BFH Urteil v. - II R 15/98 BStBl 2000 II S. 588

- Voraussetzungen, unter denen ein formunwirksames Vermächtnis bei der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt werden kann - Voraussetzungen, unter denen betriebliche Steuererstattungsansprüche und betriebliche Schulden angesetzt werden können

Leitsatz

1. Ein formunwirksames Vermächtnis kann der Besteuerung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn feststeht, dass - vom Formmangel abgesehen - eine Anordnung des Erblassers von Todes wegen vorliegt und der Beschwerte dem Begünstigten das diesem zugedachte Vermögen überträgt, um dadurch den Willen des Erblassers zu vollziehen.

2. Erfährt der Steuerpflichtige von einem betrieblichen Steuererstattungsanspruch durch eine höchstrichterliche Entscheidung, die erst nach dem Tod des Erblassers gegen die bis dahin von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung zu einem vergleichbaren Sachverhalt zugunsten eines anderen ergangen ist, gehört der Anspruch am Todestag des Erblassers nicht zum Betriebsvermögen i. S. von § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG und ist deshalb nach § 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG auch bei der Erbschaftsteuer nicht zu berücksichtigen.

3. Schulden können nach § 103 Abs. 1 BewG nur angesetzt werden, wenn der Aktivposten, mit dem sie zusammenhängen, als Wirtschaftsgut zu erfassen ist.

Gesetze: ErbStG § 12 Abs. 5 Satz 2BewG § 95 Abs. 1 Satz 1BewG § 103 Abs. 1 i. d. F. des StÄndG 1992 und des StandOGAO 1977 § 41 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: FG Köln (EFG 1998, 677) (Verfahrensverlauf), ,

Tatbestand

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Schwester (S) sind nach einem gemeinschaftlichen Erbschein vom Erben zu je 1/2 Anteil nach ihrem am verstorbenen Vater (V). V war Inhaber eines Einzelunternehmens gewesen, dessen Gegenstand das Aufstellen und der Betrieb von Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten war. Er ermittelte seinen Gewinn gemäß § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) äußerte V an seinem Todestag gegenüber seiner Lebensgefährtin und dem Kläger mündlich als letzten Willen, dass der Kläger das Unternehmen allein und ohne Ausgleichspflicht erhalten solle und das übrige Vermögen mit S zu teilen habe. Spätere Streitigkeiten zwischen dem Kläger und S wurden - so die weiteren Feststellungen des FG - durch notariell beurkundeten Vertrag vom ausgeräumt und der Nachlass entsprechend dem erklärten Willen des V auseinander gesetzt.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom in der Rechtssache C-38/93 - Glawe - (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden hatte, dass Bemessungsgrundlage für die Umsätze des Betreibers von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (, BStBl I 1991, 538) nicht die Summe der für jedes einzelne Spiel gezahlten Entgelte, sondern nur der Teil der Einsätze sei, über den er selbst verfügen könne (sog. Kasseninhalt), beantragte der Kläger am die Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1992. Das zuständige Betriebsfinanzamt (Betriebs-FA) lehnte dies mit Schreiben vom zunächst ab, weil das Urteil des EuGH über den Streitfall hinaus keine Bindungswirkung entfalte. Nach Aufhebung des BMF-Schreibens in BStBl I 1991, 538 durch das I V C 3 - S 7200 - 80/94 (BStBl I 1994, 465) erließ das Betriebs-FA nach Maßgabe des EuGH-Urteils einen geänderten zusammengefassten Umsatzsteuerbescheid für 1989 und 1991 und einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid für 1992, die zu Erstattungen und Zinszahlungen an den Kläger in Höhe von insgesamt 1 596 519 DM führten. In der Steuerbilanz zum vom ließ der Kläger die Umsatzsteuererstattungsansprüche für die Jahre 1989 bis 1993 nebst Zinsen unberücksichtigt.

Der Kläger setzte das Betriebsvermögen des von V geführten Unternehmens in seiner Erbschaftsteuererklärung in vollem Umfang als Teil seines Erwerbes an. Die Umsatzsteuererstattungsansprüche nebst Zinsen waren in dem insoweit ausgewiesenen Wert nicht enthalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es ab, das Unternehmen ohne wirksame letztwillige Verfügung des V als Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zugunsten des Klägers zu behandeln, und rechnete ihm deshalb in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Erbschaftsteuerbescheid vom den Nachlass zur Hälfte zu. Die bis zum Tod von V entstandenen Umsatzsteuererstattungsansprüche bezog er unter Hinweis auf das Stichtagsprinzip in die Ermittlung des Nachlasswertes ein. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte lediglich aus anderen Gründen in geringem Umfang Erfolg.

