Online-Nachricht - Dienstag, 12.04.2022

Einkommensteuer | Keine Anwendung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG auf 100 %-ige GmbH-Beteiligung im Privatvermögen (FG)

Der Freibetrag und der ermäßigte Steuersatz nach §§ 16, 34 EStG gelten nicht für einen Veräußerungsgewinn aus einer im Privatvermögen gehaltenen 100%-igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft (; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig, BFH-Az. IX B 18/22).

Hintergrund: Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (2017) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war.

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs. Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 € übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 1 EStG). Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren; er ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 € übersteigt (§ 16 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG).

Sachverhalt: Der 1949 geborene Kläger veräußerte im Jahr 2017 seinen 100%-Anteil an einer GmbH und erklärte den Gewinn als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 16 EStG. Das beklagte Finanzamt qualifizierte die Einkünfte dagegen als solche aus § 17 EStG. Als Begründung führte es an, dass die Veräußerung einer Beteiligung nur dann nach § 16 EStG zu versteuern sei, wenn die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gehöre. Der Kläger habe die Anteile aber unstreitig im Privatvermögen gehalten.

Die zusammen veranlagten Kläger argumentierten dagegen, dass der Wortlaut der §§ 16 und 17 EStG nicht zwischen Betriebs- und Privatvermögen differenziere. Auch die von § 16 EStG erfassten Mitunternehmeranteile würden regelmäßig im Privatvermögen gehalten. § 17 EStG regele außerdem nur die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung und nicht die einer vollunternehmerischen Beteiligung. Die Anwendung des § 17 EStG führe letztlich zu einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Kläger gegenüber Veräußerern von Kommanditanteilen, die weitgehende Freistellungen und Tarifermäßigungen erhielten.

Das FG Düsseldorf wies die Klage ab:

  • Die Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen beurteilt sich nach § 17 EStG und nicht nach §§ 16, 34 EStG.

  • Soweit § 16 EStG eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als "Teilbetrieb" erfasst, setzt dies allein schon begrifflich einen darüber hinausgehenden weiteren (Teil)Betrieb voraus.

  • Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG und nach § 17 EStG stellt weder einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen das Übermaßverbot (Art. 14 GG) dar.

  • Die frühere Gleichbehandlung von Veräußerungsgewinnen nach § 16 EStG und solchen gemäß § 17 EStG ist schon durch Absenkung der Beteiligungsgrenze in § 17 EStG auf 1 % des Nennkapitals und dem Systemwechsel zum Teileinkünfteverfahren aufgehoben worden.

  • Die Besteuerungssysteme von (Mit)Unternehmern einerseits und Kapitalgesellschaften und deren Anteilseignern andererseits sind wesensverschiedene Sachverhalte, die einer sachgerechten Differenzierung zugänglich sind.

  • Auch werden die Kläger vorliegend mit der Besteuerung des Veräußerungsgewinns nicht übermäßig belastet. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist bei den konkreten Verhältnissen nicht erkennbar.

Hinweis:

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Kläger haben gegen das Urteil, in dem das Gericht keine Revision zugelassen hatte, eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die unter dem Az. IX B 18/22 beim BFH anhängig ist.

Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter März/April 2022; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
NWB GAAAI-59527