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Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
Auswirkungen der geänderten Auffassung der Finanzverwaltung mit Gestaltungsempfehlungen
Sowohl der EuGH als auch der BFH hatten bereits 2019 entschieden, dass Aufsichtsratsmitglieder entgegen bisheriger Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nicht als Unternehmer tätig sind, wenn sie aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein wirtschaftliches Risiko tragen. Die Finanzverwaltung hatte mit Schreiben vom [i]BMF, Schreiben v. 8.7.2021 - III C 2 - S 7104/19/10001 :003 NWB GAAAH-83989;BMF, Schreiben v. 29.3.2022 - III C 2 - S 7104/19/10001 :005 NWB AAAAI-58557 erstmals reagiert und den UStAE angepasst. Am hat das BMF nun nachgelegt und insbesondere eine Klarstellung zur Berechnung der 10 %-Grenze variabler Vergütungsbestandteile ergänzt. Da das BMF-Schreiben mit der Definition des wirtschaftlichen Risikos und der damit verbundenen Selbständigkeit eine generelle Beurteilungsgrundlage für die unternehmerische Tätigkeit bietet, wirkt die neue Auffassung der Finanzverwaltung auch über die Aufsichtsräte selbst hinaus. Der Beitrag fasst daher auch vergleichbare Berufsfelder ins Auge und stellt die Auswirkungen mit anschaulichen Beispielen dar.
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I. Entwicklung der Rechtsprechung
1. Bisherige Auffassung der Finanzverwaltung
[i]Bisher: Aufsichtsrat generell umsatzsteuerlicher UnternehmerDie bisherige Auffassung des BMF zur Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen sah ein Mitglied eines Aufsichtsrats grundsätzlich als umsatzsteuerlichen Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG an. Damit waren die im Aufsichtsrat erbrachten Leistungen als steuerbar und steuerpflichtig einzustufen, solange die sog. Kleinunternehmerregelung keine Anwendung fand. Einnahmen, die Steuerpflichtige aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied bezogen, unterlagen somit als sonstige Leistung der Umsatzsteuer. Unerheblich war, ob das Aufsichtsratsmitglied nach erfolgter Wahl, aufgrund eines S. 370Entsendungsrechts oder in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer dem Aufsichtsrat angehörte.
[i]EinnahmeerzielungsabsichtDiese Betrachtungsweise entstammt einer BFH-Entscheidung von 1972. Die Rechtsprechung orientierte sich bislang grundsätzlich an dem Prinzip der Einnahmeerzielungsabsicht sowie der Bedingung, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht dazu verpflichtet sei, den Weisungen des Unternehmens zu folgen.
Die Finanzverwaltung hatte sich uneingeschränkt dieser Perspektive angeschlossen und unterschied bislang nicht, wie die einzelnen Aufsichtsratstätigkeiten im Detail ausgestaltet waren. Somit wurden Aufsichtsräte generell als umsatzsteuerliche Unternehmer behandelt.
2. Wegweisende EuGH-Entscheidung vom
[i]EuGH, Urteil v. 13.6.2019 - C-420/18 NWB NAAAH-21234 Der EuGH hat mit seinem Urteil vom in der Rechtssache „IO“ (C-420/18) erstmalig die Art. 9 und 10 MwStSystRL dahingehend ausgelegt, dass ein Mitglied eines Aufsichtsrats, das weder im eigenen Namen noch für eigene Rechnung, sondern für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsratsorgans handelt, nicht in eigener Verantwortung handelt und somit keine selbständige Tätigkeit ausübt.
Der EuGH stellt dabei vor allem auf das vom Aufsichtsrat getragene wirtschaftliche Risiko ab, das sich in einer fixen oder variablen Vergütung ausdrückt.
Von einem Festgehalt spricht der EuGH, wenn die Vergütung nicht von der Teilnahme an Sitzungen oder den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängt, sondern völlig arbeitsunabhängig gezahlt wird. Zudem darf gemäß EuGH ein fahrlässiges Handeln des Aufsichtsrats im Rahmen seiner Tätigkeit keine unmittelbare Auswirkung auf die Vergütung haben.
