwei- bis dreimal, später etwa ein- bis zweimal im Monat in dem Büroraum auf, es kam auch vor, dass er den Raum einen Monat lang gar nicht nutzte. In der Zwischenzeit eingegangene Briefsendungen leitete T an die Klägerin weiter. Seine Ehefrau nahm zunächst auch einige Telefongespräche entgegen.

Bevor der Geschäftsführer den Büroraum aufsuchte, meldete er sich telefonisch bei der Ehefrau des T an, da er keinen Schlüssel zum Haus und zum Büroraum besaß. Die Ehefrau war wegen der Pflege eines nahen Angehörigen allerdings ständig zu Hause erreichbar.

Der Mietvertrag sah eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Der Mietzins betrug monatlich 200 DM.

Am meldete die Klägerin beim Gewerbeamt P die Errichtung einer Betriebsstätte an. Als deren Tätigkeit gab sie die Ausführung von Straßenreinigungsarbeiten, die Reinigung, Aufräumung und Abtragung von Asphalt- und Betonflächen, die Deponien- und Haldenbewirtschaftung sowie die Ausführung von Umweltschutzarbeiten, wie z. B. Sammeln von Altglas, Altpapier etc., an. Außerdem beantragte die Klägerin die Eintragung einer Zweigniederlassung ins Handelsregister des Amtsgerichts A unter der Anschrift B-weg 2 in P. Vor Ort, auf dem Grundstück des T, weist allerdings nichts auf eine entsprechende Betriebsstätte hin.

Die Geschäftsunterlagen aller zur Firmengruppe C gehörenden Betriebe werden zentral in A aufbewahrt. Die Buchführung einschließlich der Lohnabrechnungen wird im Büro des steuerlichen Beraters und nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin erledigt.

Am 20. und schaffte die Klägerin eine Zugmaschine, einen Kippsattelauflieger nebst Kran sowie einen Bagger (Kettenfahrzeug) an. Die Zugmaschine und der Sattelauflieger wurden am in P straßenverkehrsrechtlich zugelassen. Die Fahrzeuge wurden in der Folgezeit entsprechend dem Unternehmenszweck der Klägerin im Fördergebiet eingesetzt. Sie wurden überwiegend durch Personal der Klägerin bedient und an ihren Einsatzorten oder in deren Nähe abgestellt.

Für die Anschaffungskosten beantragte die Klägerin Investitionszulage nach der Investitionszulagenverordnung (InvZV) 1990. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte die Zulage zunächst wie beantragt, stellte den betreffenden Bescheid jedoch unter den Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen der bereits erwähnten, bei der Klägerin durchgeführten Steuerfahndungsprüfung kam der Prüfer zu der Auffassung, dass die Klägerin unter der Anschrift B-weg 2 in P keine Betriebsstätte unterhalte. Nach Aussagen des T habe dieser Post- und Telefondienste für die Klägerin leisten sollen. Dafür und für die Einräumung der Möglichkeit, von seinem Hause aus Telefongespräche zu führen, sei T eine Aufwandsentschädigung von 200 DM monatlich in Aussicht gestellt worden. Der Geschäftsführer der Klägerin habe nicht einmal einen Schlüssel zum Hause des T gehabt. Aufträge und Geschäfte seien ausschließlich über die Hauptniederlassung der Klägerin in A abgewickelt worden. Aufträge habe die Klägerin aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehungen zu ihrer Hauptniederlassung erhalten.

Bei der Zugmaschine und dem Sattelauflieger komme hinzu, dass sie wegen ihrer Zulassung zum Straßenverkehr erst im Jahre 1991 nicht mehr im Streitjahr (1990) im Sinne der InvZV angeschafft worden seien.

Das FA machte sich die Rechtsauffassung des Fahndungsprüfers zu eigen und setzte die Investitionszulage mit Änderungsbescheid vom auf null DM fest.

Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage.

