Online-Nachricht - Mittwoch, 18.05.2022

Umsatzsteuer | Vorsteuerberichtigungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (FG)

Eine Steuerberechnung ist eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter. Die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung sind nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen. Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO liegen bereits bei einem sonstigen Bezug zur Insolvenzmasse vor (; Revision anhängig, BFH-Az. V R 29/21).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Vorsteuerberichtigungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG im Rahmen der Masseverwaltung entstanden sind und damit die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld erhöht haben: Der Kläger wurde jeweils zum Insolvenzverwalter der X-GmbH, ihrer Holding- sowie ihrer Schwestergesellschaft G bestellt. In der Zeit vor Insolvenzeröffnung bezog die GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende Eingangsleistungen. Den Vorsteuerabzug nahm sie in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen vor Insolvenzeröffnung in Anspruch. Die entsprechenden Eingangsrechnungen waren jeweils an sie als Leistungsempfängerin adressiert. Sie wurden jedoch u.a. von der mittlerweile ebenfalls insolventen Holdinggesellschaft sowie ihrer Schwestergesellschaft G bezahlt.

Im Rahmen der Insolvenzverfahren dieser beiden Gesellschaften forderte der Kläger als deren Insolvenzverwalter die an die leistenden Unternehmer gezahlten Beträge im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO als sog. unentgeltliche Leistung zurück. Die leistenden Unternehmer zahlten die entsprechenden Beträge im Jahr 2015 an die Insolvenzmasse der jeweils ursprünglich die Zahlung veranlassten Holdinggesellschaft bzw. der G zurück. Mit der Rückzahlung lebte der Anspruch auf Zahlung des leistenden Unternehmers gegen die GmbH nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und konnte von ihm zur Insolvenztabelle der GmbH angemeldet werden.

Das beklagte Finanzamt erließ für das Jahr 2015 unter der vor Insolvenzeröffnung geltenden Umsatzsteuernummer der GmbH eine Steuerberechnung, welche als Grundlage für eine Anmeldung der Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle dienen sollte. Darin forderte es die an die GmbH gezahlte Vorsteuer aufgrund der Rückzahlungen der leistenden Unternehmer zurück. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte nicht. Einige Monate später teilte das beklagte Finanzamt dem Kläger die sofortige Aufhebung der Steuerberechnung mit. Gleichzeitig erließ es für das Streitjahr nach § 164 Abs. 2 AO unter der Massesteuernummer einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg:

  • Das beklagte Finanzamt durfte die zunächst ergangene Steuerberechnung aufheben und mangels entgegenstehender Bestandskraft den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid erlassen.

  • Eine Steuerberechnung stellt lediglich eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter dar. Überdies hat das beklagte Finanzamt den Vorsteuerabzug dem Grunde und der Höhe nach zutreffend im Streitjahr berichtigt.

  • Die Vorsteuerberichtigung hängt im Streitfall nicht von einer Vereinnahmung des zurückgezahlten Entgelts des Klägers als Insolvenzverwalter der GmbH ab.

  • Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG setzt eine derartige Vereinnahmung nicht voraus. Auch der Sinn und Zweck und der im Umsatzsteuerrecht geltende Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer sprechen gegen das Erfordernis einer Vereinnahmung des Leistungsempfängers, der den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat.

  • Die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG sind bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen. Zudem sind die Berichtigungsansprüche nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 UStG im Rahmen der Masseverwaltung entstanden und haben daher die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerjahresschuld 2015 erhöht.

  • Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO liegen bereits bei einem sonstigen Bezug zur Insolvenzmasse vor.

Hinweis:

Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. V R 29/21 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz veröffentlicht.

Quelle: FG Niedersachsen, Newsletter v. (il)

Fundstelle(n):
NWB YAAAI-61941