Während des Klageverfahrens erließ das FA gegen den Kläger einen geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom , durch den es den Wert des Betriebsvermögens des Unternehmens nunmehr in vollem Umfang dem Kläger zurechnete, weil es annahm, dass dem Kläger das Unternehmen als Vorausvermächtnis zugewandt worden sei. Der Kläger hat diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Das FG gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 677 veröffentlichten Urteil teilweise statt. Es ging davon aus, dass V den Kläger durch die mündliche Erklärung vom Todestag zum Miterben zu 1/2 Anteil eingesetzt und ihm zudem das Unternehmen durch ein Vorausvermächtnis zugewandt habe. Ob diese Verfügung zivilrechtlich wirksam sei, sei mit Rücksicht auf § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unerheblich. Der Kläger und S hätten den letzten Willen des V respektiert und den Nachlass durch den notariell beurkundeten Vertrag vom entsprechend auseinander gesetzt. Hinsichtlich des Ansatzes der Umsatzsteuererstattungsansprüche folgte das FG der Auffassung des FA, berücksichtigte jedoch zugleich Rückstellungen und Verbindlichkeiten, die sich aufgrund der Minderung der Umsätze bzw. der aus dem Ansatz der Erstattungsansprüche folgenden Gewinnerhöhung ergaben.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Umsatzsteuererstattungsansprüche nebst Zinsen seien nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bis zum Todestag des V nicht zu aktivieren gewesen. Für die Aktivierung komme es nicht entscheidend darauf an, ob ein Anspruch entstanden sei, sondern darauf, ob er sich am Bilanzstichtag als realisierbarer Vermögenswert darstelle. Werde ein Steuererstattungsanspruch bestritten, so sei er erst nach seiner Anerkennung oder rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung zu aktivieren. Das Betriebs-FA habe es aber bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 465 abgelehnt, die strittigen Umsatzsteuerfestsetzungen zu ändern. Dem EuGH-Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 komme nicht nur wertaufhellende, sondern wertbeeinflussende Bedeutung zu.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des die Erbschaftsteuer auf 37 140 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

Die Revision ist begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um seine Entscheidungen zu rechtfertigen, S habe dem Kläger ihren Anteil am Unternehmen des V übertragen, um dadurch einen von V mündlich erklärten, auf ein Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers gerichteten letzten Willen zu erfüllen. Das Urteil des FG war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. a) Wird eine Verfügung des Erblassers von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie unwirksam ist, und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Beachtung des erblasserischen Willens, den Begünstigter und Belasteter anerkennen, so hat die Besteuerung nach dem Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs zu beachten (, BFHE 134, 181, BStBl II 1982, 28). Dieser auf § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 gestützten Rechtsprechung folgt auch der erkennende Senat (siehe zu § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - bereits , BFHE 91, 311, BStBl II 1970, 119). Danach setzt die erbschaftsteuerrechtliche Beachtung unwirksamer Verfügungen von Todes wegen zweierlei voraus: 1. Es muss eine - wenn auch den Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Testaments nicht genügende - Anordnung des Erblassers vorliegen, die dieser im Hinblick auf seinen Tod getroffen hat. 2. Die von den an dem Erbfall Beteiligten getroffene Regelung muss auf Grund der Anordnung des Erblassers ausgeführt worden sein. Nur in diesem Fall haben die Bereicherung des Begünstigten und die Verminderung der Bereicherung des Beschwerten ihre Wurzeln im erblasserischen Willen (BFH-Urteil in BFHE 134, 181, BStBl II 1982, 28). Ein formunwirksames Vermächtnis, wie es im Streitfall behauptet wird, kann danach der Besteuerung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn feststeht, dass der Beschwerte die Rechtshandlungen, die sich als Erfüllung dieses Vermächtnisses darstellen, mit dem Willen vorgenommen hat, dem Verlangen des Erblassers zu entsprechen. Erfolgten die Rechtshandlungen dagegen in Unkenntnis eines entsprechenden Erblasserwillens, so stellen sie sich nicht als Vollzug dieses Willens dar; die an der Vornahme der Rechtshandlung beteiligten Personen lassen dann nicht das wirtschaftliche Ergebnis des unwirksamen Rechtsgeschäfts eintreten, sondern treffen unabhängig davon Verfügungen, die sich nur nach ihren eigenen Vorstellungen richten.

