Einkommensteuer | Qualifikation und Höhe überobligatorischer Arbeitgeberbeiträge zu einer privatrechtlichen Schweizer Pensionskasse (FG)
Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer (umhüllenden) privatrechtlichen Schweizer Pensionskasse und Zusatzvorsorge sind steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Höhe der überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge kann bei einem in Prozent des versicherten Einkommens aller Arbeitnehmer bemessenen Kollektivbeitrag des Arbeitgebers mit dem auf den versicherten Lohn des Arbeitnehmers bezogenen Kollektivbeitragssatz geschätzt werden (; rechtskräftig).
Sachverhalt: Die verheirateten Kläger wohnen in Deutschland und arbeiten in der Schweiz. Als Grenzgänger wurden ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in den Streitjahren 2016 und 2017 im Inland besteuert. Als in der Schweiz beschäftigte Arbeitnehmer unterlagen die Kläger den Schweizer Regelungen über die soziale Rentenversicherung und die berufliche Vorsorge. Von ihren Arbeitslöhnen wurden Beiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung und Invalidenversicherung sowie zur beruflichen Vorsorge abgeführt (Säulen 1 und 2 des Schweizer Systems der Altersvorsorge).
Aufgrund seiner Tätigkeit für die Schweizer W-AG war der Kläger Mitglied der Pensionskasse (PK) und der Zusatzvorsorge (ZV) der W-AG. Die PK der W-AG ist eine privatrechtliche Stiftung. Die PK bezweckt, die Arbeitnehmer der W-AG im Rahmen ihres Reglements gegen die wirtschaftlichen Folgen des Erwerbsausfalls infolge von Alter, Tod und Invalidität zu schützen. Sie gewährleistet im Rahmen dieser Zweckbestimmung die gesetzliche Mindestversicherung (Säule 2a) und erbringt als umhüllende Vorsorgeeinrichtung eine über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehende überobligatorische Vorsorge (Säule 2b). Die PK wird durch Beiträge der Arbeitnehmer (Versicherten) und des Arbeitgebers finanziert. Die Höhe der Beiträge der Versicherten und des Arbeitgebers sowie der Altersgutschriften ist vom Alter der Versicherten abhängig und in den jeweils geltenden Vorsorgeplänen festgelegt. Die ZV der W-AG ist ebenfalls eine privatrechtliche Stiftung im Bereich der außerobligatorischen Vorsorge. Ihr Zweck und ihre Finanzierung entsprechen denen der PK.
Abweichend von den Angaben des Klägers ermittelte das beklagte Finanzamt (FA) die Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV nach Maßgabe der in den Informationsblättern „Versicherte mit Steuerdomizil außerhalb der Schweiz“ für die Streitjahre ausgewiesenen prozentualen kollektiven Arbeitgeberbeiträge, jeweils bezogen auf das versicherte Einkommen des Klägers. Von den so errechneten Gesamtbeiträgen des Arbeitgebers wurden die bescheinigten obligatorischen Arbeitgeberbeiträge abgezogen. Hiervon ausgehend wurden überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV ermittelt, die als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt wurden. Hiergegen erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage.
Der 3. Senat des FG Baden-Württemberg wies die Klage ab:
Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit sind um die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV zu erhöhen. Deren Höhe kann bei einem in Prozent des versicherten Einkommens aller Arbeitnehmer bemessenen Kollektivbeitrag des Arbeitgebers mit dem auf den versicherten Lohn des Klägers bezogenen Kollektivbeitragssatz geschätzt werden.
Die von der W-AG an die PK und die ZV entrichteten überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge sind als im Inland steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers zu qualifizieren. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, die der Arbeitgeber an einen Dritten (Versicherer) leistet, hängt davon ab, ob sich der Vorgang - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer diese zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat.
Erlangt der Arbeitnehmer einen eigenen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer, so fließt im Zeitpunkt der Beitragszahlung des Arbeitgebers Arbeitslohn zu. Der Lohnzufluss liegt dabei in den gegenwärtigen Beiträgen des Arbeitgebers, mit denen dieser den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers finanziert.
Unerheblich ist, ob und in welcher Höhe der Arbeitnehmer später Versicherungsleistungen erlangt. Die Beitragspflicht der W-AG knüpft an die Mitgliedschaft des Klägers in der PK und der ZV an. Letztere ist von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängig. Der Arbeitslohn ist im Zeitpunkt der Beitragszahlung zugeflossen. Denn der Kläger hat gegen die PK und die ZV eigene unmittelbare und unentziehbare Ansprüche.
Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen liegen vor. Eine Bescheinigung der W-AG über die Höhe der für den Kläger entrichteten Arbeitgeberbeiträge zur PK liegt nur für den Kapitalsparplan und den Kapitalsparplan Bonus, nicht aber für die PK und die ZV vor. Nach den Angaben der W-AG in dem Beitragsnachweis für Grenzgänger erbringt diese zur Finanzierung der Leistungen der PK und der ZV einen Kollektivbeitrag, der nicht auf die Versicherten aufgeteilt ist und auch nicht auf diese aufgeteilt werden kann.
Die Schätzung des FA ist auch in ihrer Höhe sachgerecht. Das FA hat bei der Schätzung die in den Informationsblättern der PK für die Streitjahre, die integrierender Bestandteil des Beitragsnachweises für Grenzgänger sind, mitgeteilten, in den für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Vorsorgeplänen der PK und der ZV festgelegten Prozentsätze zur Bemessung der auf die versicherten Einkommen der Gesamtheit der Arbeitnehmer der Altersgruppe 20 bis 65 von PK und ZV zu leistenden Kollektivarbeitgeberbeiträge auf das jeweils versicherte Einkommen des Klägers angewandt. Dem liegt die zutreffende Überlegung zugrunde, dass in dem Umfang, in dem das versicherte Einkommen des Klägers in die Bemessungsgrundlage der von der W-AG nach den Vorsorgeplänen zu entrichtenden pauschalen Kollektivbeiträge eingeht, die W-AG zur Leistung von Beiträgen verpflichtet ist, mit denen der Versicherungsschutz des Klägers finanziert wird.
