BAG Beschluss v. - 3 AZN 45/22

Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung - Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen

Gesetze: § 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG

Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 8 Ca 537/20 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 4 Sa 337/20 Urteil

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 72a, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor. Die Beschwerde wirft eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.

2I. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist. Von allgemeiner Bedeutung ist die Rechtsfrage, wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ( - Rn. 2; - 3 AZN 849/20 - Rn. 8 f.; - 9 AZN 252/19 - Rn. 11).

3II. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es liegt eine Rechtsfrage in diesem Sinne vor. Allerdings betrifft die von der Beklagten aufgeworfene Frage eine Auslegung der Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas (AVR Caritas). Als auf dem Dritten Weg entstandene Regelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen ( - Rn. 26). Solche haben trotz ihrer weiten Verbreitung keine normative Wirkung und sind grundsätzlich keine Rechtsnormen iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ( - Rn. 5; - 3 AZN 720/18 - Rn. 6; - 3 AZN 822/16 - Rn. 13). Das gilt jedoch dann nicht, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Bedeutung erlangen, die einer Rechtsnorm mit abstrakter Bedeutung für die Allgemeinheit gleichkommt. Denn dann erfordert der Zweck des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, den Zugang zum Revisionsgericht für Fragen zu gewährleisten, an deren Klärung ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit besteht, sie als Rechtnorm zu behandeln (noch offengelassen  - Rn. 5). Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die betroffenen Regelungen der AVR Caritas Rechtsnormen in diesem Sinne.

4III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 2 ArbGG abgesehen.

5IV. Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren fortgesetzt. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Revisionsbegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6 iVm. § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:030522.B.3AZN45.22.0

Fundstelle(n):
BB 2022 S. 1267 Nr. 22
UAAAI-61883