b) Nicht möglich ist es, die für die Schlussfolgerung, dem Kläger sei das Unternehmen seines Vaters als Vorausvermächtnis zugewendet worden, erforderlichen tatsächlichen Feststellungen - wie das FG - dem notariell beurkundeten Vertrag vom zu entnehmen. Dort heißt es nämlich, dass der Nachlass bereits derart teilweise auseinander gesetzt sei, dass das Unternehmen auf den Kläger allein übergegangen sei. Dass dies nach der in dem Vertrag enthaltenen ergänzenden Bemerkung dem Willen des V entsprochen habe, das Unternehmen zum Gegenstand eines Vermächtnisses zugunsten des Klägers zu machen, ist angesichts des Hinweises auf eine bereits erfolgte Teilauseinandersetzung unbeachtlich. Entscheidend ist, ob diese vom Willen der S getragen war, eine - wenn auch formunwirksame - letztwillige Verfügung des V auszuführen. Dazu, unter welchen Vorzeichen und Umständen die bereits vor dem erfolgte Teilauseinandersetzung vorgenommen worden ist, fehlen jedoch jegliche Feststellungen. Diese hat das FG nachzuholen.

Darüber hinaus wird das FG zu ermitteln haben, ob V am Todestag tatsächlich eine Erklärung zur Erbregelung abgegeben hat, die als ernstlicher, von einem Testierfähigen geäußerter letzter Wille angesehen werden kann, der lediglich mangels Beachtung erbrechtlicher Formerfordernisse ungültig ist, im Übrigen aber allen Anforderungen genügt, die an eine letztwillige Verfügung zu stellen sind.

2. Sollte sich im zweiten Rechtsgang feststellen lassen, dass V den ernstlichen Willen hatte, das Unternehmen dem Kläger im Wege eines Vorausvermächtnisses zuzuwenden und S dem Kläger ihren Anteil an dem Unternehmen übertragen hat, um einem solchen Willen des V zu entsprechen, so sind folgende Gesichtspunkte zu beachten:

a) Das Vermächtnis wäre, wie das FG in der Vorentscheidung zutreffend angenommen hat, mit den für die Bewertung von Betriebsvermögen geltenden Werten (§ 12 Abs. 5 ErbStG) und nicht mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Dies entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach ein Vermächtnis mit dem Steuerwert zu bewerten ist, der für den Gegenstand gilt, auf dessen Übertragung sich die Verpflichtung richtet (vgl. Urteil vom II R 5/92, BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97).

Der Kläger hat den Wert des Betriebsvermögens auf den Bewertungsstichtag (§ 11, § 12 Abs. 5 ErbStG) nicht durch eine auf diesen Stichtag erstellte Bilanz ermittelt, sondern durch eine im Wege der Schätzung vorgenommene Ableitung aus der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 1993 erstellten Bilanz. Der Senat hält dies angesichts der klaren Verhältnisse im Streitfall aus Vereinfachungsgründen sowie wegen der Nähe des Todestages zum Zeitpunkt des Jahresabschlusses für zulässig (vgl. , BFH/NV 1990, 373).

Der Wertermittlung des Klägers könnte allerdings insoweit nicht gefolgt werden, als er das Kapital zum um die Privatentnahmen nach dem gemindert hat. Diese sind vielmehr, um den zutreffenden Wert des Betriebsvermögens zu ermitteln, dem Kapital hinzuzurechnen (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), wie der Kläger dies auch in der Erbschaftsteuererklärung getan hat.

b) Unabhängig davon, zu welchem Ergebnis das FG im zweiten Rechtsgang zu der Frage eines gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 der Besteuerung zugrunde zu legenden Vorausvermächtnisses kommt, sind - auch für den Fall, dass vollumfänglich gesetzliche Erbfolge anzunehmen ist - weder die streitigen Umsatzsteuererstattungsansprüche noch die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten aufgrund des erhöhten Betriebsgewinns und der erhöhten Wirteprovisionen anzusetzen.

aa) Die Umsatzsteuererstattungsanprüche, die sich als Folge der Rechtsauffassung des EuGH im Urteil in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 ergeben haben, gehören auch insoweit, als sie noch auf Veranlagungszeiträume bis zum Tod des V entfallen, nicht zum Betriebsvermögen seines auf den Kläger und S übergegangenen Unternehmens. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 ErbStG sind für den Bestand und die Bewertung von Betriebsvermögen mit Ausnahme der Bewertung der Betriebsgrundstücke die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer maßgebend. Die Vorschriften der §§ 95 bis 99, 103 und 104 sowie 109 Abs. 1, 2 und 4 Satz 2 und § 137 des Bewertungsgesetzes (BewG) sind entsprechend anzuwenden. Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i. S. des § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Diese Fassung des Gesetzes ist gemäß § 124 BewG n. F. erstmals zum anzuwenden. Durch die Verweisung auf § 95 Abs. 1 BewG n. F. in § 12 Abs. 5 Satz 2 ErbStG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Umfang des Betriebsvermögens auch für Zwecke der Besteuerung nach dem ErbStG ab diesem Zeitpunkt weitgehend danach richtet, was ertragsteuerrechtlich dem Betriebsvermögen zugerechnet wird (vgl. auch , BFH/NV 2000, 10).