Demgegenüber führt der Ansatz der Kläger, die individuellen Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV auf die Höhe der durch die W-AG finanzierten Altersgutschriften bei PK und ZV zu beschränken, nicht zu in Höhe des im Zeitpunkt des Austritts vorhandenen Altersguthabens erwirbt. Vielmehr sind neben den Altersgutschriften auch die zur Finanzierung der Vorsorgefälle Invalidität und Tod geleisteten Arbeitgeberbeiträge (sog. Risikobeiträge) zu berücksichtigen. Auch insoweit hat der Kläger eigene unmittelbare und unentziehbare Ansprüche gegen die PK und die ZV. Die Absicherung dieser Risiken erfolgt nicht im Wege eines individuellen Kapitaldeckungsverfahrens, sondern im Umlageverfahren.
Der Hinweis der Kläger, dass die nach Schweizer Recht zulässige und in den Vorsorgeplänen von PK und ZV festgelegte Erhöhung der Altersgutschriften mit steigendem Alter bei gleichbleibenden (bzw. nicht in entsprechender Weise altersmäßig gestaffelten) Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur Folge hat, dass der Kollektivbeitrag des Arbeitgebers überproportional in die Altersgutschriften von über 45 Jahre alten Arbeitnehmern eingeht, trifft im Grundsatz zu. Dieser Befund allein bietet dem Senat jedoch aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen keine ausreichende Grundlage, um im Streitfall zu einem folgerichtig begründeten, den Umständen des Streitfalles besser Rechnung tragenden Schätzungsergebnis zu gelangen.
In tatsächlicher Hinsicht fehlen konkrete Angaben der W-AG bzw. der PK und ZV zu dem Umfang dieser „Umschichtung“, die eine tragfähige Grundlage für eine altersmäßig gestaffelte Schätzung der Arbeitgeberbeiträge bilden können. Erforderlich sind insoweit zumindest Angaben zur Höhe der vom Arbeitgeber zur Finanzierung der Risiken Tod und Invalidität übernommenen Beiträge.
In rechtlicher Hinsicht ist es zwingend erforderlich, diesen Umstand im Rahmen einer sachgerechten Schätzung der Höhe der Arbeitgeberbeiträge zu berücksichtigen. Denn es ist, da der Lohnzufluss in den gegenwärtigen Beiträgen liegt, bereits ausreichend, dass der aktive Arbeitnehmer durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungssystem Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung erhält.
Auch ist unschädlich, dass zwischen der nominalen Höhe der Umlage und dem versicherungsmathematisch errechneten Barwert der Versorgungsanwartschaft keine Deckungsgleichheit besteht. Bei PK und ZV ist die Erhöhung der Altersgutschriften mit steigendem Alter wesentlicher Bestandteil des kollektiven Finanzierungssystems, an dem der Kläger als Mitglied von PK und der ZV teilnimmt. So hat auch der Kläger als Mitglied von PK und ZV Anwartschaften auf die in den Vorsorgeplänen festgelegten höheren Altersgutschriften ab dem Alter von 45.
Bei fortbestehender Mitgliedschaft in PK und ZV wird der Kläger ab Alter 45 von den überproportionalen Altersgutschriften begünstigt werden, denen dann keine entsprechend höheren, als Arbeitslohn zu qualifizierenden Arbeitgeberbeiträge gegenüberstehen. Das vom Alter abhängige Auseinanderfallen von Arbeitgeberbeiträgen und Rentenansprüchen liegt im Zeitpunkt des Altersrücktritts nicht (mehr) vor. Zudem hängt der Zufluss von Arbeitslohn bei Arbeitgeberbeiträgen zur Zukunftssicherung nicht davon ab, ob und in welcher Höhe später Versicherungsleistungen erlangt werden.
Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH zu privatrechtlichen Schweizer Pensionskassen, die - wie die PK - als sog. umhüllende Pensionskassen neben der gesetzlichen Mindestversicherung auch eine darüberhinausgehende überobligatorische Vorsorge erbringen, nur die obligatorischen Arbeitgeberbeiträge § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei sind. Die Höhe der obligatorischen Arbeitgeberbeiträge ist entsprechend den vorgelegten Bescheinigungen der PK für die Streitjahre angesetzt worden.
Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH zu privatrechtlichen Schweizer Pensionskassen sind die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV steuerpflichtiger Arbeitslohn. Auch dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 oder Nr. 63 EStG liegen nicht vor.
Die besonderen Auszahlungsmöglichkeiten der PK und ZV sind so gewichtig, dass sie eine Vergleichbarkeit der überobligatorischen Vorsorge mit der inländischen betrieblichen Altersvorsorge ausschließen. Die überobligatorischen Arbeitgeberbeiträge zur PK und ZV können zwar grundsätzlich gem. § 3 Nr. 62 Satz 4 i.V.m. Sätzen 2 und 3 EStG steuerfrei sein. Aufgrund des Höchstbetrags gem. § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG und der Anrechnung der gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberbeiträge zur Alters- und Invalidenversicherung und zum Obligatorium der PK gem. § 3 Nr. 62 Satz 4 Halbsatz 2 EStG sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG jedoch nicht gegeben.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2022 (il)
Fundstelle(n):
DAAAI-58984