BSG Beschluss v. - B 12 KR 54/21 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: Az: S 19 KR 698/18 Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 16 KR 136/21 Urteil

Gründe

1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung auf Kapitalleistungen aus einer Direktversicherung.

2Der 1952 geborene Kläger ist seit bei der beklagten Krankenkasse als Rentner pflichtversichert. Aus einer von seinem Arbeitgeber für ihn abgeschlossenen Direktversicherung erhielt er im November 2017 eine Kapitalleistung von 49 109,93 Euro ausgezahlt. Die Beklagte erhob auf 1/120 dieser Leistung für die Dauer von 10 Jahren monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ab 2020 berücksichtigte sie bei der Berechnung monatliche Freibeträge von 159,25 Euro, ab 2021 von 164,50 Euro (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom , jährliche Änderungsbescheide).

3Klage und Berufung sind erfolglos geblieben ( Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom ). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die Beklagte die Beiträge rechtmäßig erhoben habe (§§ 223, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 229 Abs 1 Satz 1 und 3, § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V). Es verstoße nicht gegen Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz, dass die Beitragspflicht nach Abschluss der Direktversicherung auf regelmäßige Rentenzahlungen ersetzende einmalige Kapitalleistungen erstreckt worden sei. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG sei nicht deshalb verletzt, weil auch der Gewinnanteil der Beitragspflicht unterliege. Das gelte auch, wenn bei Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers die Versicherungsbeiträge aus dem Arbeitsentgelt gezahlt worden seien.

4Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

5II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

61. Der Kläger nennt § 160 Abs 1 Nr 2 SGG. Der dort geregelte Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Daran fehlt es. Weder legt der Kläger dar, welchen Rechtssatz das LSG aufgestellt haben soll noch bezeichnet er einen Rechtssatz des BSG oder des BVerfG, von dem ein solcher abweichen soll.

72. Sofern der Kläger sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht, ist die Beschwerde ebenso wenig zulässig. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

9Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage darf sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung von Normen des GG beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden ( - juris RdNr 5 mwN).

10Der Kläger beschränkt sich in seiner Beschwerdebegründung darauf, zwei Entscheidungen des BVerfG zu Direktversicherungen (<Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11; <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) wiederzugeben und geltend zu machen, das BVerfG habe sich bislang noch nicht mit der Berufsbezogenheit von Gewinnausschüttungen beschäftigt. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflicht auf Zahlungen aus Direktversicherungen fehlt (zuletzt - juris; - BSGE 130, 116 = SozR 4-2500 § 229 Nr 29; - juris; - SozR 4-2500 § 229 Nr 25; B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24 und - B 12 KR 12/18 R - BSGE 127, 249 = SozR 4-2500 § 229 Nr 26). Der Kläger bezieht diese Entscheidungen, in denen der Senat die Grundsätze der Beitragserhebung auf Auszahlungen aus Direktversicherungen noch einmal dargestellt und die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V bejaht hat, nicht in seine Überlegungen ein und untersucht sie auch nicht darauf, ob die von ihm aufgeworfene Frage anhand dieser Rechtsprechung beantwortet werden kann.

113. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

124. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.Heinz U. Waßer Padé

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:100222BB12KR5421B0

Fundstelle(n):
PAAAI-59294