Das FG vernahm T als Zeugen und gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 192 veröffentlichtem Urteil statt. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

1. Anders als der Bagger seien die Zugmaschine und der Kippsattelauflieger zwar erst im Jahre 1991 i. S. der §§ 2 und 3 InvZV angeschafft worden. Erst in diesem Jahr seien sie zum Straßenverkehr zugelassen worden; ein tatsächlicher Einsatz noch im Streitjahr habe nicht vorgelegen. Doch sei der Klägerin gleichwohl Investitionszulage (schon) für das Streitjahr zu gewähren. Dies folge aus den Grundsätzen von Treu und Glauben. Das FA habe die Kfz-Briefe für die beiden Fahrzeuge angefordert. Es habe sodann die beantragte Investitionszulage festgesetzt, obwohl sich aus den Kfz-Briefen ergab, dass die Fahrzeuge erst im Jahre 1991 zum Straßenverkehr zugelassen worden sind. Dadurch habe das FA bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der dazu führte, dass diese insoweit nicht einen neuerlichen Zulagenantrag für das Jahr 1991 stellte. Als sie von der Rechtsauffassung des Fahndungsprüfers erfuhr, seien die Fristen für eine das Jahr 1991 betreffende Antragstellung (einschließlich der Wiedereinsetzungsfristen) längst abgelaufen gewesen.

2. Entgegen der Auffassung des FA habe die Klägerin in P im B-weg 2 auch eine Betriebsstätte i. S. des § 2 InvZV unterhalten. Die Voraussetzungen des insoweit maßgebenden § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) seien erfüllt gewesen. Für die Annahme einer festen Geschäftseinrichtung oder Anlage im Sinne dieser Vorschrift reichten verhältnismäßig nebensächliche oder untergeordnete Betriebshandlungen aus; die Anforderungen seien umso geringer, je mehr sich die eigentliche gewerbliche Tätigkeit außerhalb einer festen örtlichen Anlage vollziehe (Hinweis auf das , BFH/NV 1988, 119).

Die Art des Geschäftsbetriebs der Klägerin habe nach dem schlüssigen Vortrag ihres Geschäftsführers im hier maßgebenden Dreijahreszeitraum den überwiegenden Einsatz von Personen vor Ort beim Kunden erfordert. Die Darstellung des Fahndungsprüfers, die Aufträge der Klägerin im Fördergebiet beruhten auf langjährigen Geschäftsbeziehungen zu ihrer Hauptniederlassung in A, sei nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unzutreffend. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit in den neuen Bundesländern erst nach ,,Öffnung der Mauer'' ausüben können und daher dort auch erst Kunden finden müssen. Da die Klägerin sich demnach erst einen Markt im Fördergebiet habe erschließen müssen, sei es nur folgerichtig, dass auch die Auftrags- und Geschäftsabwicklung in den neuen Bundesländern vor Ort beim Kunden erfolgt seien. In diesem Zusammenhang sei auch das Büro in P aufgesucht worden. Da die Klägerin erst im Jahre 1991 Aufträge erhielt, sei es einsichtig, dass der Büroraum in P zunächst nur geringe Bedeutung hatte. Wie die regelmäßige stundenweise Beschäftigung der Ehefrau des T ab 1994 zeige, sei die Bedeutung des Büros in P im Laufe der Zeit gewachsen. Für eine dort befindliche Betriebsstätte sprächen auch die Anmeldung und die Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister.

Die Klägerin habe hinsichtlich der Mitbenutzung des Büroraumes auch eine rechtlich abgesicherte Verfügungsmacht gehabt. Diese habe ihr der mit T abgeschlossene Mietvertrag verschafft. Dabei könne dahinstehen, in welchem Umfang das von der Klägerin gezahlte Entgelt persönliche Leistungen des T und seiner Ehefrau habe abgelten sollen. Der überwiegende Anteil sei jedenfalls auf die Überlassung des Büroraumes zur Mitbenutzung durch die Klägerin entfallen. Im Übrigen sei dieser Raum bis zum heutigen Tage (der mündlichen Verhandlung vor dem FG) angemietet.

