Online-Nachricht - Mittwoch, 08.06.2022

Europa | Politische Einigung über angemessene Mindestlöhne in der EU (Kommission)

Die Europäische Kommission begrüßt die am zwischen dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten erzielte politische Einigung über die im Oktober 2020 von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie über angemessene Mindestlöhne.

Hintergrund: Das Recht auf angemessene Mindestlöhne ist in Grundsatz 6 der europäischen Säule sozialer Rechte verankert, die im November 2017 vom Europäischen Parlament, dem Rat im Namen aller Mitgliedstaaten und der Kommission in Göteborg gemeinsam proklamiert wurde. Die Richtlinie über angemessene Mindestlöhne ist eine der wichtigsten Maßnahmen des Aktionsplans zur europäischen Säule sozialer Rechte zur weiteren Umsetzung der Grundsätze der Säule. Nach einer zweistufigen Konsultation der Sozialpartner gem. Art. 154 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hat die Kommission am eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne vorgeschlagen. Die EU-Richtlinie stützt sich auf Art. 153 Abs. 1 Buchst. b AEUV über die Arbeitsbedingungen.

Mit der Richtlinie wird ein Rahmen für die Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne geschaffen; gleichzeitig werden Tarifverhandlungen bei der Lohnfestsetzung gefördert und es wird der wirksame Zugang der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Mindestlohnschutz in der EU verbessert.

Angemessene Mindestlöhne sind wichtig für die soziale Gerechtigkeit, und sie unterstützen eine nachhaltige und inklusive wirtschaftliche Erholung. Bessere Arbeits- und Lebensbedingungen kommen sowohl den Unternehmen als auch der Gesellschaft und der Wirtschaft insgesamt zugute, da sie die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Besserer Mindestlohnschutz unter uneingeschränkter Achtung der nationalen Zuständigkeiten und Traditionen:

Mindestlohnschutz besteht in allen EU-Mitgliedstaaten, entweder durch gesetzliche Mindestlöhne und Tarifverträge oder ausschließlich durch Tarifverträge.

Angemessene Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind entscheidend für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen und den Aufbau gerechter und widerstandsfähiger Volkswirtschaften und Gesellschaften. Manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind jedoch von unzulänglicher Angemessenheit und/oder Lücken beim Mindestlohnschutz betroffen.

Mit der neuen Richtlinie wird dagegen vorgegangen, indem ein EU-Rahmen zur Verbesserung eines angemessenen Mindestlohnschutzes geschaffen wird. Die nationalen Traditionen und Zuständigkeiten sowie die Tarifautonomie der Sozialpartner werden dabei uneingeschränkt geachtet. Der Vorschlag legt weder ein gemeinsames Mindestlohnniveau fest noch verpflichtet er die Mitgliedstaaten zur EU-weiten Einführung gesetzlicher Mindestlöhne.

Die wichtigsten Elemente der Richtlinie sind:

  • Rahmen für die Festlegung und Aktualisierung gesetzlicher Mindestlöhne: Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen müssen einen soliden Governance-Rahmen für die Festlegung und Aktualisierung von Mindestlöhnen schaffen. Dieser Rahmen umfasst

    • klare Kriterien für die Festlegung von Mindestlöhnen (wie Kaufkraft und Lebenshaltungskosten, Lohnniveau, Lohnverteilung, Wachstumsrate der Löhne sowie nationale Produktivität)

    • die Verwendung von Richtwerten für die Bewertung der Angemessenheit gesetzlicher Mindestlöhne, wobei in der Richtlinie auf etwaige, zu verwendende Werte hingewiesen wird

    • regelmäßige und rechtzeitige Aktualisierungen der Mindestlöhne

    • die Einrichtung von Beratungsgremien, an denen sich die Sozialpartner beteiligen

    • die Beschränkung der Anwendung von Variationen und Abzügen von gesetzlichen Mindestlöhnen, damit sichergestellt ist, dass sie stets durch ein legitimes Ziel objektiv gerechtfertigt sind und

    • eine wirksame Beteiligung der Sozialpartner an der Festlegung und Aktualisierung des gesetzlichen Mindestlohns.

  • Förderung und Erleichterung von Tarifverhandlungen über Löhne: Mit der Richtlinie werden Tarifverhandlungen in allen Mitgliedstaaten unterstützt. Grund dafür ist, dass Länder mit hoher Tarifbindung tendenziell einen niedrigeren Anteil an Geringverdienenden, eine geringere Lohnungleichheit und höhere Löhne aufweisen. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten, in denen die tarifvertragliche Abdeckung weniger als 80 % beträgt, in der Richtlinie aufgefordert, einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen zu erstellen.

  • Bessere Überwachung und Durchsetzung des Mindestlohnschutzes: Die Mitgliedstaaten müssen Daten über die Abdeckung und Angemessenheit des Mindestlohns erheben und sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Zugang zu Streitbeilegungsverfahren und Anspruch auf Rechtsbehelfe haben. Die Einhaltung und wirksame Durchsetzung der Vorschriften sind von entscheidender Bedeutung, damit der Mindestlohnschutz den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich zugutekommt und ein wettbewerbsorientiertes Umfeld auf der Grundlage von Innovation, Produktivität und der Einhaltung sozialer Standards gefördert wird.

Nächste Schritte:

Die politische Einigung, die das Europäische Parlament und der Rat erzielt haben, muss nun von den Gesetzgebungsorganen noch förmlich gebilligt werden. Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, und die Mitgliedstaaten müssen anschließend die neuen Elemente der Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in ihr nationales Recht umsetzen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung v. 7.6.2022 (RD)

Fundstelle(n):
NWB SAAAI-63028