Bei der steuerlichen Gewinnermittlung ist ein betrieblicher Steuererstattungsanspruch nicht anzusetzen, wenn die zuständige Finanzbehörde ihn bestreitet bzw. die Finanzverwaltung insgesamt eine der Entstehung eines Erstattungsanspruchs entgegenstehende Rechtsauffassung vertritt. Die Aktivierung von Vermögensgegenständen in der Handelsbilanz und damit der Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) richtet sich in erster Linie nicht nach rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Maßgebend ist deshalb nicht, ob eine Forderung oder ein Anspruch fällig oder ein Recht realisierbar ist, sondern ob der Vermögensvorteil wirtschaftlich ausnutzbar ist und einen durchsetzbaren gegenwärtigen Vermögenswert darstellt (vgl. , BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370). Letzteres ist bei einer bestrittenen Forderung nicht der Fall. Sie ist daher erst zu aktivieren, wenn sie rechtskräftig zuerkannt ist oder der Schuldner sein Bestreiten aufgibt und sie anerkennt (vgl. , BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213).

Diese aus dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs - HGB -) folgenden Grundsätze gelten nicht nur für einen zivilrechtlichen Anspruch, sondern auch für einen Steuererstattungsanspruch. Im Streitfall hatte die Finanzverwaltung durch das BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 538 für die Behörden bindend zum Ausdruck gebracht, dass nicht lediglich der Kasseninhalt, sondern die Summe der Spieleinsätze (abzüglich der Umsatzsteuer) die Bemessungsgrundlage für die Umsätze aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit sein sollte. Darin ist ein Bestreiten von Erstattungsansprüchen am Bewertungsstichtag, nämlich dem Todestag des V, zu sehen. Demgemäß hat das Betriebs-FA die Änderung der Steuerfestsetzungen noch nach Ergehen des EuGH-Urteils in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 abgelehnt und damit deutlich gemacht, dass es sich weiterhin nur an das bis dahin für die Finanzverwaltung verbindliche BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 538 gebunden fühlte. Bei einer derartigen Sachlage liegt kein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut vor. Zumindest wäre der Teilwert eines derartigen Wirtschaftsguts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) in Anbetracht der ungewissen Durchsetzbarkeit des Anspruchs mit null DM anzusetzen, weil ein Erwerber des ganzen Betriebs dem Steuerpflichtigen für ein solches Wirtschaftsgut nichts zahlen würde. Der BFH hat dementsprechend in einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt angenommen, dass ein Umsatzsteuererstattungsanspruch, der sich durch ein erst nach dem Bilanzstichtag ergangenes höchstrichterliches Urteil zu einem werthaltigen Wirtschaftsgut konkretisiert, in einer normalen Schlussbilanz auf diesen Stichtag nicht anzusetzen ist (Urteil vom I R 120/67, BFHE 97, 27, BStBl II 1969, 742). Auf den Wertansatz in einer solchen Bilanz kommt es auch hier an.

Im Streitfall kommt hinzu, dass V die Erstattungsansprüche bis zu seinem Tod nicht einmal - etwa durch Anträge auf geänderte Steuerfestsetzung - geltend gemacht hatte. Es lagen folglich im eigentlichen Sinne keine bestrittenen, sondern nicht bekannte Ansprüche vor, für die unter Vorsichtsgesichtspunkten noch weniger als bei bestrittenen Forderungen eine Pflicht zur Aktivierung bestehen kann.

Auch der Gedanke der Wertaufhellung rechtfertigt es nicht, die Erstattungsansprüche in die Wertermittlung auf den Todestag des V einzubeziehen. Durch ein rechtskräftiges Urteil bzw. ein Anerkenntnis nach einem Gewinnermittlungsstichtag werden keine besseren Erkenntnisse über das Bestehen eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts zu diesem Stichtag vermittelt, sondern erst die Voraussetzungen für ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut geschaffen (BFH-Urteil in BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213).