3. Die drei Fahrzeuge gehörten während des maßgeblichen Dreijahreszeitraumes schließlich auch zum Anlagevermögen der Betriebsstätte in P.

Da die Klägerin auch in den alten Bundesländern eine Betriebsstätte habe, müsse die Zurechnung unter Würdigung aller Umstände zu der Betriebsstätte vorgenommen werden, zu der die engeren Beziehungen beständen. Der Senat folge dabei grundsätzlich der Auffassung des Bundesministers der Finanzen (BMF) im Schreiben vom (BStBl I 1991, 768, Tz. 43), wonach Wirtschaftsgüter wie die hier zu beurteilenden der Betriebsstätte zugerechnet werden müssten, die die Erträge aus den betreffenden Wirtschaftsgütern erwirtschaftet.

Im Streitfall liege jedoch die Besonderheit vor, dass der überwiegende Teil der Tätigkeit der Klägerin - entsprechend der Art ihres Geschäftsbetriebs - vor Ort ausgeübt werde. Sowohl der Abtransport von Gegenständen nebst Reinigung und Deponie- und Haldenbewirtschaftung als auch die Akquisition neuer Kunden, die Vertragsabschlüsse und vor allem die Kundenbetreuung würden nach dem unbestrittenen Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (vor dem FG) nicht in A, sondern in den neuen Bundesländern beim Kunden stattfinden. Diese im Fördergebiet vorgenommenen Tätigkeiten und das damit zusammenhängende Aufsuchen der Betriebsstätte in P ließen die Bindung an diese Betriebsstätte enger erscheinen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es hat - soweit für die Entscheidung des Senats von Bedeutung - ausgeführt:

1. Nach der Rechtsprechung des BFH reiche die bloße tatsächliche Mitbenutzung eines Raumes für die Annahme einer Betriebsstätte i. S. des § 12 AO 1977 nicht aus (Hinweis auf das Urteil vom I R 77/88, BFHE 158, 499, BStBl II 1990, 166). Das FG habe insoweit zu Unrecht die erforderliche Verfügungsmacht der Klägerin über den Büroraum im Hause des T bejaht. Es habe versäumt, die Widersprüche in den Aussagen des T - soweit sie den Mietvertrag beträfen - gegenüber dem Fahndungsprüfer einerseits und als Zeuge vor dem FG andererseits aufzuklären. Diese Aussagen widersprächen sich vollkommen und seien unglaubwürdig. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein fremder Dritter für 200 DM die Nutzung eines Büroraumes inklusive Einrichtung, Telefon und zeitweise auch Faxgerät für gewerbliche Zwecke gestatte und dabei überdies auch noch bestimmte Leistungen ohne gesonderte Berechnung ausführe. Der Abschluss des Mietvertrages sei demnach als Scheingeschäft i. S. des § 117 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu betrachten. Indem das FG den Aussagen des T als Zeuge Glauben geschenkt hat, habe es gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen.

Ungeachtet dessen hätte sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen müssen. So habe das FG selbst festgestellt, dass es auf dem Grundstück des T keinen Hinweis auf die Firma der Klägerin gegeben habe. Es sei gerichtsbekannt, dass es im Fördergebiet ein Netz von volkseigenen Betrieben mit demselben Tätigkeitsfeld wie dem der Klägerin gegeben habe. Diese Betriebe hätten sich im Jahre 1990 in der Umstrukturierung befunden und seien einem außergewöhnlichen Konkurrenzdruck ausgesetzt gewesen. Angesichts dieser Situation wäre jedes neu in diesen Markt eintretende Unternehmen zu intensiven Werbemaßnahmen gezwungen gewesen, wenn es nicht bereits aus früherer Zeit über beste Geschäftskontakte verfügte. In dem angeblich angemieteten Büro hätten sich aber keinerlei Unterlagen befunden, die auf entsprechende Maßnahmen der Klägerin hingedeutet hätten.

Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verstießen auch gegen die Denkgesetze, soweit das FG von betrieblichen Handlungen vor Ort ausgehe, obwohl sich im Büro in P keinerlei Geschäftsunterlagen befanden. Es widerspreche allgemeinen Erfahrungssätzen, dass ein Unternehmer des Gewerbezweiges der Klägerin Vertragsverhandlungen nur vor Ort führe, maßgebliche unternehmerische Entscheidungen vor Ort fälle und dabei nicht darauf angewiesen sein solle, Geschäftsunterlagen in der nahen Betriebsstätte jederzeit einsehbar aufzubewahren. Hinzu komme, dass vom FG nicht festgestellt worden sei, welcher Mitarbeiter der Klägerin die Vertragsverhandlungen geführt habe, wem die Kundenbetreuung oblegen habe und wer für die Durchführung der tatsächlich zu erbringenden Leistungen zuständig war. Außer dem Geschäftsführer der Klägerin, der das Büro auch nur unregelmäßig ein- bis dreimal im Monat aufsuchte, sei kein kaufmännisches Personal vor Ort gewesen.

Danach ließen bereits die tatsächlichen Feststellungen des FG den Schluss zu, dass weder im Streitjahr noch in den Folgejahren - wegen des Fehlens hinreichend ausgebildeten Personals - Vertragsverhandlungen vor Ort durchgeführt worden sein konnten. Auch sei von P aus nicht einmal der Geldverkehr kontrolliert worden, eine Tätigkeit, die der BFH im Fall des Urteils in BFH/NV 1988, 119 als ausreichend für die Begründung einer Betriebsstätte angesehen habe.

2. Auch die weitere Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet sei nicht erfüllt.

Die Erträge im Fördergebiet seien schon wegen des Fehlens entsprechenden Personals nicht von P aus erwirtschaftet worden, sondern von der Hauptniederlassung in A aus. Das Bedienungspersonal für die Fahrzeuge habe lediglich mechanische Tätigkeiten vor Ort erledigen können. Der Einsatz dieses Personals habe angesichts der seltenen Anwesenheit des Geschäftsführers der Klägerin in P von A aus organisiert werden müssen. Gleiches gelte z. B. für die Entgegennahme von Kundenreklamationen und den damit verbundenen unternehmerischen Entscheidungen. Ebenso habe die Werbung, die Akquisition einschließlich der Preis- und Vertragsverhandlungen, die Vorbereitung eines Vertrages bis hin zu dessen Abwicklung sowie der Zahlungsverkehr von A aus organisiert und durchgeführt werden müssen.

3. Ungeachtet dessen seien die Zugmaschine und der Sattelauflieger auch deshalb (im Streitjahr) nicht zulagenbegünstigt, weil sie erst im Jahre 1991 angeschafft worden seien. Daran änderten auch die Grundsätze von Treu und Glauben nichts (wird näher ausgeführt).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage der Klägerin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Die vom FG getroffenen Feststellungen tragen insbesondere nicht den Schluss, die von der Klägerin angeschafften Fahrzeuge gehörten mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet (§ 2 Nr. 5 - später Nr. 6 - Buchst. a InvZV).

1. Der Zulagengewährung stände zwar nicht - wovon auch das FG stillschweigend ausgegangen ist - entgegen, dass die Fahrzeuge im Streitjahr nicht mehr tatsächlich eingesetzt wurden. Der erkennende Senat hat es für zulässig erachtet, dass sog. Konjunkturzulagen nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975 auch (schon) für Wirtschaftsgüter gewährt wurden, die vor der Eröffnung des Betriebs angeschafft wurden, wenn dieser sodann zügig errichtet und alsbald eröffnet wurde (s. z. B. , BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636). Die gleichen Grundsätze, wonach gerade in der Phase der Gründung eines Betriebs hoher Investitionsbedarf besteht und dessen Befriedigung auch besonders förderungswürdig ist, gelten auch für den Anwendungsbereich der InvZV. Weiter kann es keinen Unterschied machen, ob im Hinblick auf einen zu eröffnenden selbständigen Betrieb oder im Hinblick auf eine im Fördergebiet alsbald sich aktiv am Wirtschaftsleben beteiligende Betriebsstätte investiert wird.