[i]Wirtschaftliches Risiko als KriteriumDie Aufsichtsratstätigkeit wird nach dem EuGH somit nicht automatisch selbständig ausgeübt, nur weil das Aufsichtsratsmitglied aufgrund der Stellung wie ein unabhängiger überwachender Dienstleister wirkt oder aufgrund seines unentziehbaren Rechts an Aufsichtsratssitzungen und Abstimmungen im eigenen Interesse teilzunehmen berechtigt ist. Vielmehr erfolgt die Beurteilung der Selbständigkeit aus Sicht des EuGH nach dem getragenen, oben definierten wirtschaftlichen Risiko der Tätigkeit. Diese Ansicht wird dadurch untermauert, dass Aufsichtsratsmitglieder gem. § 109 AktG kraft ihres Amtes zur Teilnahme an Sitzungen verpflichtet werden.
[i]Arbeitsunabhängige VergütungNach dem ist ein Aufsichtsratsmitglied nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer zu behandeln, obwohl es weder dem Organ „Aufsichtsrat“ noch dem Vorstand hierarchisch untergeordnet ist und die Vergütungen zudem nicht vom Arbeits- und Zeiteinsatz des Aufsichtsratsmitglieds abhängen. S. 371
3. Bestätigung durch
[i]BFH, Urteil v. 27.11.2019 - V R 23/19 NWB XAAAH-41573 Mit Urteil vom folgte der BFH der Auffassung des EuGH und entschied damit abweichend von der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, dass ein Aufsichtsratsmitglied einer deutschen Aktiengesellschaft mangels Selbständigkeit nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Als erwartbare Konsequenz auf das EuGH-Urteil „IO“ urteilte nunmehr auch der BFH, dass eine Unternehmereigenschaft dann nicht vorliegt, wenn das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhält, die unabhängig von den geleisteten Arbeitsstunden und Teilnahmen an Sitzungen ist.
[i]Aufsichtsratstätigkeit bei Festvergütung nicht umsatzsteuerbarNunmehr werden also auch aus Sicht des BFH Aufsichtsratsmitglieder bei Erhalt einer Festvergütung nicht mehr als umsatzsteuerliche Unternehmer i. S. des § 2 UStG behandelt, wodurch die erbrachten Aufsichtsratstätigkeiten in Fällen von reinen Festvergütungen nicht mehr umsatzsteuerbar sein können. Der BFH vertritt die Auffassung, dass unabhängig von der Frequenz der Zahlungen (von monatlich bis nachträglich für mehrere Jahre) und der Zusammensetzung aus ggf. verschiedenen Positionen (einfaches Aufsichtsratsmitglied bis Aufsichtsratsvorsitzende mit Zugehörigkeit in weiteren Ausschüssen) grundsätzlich Fixvergütungen anzunehmen sind.
Offen geblieben ist hierbei bisher die Frage, wann die Ausübung einer Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied weiterhin als unternehmerische Tätigkeit anzusehen ist und an welcher Stelle ggf. eine Abgrenzung vorgenommen werden kann.
4. Reaktion der Finanzverwaltung mit und vom
4.1 Adaption der EuGH- und BFH-Rechtsprechung
[i]BMF, Schreiben v. 8.7.2021 - III C 2 - S 7104/19/10001 :003 NWB GAAAH-83989 und v. 29.3.2022 - III C 2 - S 7104/19/10001 :005 NWB AAAAI-58557 Nach zwei Jahren Divergenz zwischen EuGH-Rechtsprechung einerseits und der in Abschnitt 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE von der Finanzverwaltung dargelegten Sichtweise auf die Selbständigkeit der Aufsichtsratsmitglieder andererseits hat die Finanzverwaltung nun endlich mit das und gleichermaßen das genannte EuGH-Urteil umgesetzt. Zudem hat sie sich zumindest zu einigen offenen Fragen geäußert, wie z. B. zur Vergütung anderer Mitglieder von anderen Gremien, die der Kontrolle der Geschäftsführung einer juristischen Person oder Personenvereinigung dienen.