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Online-Nachricht - Donnerstag, 07.04.2022

Einkommensteuer | Unterhaltsaufwendungen an in Deutschland geduldete Angehörige (BFH)

Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gemäß § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Angehörigen zu tragen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer - unter weiteren Voraussetzungen - dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2014 geltenden Fassung).

Sachverhalt: Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige. Die Schwester der Klägerin lebte zu Beginn des Streitjahres 2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in der Ukraine.

Im April 2014 unterzeichnete der Kläger eine Verpflichtungserklärung gemäß § 68 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen.

Daraufhin reisten die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und die Tochter im Streitjahr nach Deutschland ein. Die Kläger nahmen die Familie in C auf. Sie stellten ihr Wohnräume zur Verfügung und übernahmen die Aufwendungen für Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsanwalt (wegen Aufenthaltstitel) und Sprachkurse. Später im Streitjahr erhielten die aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus "Aussetzung der Abschiebung" (= Duldung) gemäß § 60a AufenthG.

Das FA erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 23.6.2020).

Die Richter des BFH dagegen erkannten die geltend gemachten agB nicht an:

  • Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem BGB unterhaltsverpflichtet ist. Dies sind nach § 1601 BGB Verwandte in gerader Linie i.S. des § 1589 Satz 1 BGB, wie z.B. Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der Seitenlinie.

  • Unstreitig ist, dass die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter keinem der beiden Kläger gegenüber im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt waren.

  • Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG. Die Verpflichtungserklärung begründet keinen gesetzlichen (zivilrechtlichen) Unterhaltsanspruch gegenüber den Klägern. Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist vielmehr als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde ausgestaltet (vgl. BT-Drucks 11/6321, S. 84).

  • Auch eine Berücksichtigung der Aufwendungen nach § 33 EStG kommt nicht in Betracht. Dies gilt auch bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung der Kläger, die Schwester der Klägerin sowie deren Ehemann und Tochter zu unterhalten. Denn für die Fallgruppe der - wie im Streitfall - typischen Unterhaltsaufwendungen (hier für Wohnung, Lebensmittel und Versicherungen) enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf § 33 EStG ausschließt (u.a. , BStBl II 2021, 572, Rz 22).

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Für das Streitjahr (2014) war den Klägern ausweislich der Besprechungsentscheidung "steuerlich nicht zu helfen". Allerdings hat das BMF aufgrund der aktuellen Ereignisse - wie sonst u.a. bei Naturkatastrophen üblich - eine Billigkeitsregelung betreffend steuerlicher Maßnahmen zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten zu folgenden Punkten erlassen ():

  • Spendennachweis,

  • Spendenaktionen von steuerbegünstigten Körperschaften,

  • Maßnahmen steuerbegünstigter Körperschaften zur Unterstützung der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten,

  • Vorübergehende Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine,

  • steuerliche Behandlung von Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen,

  • Arbeitslohnspenden,

  • Verzicht auf Aufsichtsratsvergütungen,

  • Zuordnung entgeltlicher Hilfeleistungen zu Zweckbetrieben i. S. des § 65 AO,

  • Umsatzsteuerbefreiung für die Überlassungen von Sachmitteln und Räumen sowie von Personal,

  • Unentgeltliche Bereitstellung von Gegenständen oder Personal,

  • Vorsteuerabzug bei Nutzungsänderung,

  • Unentgeltliche Überlassung von Wohnraum,

  • Steuerbefreiung nach§ 13 ErbStG auf etwaige Schenkungen.

Die Verwaltungsregelung soll der Anerkennung des gesamtgesellschaftlichen Engagements zugunsten der vom Krieg in der Ukraine Geschädigten dienen und gilt für Maßnahmen, die vom bis zum durchgeführt werden.

Zum Abzug von Unterhaltsaufwendungen an Unterstützungsbedürftige verhält sich die vorstehende Billigkeitsregelung allerdings nicht. Eine steuerliche Berücksichtigung derartiger Aufwendungen kommt daher weiterhin nur nach Maßgabe der in § 33a EStG und § 33 EStG geregelten Voraussetzungen in Betracht. Denn der vorgenannte Personenkreis unterfällt auch nicht dem im Streitfall angesprochenen (BStBl I 2015, 474) betreffend die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen gemäß § 33a EStG an Personen mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach § 23 AufenthG.

Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (Ukrainer/innen wie nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige) können jedoch nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG (Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz) erhalten. Danach wird einem Ausländer, dem auf Grund eines Beschlusses des Rates der Europäischen Union gemäß der Richtlinie 2001/55/EG (hier v. ) vorübergehender Schutz gewährt wird und der seine Bereitschaft erklärt hat, im Bundesgebiet aufgenommen zu werden, für die nach den Artikeln 4 und 6 der Richtlinie bemessene Dauer des vorübergehenden Schutzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Wird eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG erteilt, bestehen Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (u.a. auf Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts). Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit wird Vermögen, das sich in der Ukraine befindet, derzeit nicht berücksichtigt. Zudem ist es diesem Personenkreis erlaubt, in Deutschland eine Erwerbstätigkeit auszuüben (s. hierzu die Informationen für Geflüchtete aus der Ukraine unter www.bmas.de).

Werden anspruchsberechtigten Kriegsflüchtlingen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder andere zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen oder im Rahmen einer sozialrechtlichen Haushaltsgemeinschaft (§ 9 Abs. 5 SGB II) gekürzt, können Unterhaltsaufwendungen allerdings nach § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sein. Denn dann stellt § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG diese Person einer gesetzlich gegenüber dem Steuerpflichtigen unterhaltsberechtigten Person gleich.

Zu Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine betreffend Wohnungsbaugenossenschaften, siehe sowie betreffend die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG, siehe die ).

Quelle: , NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
GAAAI-59206