2. Doch bestehen bereits Zweifel, ob die Klägerin im Haus des T im B-weg 2 in P eine Betriebsstätte im Sinne der oben genannten Vorschrift unterhielt. Der Begriff der Betriebsstätte in der InvZV ist im Streitfall - wie auch vom FG angenommen - nach § 12 AO 1977 zu bestimmen (vgl. z. B. den Senatsbeschluss vom III B 91/98, BFH/NV 1999, 1122, zum InvZulG 1991). Dabei ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (s. z. B. den , BFH/NV 1997, 96).

An das Ergebnis dieser Würdigung ist das Revisionsgericht gebunden, wenn ihr ein vollständig und richtig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt (s. hierzu z. B. Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Anm. 39 und 40, mit zahlreichen Hinweisen). Im Streitfall bestehen jedoch - auch nach den Ausführungen des FA - Zweifel, ob das FG den maßgebenden Sachverhalt vollständig ermittelt bzw. den gesamten festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. So hat das FG z. B. nicht geprüft, welche gewerblichen Tätigkeiten in dem Büroraum im Haus des T seitens der Klägerin überhaupt konkret ausgeübt wurden. Ebenso ist nicht bekannt, inwieweit die Klägerin den betreffenden Büroraum auch nach außen als Geschäftsadresse bekannt gemacht hat (s. hierzu etwa den , BFH/NV 1999, 753). Den Umstand, dass auf dem Hausgrundstück des T - auch nach dessen Zeugenaussage vor dem FG - bis ins Jahr 1993 hinein keinerlei Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin angebracht war, hat das FG nicht in seine Würdigung einbezogen.

Ob diese Mängel dazu führen, dass der Senat von sich aus das Vorliegen einer Betriebsstätte verneinen könnte oder aber den Rechtsstreit zur Klärung dieser Frage an das FG zurückverweisen müsste, kann jedoch dahinstehen. Denn die von der Klägerin angeschafften Wirtschaftsgüter gehörten jedenfalls nicht zum Anlagevermögen der u. U. in P anzunehmenden Betriebsstätte.

3. Nach § 2 Nr. 5 (später Nr. 6) Buchst. a InvZV ist die Anschaffung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern nur dann zulagenbegünstigt, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter u. a. mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) / im Fördergebiet gehören.

a) Die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen - hier einer Betriebsstätte im Fördergebiet - muss zusätzlich erfüllt sein. Das bloße Vorhandensein einer solchen Betriebsstätte genügt nicht. Dem Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit kommt stets dann besondere Bedeutung zu, wenn die Betriebsstätte der Geschäftsleitung - wie im Streitfall - außerhalb des Fördergebiets liegt. In solchen Fällen sind die Wirtschaftsgüter, sofern keine eindeutige räumliche Zuordnung möglich ist, der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die engeren Beziehungen bestehen. Diese Entscheidung wiederum ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Falles zu treffen (s. hierzu z. B. das Urteil des erkennenden Senats vom III R 71/75, nicht veröffentlicht, zu § 19 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -; auch Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 2 InvZulG 1996 Rz. 40). Für die Zuordnung z. B. eines LKW hat der Senat in dem eben genannten Urteil darauf abgestellt, von welcher Betriebsstätte aus die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug ausgeübt wird. Dabei hat er als maßgeblich angesehen, von wo aus regelmäßig über die bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeugs entschieden wird, insbesondere darüber, wann und welcher Transport ausgeführt werden soll, welche Besatzung das Fahrzeug benutzt und wann dieses im Einzelfall zu reparieren ist. Der BMF hat im Schreiben vom (BStBl I 1991, 768 Tz. 43) für entscheidend gehalten, welche Betriebsstätte die Erträge aus dem betreffenden Wirtschaftsgut erwirtschaftet bzw. von welcher Betriebsstätte aus - beim Leasing - die betreffende Werbung, das Anbahnen, Abschließen und Durchführen der Verträge sowie die anschließende Betreuung vorgenommen werden.

