BGH Beschluss v. - 6 StR 48/22

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Nichtberücksichtigung einer Strafe wegen des Vollstreckungshindernisses der Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes

Gesetze: § 83h Abs 1 IRG, § 83h Abs 2 Nr 3 IRG, § 55 StGB, Art 14 EuAuslfÜbk

Instanzenzug: LG Bamberg Az: 3 KLs 1114 Js 14300/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls unter Einbeziehung von Geldstrafen aus zwei amtsgerichtlichen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

31. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Geldstrafen aus früheren Urteilen kann keinen Bestand haben.

4Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

„Die Strafkammer durfte mit den an sich gesamtstrafenfähigen, weil noch nicht vollstreckten Einzelgeldstrafen (UA S. 54) aus den vorbezeichneten Urteilen keine Gesamtfreiheitsstrafe bilden. Ihrer Einbeziehung steht der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 14 EurAuslÜbk, § 83h Abs. 1IRG) entgegen. Der Europäische Haftbefehl vom erfasste lediglich die im hiesigen Strafverfahren gegenständlichen Straftaten vom 24./ und . Nur zu deren Verfolgung ist der Angeklagte ausgeliefert worden (s. Ziffer I). Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der mit den rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Halle (Saale) vom und vom verhängten Geldstrafen ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht ersucht worden. Der Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet (Sachakte Bd. IX Bl. 1689). Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis mit der Folge, dass eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 218/14 - NStZ 2014, 590; und vom - 3 StR 40/15 Rn. 5).

Aus dem Umstand, dass es sich bei den nicht vollstreckbaren Strafen um Geldstrafen handelt, folgt nichts anderes. § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG bestimmt zwar, dass das Verbot des § 83h Abs. 1 IRG nicht gilt, wenn die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt. Die Regelung kann aber bei Einbeziehung einer Geldstrafe in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe nicht eingreifen, weil ungeachtet der teilweise verbleibenden Eigenständigkeit der in eine Gesamtstrafe eingestellten Einzelstrafe es insgesamt zur Vollstreckung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme kommen würde (vgl. , NStZ 2012, 100; Schomburg/Lagodny/Hackner, 6. Aufl., IRG, § 83h Rn. 8). Eine Einbeziehung der fraglichen Einzelgeldstrafen kommt daher erst dann in Betracht, wenn eine Bewilligung durch das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, etwa im Rahmen eines Nachtragsersuchens, oder ein Verzicht (§ 83h Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 IRG) auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes seitens der Angeklagten erklärt würde (vgl. , NStZ 2014, 590).

Damit verbleibt es bei der für die Tat vom 24./ ausgeurteilten Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Die Berücksichtigung eines Härteausgleichs wegen des Wegfalls der Gesamtstrafe ist nicht veranlasst. Sollten die Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Halle (Saale) zu einem späteren Zeitpunkt, namentlich nach einem Nachtragsersuchen an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland oder nach einem jederzeit möglichen Verzicht des Angeklagten auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes, vollstreckbar werden, wäre gemäß § 460 StPO aus diesen Strafen und aus der im hiesigen Verfahren festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe nachträglich eine Gesamtstrafe zu bilden. Andernfalls bliebe es dauerhaft bei der Nichtvollstreckbarkeit der Geldstrafen. In beiden Fällen läge aber gleichermaßen keine ausgleichspflichtige Härte zum Nachteil des Angeklagten vor (vgl. Rn. 11).“

5Dem tritt der Senat bei und ändert den Strafausspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich.

62. Gleichfalls in Einklang mit der Auffassung des Generalbundesanwalts ist in der Einziehungsentscheidung zum Ausdruck zu bringen, dass der Angeklagte nicht nur neben dem bereits verurteilten Mittäter, sondern auch neben den weiteren (unbekannten) Mittätern als Gesamtschuldner haftet (st. Rspr., vgl. etwa ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:240222B6STR48.22.0

Fundstelle(n):
PAAAI-61234