Der Streitfall unterscheidet sich damit von dem Sachverhalt, der dem (BFHE 187, 113, BStBl II 1999, 162) zugrunde lag. Dort ging es um einen Körperschaftsteuererstattungsanspruch, der auf einer erst nach dem Bewertungsstichtag beschlossenen Gewinnausschüttung beruhte. Dieser Anspruch war mit Rücksicht auf die besondere Vorschrift des § 278 HGB in die Vermögensaufstellung einzubeziehen. Für die Berücksichtigung strittiger Umsatzsteuererstattungsansprüche in einer auf den Todestag eines Erblassers aufzustellenden Bilanz gibt es keine vergleichbare Sonderbestimmung. Der Senat weicht auch nicht von seinem Urteil vom II R 52/94 (BFH/NV 1997, 550) ab. Diese zu § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965 ergangene Entscheidung bezieht sich auf den Ansatz von Kapitalforderungen zu Stichtagen vor dem und betraf im konkreten Fall eine Forderung im Privatvermögen. Die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung waren dabei unbeachtlich.

Die Frage, ob die Änderungen, die sich durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1992 bei der Bewertung von Betriebsvermögen zum Zwecke der Erbschaftsbesteuerung ergeben haben, im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsgemäß sind (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 95 BewG ab 1993 Anm. 3), stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Umsatzsteuererstattungsansprüche, die sich bei im Übrigen gleicher Sachlage nicht im Betriebsvermögen, sondern - z. B. bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - im Privatvermögen ergeben hätten, wären am Todestag eines Erblassers zwar nicht mit Rücksicht auf handels- oder ertragsteuerrechtliche Gewinnermittlungsgrundsätze nicht anzusetzen gewesen. Ihnen hätte jedoch vor der Aufhebung oder Änderung entgegenstehender Steuerfestsetzungen in gleicher Weise die Eigenschaft als Wirtschaftsgut gefehlt (vgl. , BFHE 184, 111, BStBl II 1997, 796, und vom II R 64/95, BFH/NV 1998,1455). Die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber V für die Jahre 1989 bis 1992 waren bis zum Todestag aber nicht geändert, so dass die Erstattungsansprüche auch dann nicht zu berücksichtigen wären, wenn es sich dabei um Ansprüche im Privatvermögen gehandelt hätte.

bb) Rückstellungen für Wirteprovisionen und Gewerbesteuer sind selbst dann nicht zu berücksichtigen, wenn ertragsteuerrechtlich bereits am Bewertungsstichtag die Voraussetzungen für eine Verbindlichkeitsrückstellung gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgelegen haben sollten (vgl. dazu Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 5 Rn. 376 f.). Schulden und sonstige Abzüge, die nach § 95 Abs. 1 BewG zum Betriebsvermögen gehören, werden auch nach der Änderung der §§ 95 ff. BewG durch das StÄndG 1992 grundsätzlich nur berücksichtigt, soweit sie mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i. S. des BewG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 103 Abs. 1 BewG). Voraussetzung für den Ansatz der Schulden, die mit einem bestimmten Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zusammenhängen, ist also, dass der Aktivposten, mit dem sie zusammenhängen, als Wirtschaftsgut erfasst werden kann. § 95 Abs. 1 BewG erfährt durch diese Regelung für die Passivseite eine Einschränkung. Auch das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) tritt insoweit hinter § 103 Abs. 1 BewG und das Stichtagsprinzip (§ 11 ErbStG) zurück (vgl. auch Glier in Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 103 Rdnr. 2).

Die Umsatzsteuerserstattungsansprüche hatten sich am noch nicht zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert. Sie standen auch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsnachforderungen der Wirte, bei denen V Automaten aufgestellt hatte, und den zusätzlichen Gewerbesteuerverbindlichkeiten. Diese Verbindlichkeiten beruhen unmittelbar und ursächlich auf der Gewinnerhöhung, die sich bei einem Ansatz der Umsatzsteuererstattungsansprüche ergibt (vgl. zu diesem Merkmal , BFHE 176, 39, BStBl II 1995, 400). Ein solcher Ansatz ist aber zum Bewertungsstichtag gerade nicht vorzunehmen.

Fundstelle(n):
BStBl 2000 II Seite 588
BB 2000 S. 1510 Nr. 30
BB 2001 S. 78 Nr. 2
BFH/NV 2000 S. 1165 Nr. 9
DB 2000 S. 1646 Nr. 33
DStR 2000 S. 1179 Nr. 28
DStRE 2000 S. 818 Nr. 15
FR 2000 S. 830 Nr. 15
INF 2000 S. 603 Nr. 19
CAAAA-88757