b) Der Senat hält es für geboten, die aufgezeigten Grundsätze auch im Streitfall anzuwenden. Dabei berücksichtigt er, dass mit der InvZV - wie mit dem Nachfolgegesetz, dem InvZulG 1991, auch - im Fördergebiet eine vermehrte Wirtschaftstätigkeit mit entsprechender Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ausgelöst werden sollte (zum InvZulG 1991 s. insoweit z. B. das Senatsurteil vom III R 112/95, BFHE 182, 226, BStBl II 1998, 70, Nr. 2 der Entscheidungsgründe).

Diesen Vorgaben entsprechen die Tätigkeiten, die nach den Feststellungen des FG von dem Büroraum im Haus des T in P ausgingen, nicht.

Das FG hat sich darauf beschränkt, den Vortrag der Klägerin, die Vertragsverhandlungen seien jeweils beim Kunden im Fördergebiet geführt worden, als unstreitig anzunehmen und die wirtschaftlichen Erfolge aus dieser Tätigkeit der - fraglich vorhandenen - Betriebsstätte in P zuzurechnen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass es in P keine Mitarbeiter gab, die den Büroraum im Hause des T mit unternehmerischem Leben erfüllt hätten und von dort aus im Fördergebiet hätten tätig werden können. T und seine Ehefrau leisteten allenfalls Botendienste für den Geschäftsführer der Klägerin in A. Die bei ihnen für die Klägerin eingegangenen Briefe leiteten sie an diese weiter; ebenso gaben sie den Inhalt empfangener Telefongespräche weiter. Entscheidungen aufgrund der so im Betriebssitz in A angekommenen Fakten und Daten wurden nach der Lebenserfahrung jedenfalls dort erst einmal vorbereitet, möglicherweise auch getroffen.

Wenn es denn weiter zuträfe, dass der Geschäftsführer der Klägerin die jeweiligen Vertragsverhandlungen - nach Art eines Handelsreisenden oder Versicherungsvertreters - unmittelbar beim Kunden führte, so wäre auch diese Tätigkeit dem Betriebssitz der Geschäftsleitung der Klägerin in A zuzurechnen. Denn im Büroraum in P befanden sich keinerlei Geschäftsunterlagen der Klägerin. Diese wurden nach den Feststellungen des FG vielmehr in A aufbewahrt.

Dementsprechend konnte der Vollzug der geschlossenen Verträge, einschließlich des Einsatzes des Bedienungspersonals für die Fahrzeuge, auch nur von A aus bewerkstelligt werden.

c) Danach standen die von der Klägerin angeschafften und im Fördergebiet eingesetzten Fahrzeuge in einer wesentlich engeren Beziehung zur Betriebsstätte der Geschäftsleitung in A als zum Büroraum im Hause des T in P. Die entscheidenden Impulse für die Verwendung der drei Wirtschaftsgüter gingen von der Betriebsstätte in A aus. Damit ist dieser Betriebsstätte auch der wirtschaftliche Erfolg aus dem Einsatz der Fahrzeuge zuzurechnen.

4. Das FG ist von minderen Anforderungen an die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer von mehreren Betriebsstätten ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Auf die vom FA gerügte unzureichende Sachverhaltsermittlung kommt es nicht an. Die Klage ist bereits aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen abzuweisen.

5. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage nach dem Zeitpunkt der Anschaffung der Zugmaschine und des Sattelaufliegers. Doch weist der Senat insoweit auf seine Urteile in BFHE 182, 226, BStBl II 1998, 70, und vom III R 111/95 (BFHE 183, 317, BStBl II 1998, 72) hin.

Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 592
BB 2000 S. 1930 Nr. 38
BFH/NV 2000 S. 1425 Nr. 11
DStRE 2000 S. 1159 Nr. 21
INF 2001 S. 30 Nr. 1
MAAAA-88758