BGH Beschluss v. - 6 StR 469/21

Revision in Strafsachen: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Festsetzung der Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz und Erkennen auf die Mindestfreiheitsstrafe

Gesetze: § 354 Abs 1 StPO, § 354 Abs 1b S 1 StPO, § 460 StPO, § 462 StPO, § 38 Abs 2 StGB, § 40 Abs 2 S 3 StGB

Instanzenzug: LG Coburg Az: 3 KLs 112 Js 3439/20

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung, Nachstellung in Tateinheit mit Verleumdung und Sachbeschädigung sowie wegen Beleidigung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Strafkammer hat es in den Fällen B.I und B.IV der Urteilsgründe versäumt, die Tagessatzhöhe festzusetzen. Dieser Festsetzung bedarf es auch dann, wenn – wie hier – aus Geld- und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. mwN). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO (vgl. ) setzt der Senat die Tagessatzhöhe auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) fest.

32. Das Landgericht hat im Fall B.II der Urteilsgründe nicht erkennbar bedacht, dass Anlass zur Prüfung bestand, ob die Milderung des Regelstrafrahmens (§ 224 Abs. 1 StGB) gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu einem für die Angeklagte günstigeren Ergebnis führen würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 686/98, NStZ-RR 2000, 43; vom – 6 StR 232/21). Zwar hat das Landgericht – im Ausgangspunkt zutreffend – zur Begründung des minder schweren Falls (§ 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB) neben den allgemeinen Milderungsgründen den vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB herangezogen. Die Milderung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB eröffnet jedoch einen von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen, der mithin im Mindestmaß günstiger ist als der des minder schweren Falls nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB. Die Wahl dieses gemilderten Regelstrafrahmens hätte sich nicht ausschließbar auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt, weil das Landgericht die Freiheitsstrafe von sechs Monaten dem unteren Bereich des angewandten Strafrahmens entnommen hat.

4Um jegliche Benachteiligung der Angeklagten auszuschließen, erkennt der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf die Mindeststrafe von einem Monat Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 2 StGB).

53. Die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr hat keinen Bestand. Angesichts der verbleibenden Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie der Geldstrafen in Höhe von 60 und 45 Tagessätzen kann der Senat nicht ausschließen, dass sich die Reduzierung der Freiheitsstrafe auf einen Monat im Fall B.II auf die Höhe der Gesamtstrafe ausgewirkt hätte.

6Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO zu entscheiden. Es ist anerkannt, dass dieser Weg auch dann beschritten werden kann, wenn über eine Gesamtstrafe nur deshalb neu zu befinden ist, weil im Revisionsverfahren eine oder mehrere Einzelstrafen durch Einstellung (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 392/04; vom – 1 StR 390/13) oder Freispruch (vgl. ) weggefallen sind (vgl. Sander, NStZ 2016, 656, 663). Nichts Anderes kann für den hier zu entscheidenden Fall gelten. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 426/04; vom – 6 StR 409/21).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:130122B6STR469.21.0

Fundstelle(n):
DAAAI-61238