BAG Urteil v. - 9 AZR 230/21

Gewährung von Urlaub im Zusammenhang mit Altersfreizeit

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 1 BUrlG, § 7 Abs 2 BUrlG, § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 13 Ca 317/19 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 17 Sa 957/20 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob ein im Altersfreizeitplan festgelegter Altersfreizeittag entfällt, wenn dieser in einem Urlaubszeitraum liegt.

2Der am geborene Kläger ist seit August 1997 bei der Beklagten als Angestellter in Normalschicht tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Beschäftigten der Chemischen Industrie Anwendung. Im Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie vom idF vom (MTV) heißt es auszugsweise:

3Der Gesamtbetriebsrat der C AG schloss ua. mit der Beklagten eine Betriebsvereinbarung vom (BV AFZ), die ua. regelt:

4Für den Kläger wurde in Absprache mit der zuständigen Führungskraft festgelegt, dass die Altersfreizeittage auf der Grundlage eines zu Jahresbeginn festgelegten Altersfreizeitplans alle drei Wochen jeweils Mittwoch gewährt werden. Auf diese Weise wurden für den Kläger im Jahr 2019 insgesamt 16 Altersfreizeittage bestimmt. Einer dieser Tage fiel auf den .

5Der Kläger beantragte für den Zeitraum vom 20. Mai bis zum Erholungsurlaub. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass er am keinen Erholungsurlaub nehmen wolle, weil dieser Tag bereits wegen eines zusammengefassten Altersfreizeittags gemäß § 2a Nr. 2 Satz 3 MTV für ihn arbeitsfrei sei. Mit E-Mail vom antwortete die Beklagte dem Kläger, dass die Altersfreizeit am nicht gewährt werden könne, weil der Altersfreizeittag nicht vom Erholungsurlaub umschlossen sein dürfe, und belastete nach entsprechender Ankündigung das Urlaubskonto des Klägers mit einem Urlaubstag.

6Der Kläger hat mit der der Beklagten am zugestellten Klage die Gutschrift dieses Urlaubstags auf seinem Urlaubskonto verlangt. Aufgrund der Festlegung als Altersfreizeittag im Altersfreizeitplan sei er an diesem Tag bereits von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen, so dass eine weitere Freistellung aufgrund von Erholungsurlaub nicht möglich gewesen sei. § 2a Nr. 6 MTV führe nur zum Entfall der Altersfreizeit, wenn der Arbeitnehmer ua. wegen Urlaubs nicht arbeite. Dies treffe auf den nicht zu, da er für diesen Tag ausdrücklich keinen Urlaub beansprucht habe.

7Der Kläger hat beantragt,

8Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass Altersfreizeittage im Falle einer Kollision mit Urlaub gemäß § 2a Nr. 6 MTV entfielen. Die Vorschrift räume Urlaub den Vorrang gegenüber Altersfreizeit ein. Urlaub, der nach § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG, § 12 I Nr. 9 MTV zusammenhängend zu gewähren sei, dürfe auch nicht durch die Inanspruchnahme von Altersfreizeit unterbrochen werden. Zudem würden durch eine solche Unterbrechung Arbeitnehmer, deren wöchentliche zweieinhalbstündige Altersfreizeit an Urlaubstagen gemäß § 2a Nr. 6 MTV entfiele, ohne Sachgrund ungleich behandelt.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

10Die Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen.

11I. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt in Form der Leistungsklage die Gutschrift eines Urlaubstags auf dem bei der Beklagten für ihn geführten Urlaubskonto. Der Arbeitnehmer hat Anspruch darauf, dass sein Urlaubskonto richtig geführt wird. Das Klageziel richtet sich darauf, dem Urlaubskonto einen weiteren Tag gutzuschreiben und damit letztlich einen Urlaubstag nachzugewähren (vgl.  - Rn. 9, BAGE 138, 58).

12II. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gemäß § 12 I Nr. 1 MTV für das Jahr 2019 ein weiterer Urlaubstag zu, der seinem Urlaubskonto gutzuschreiben ist.

131. Für das Kalenderjahr 2019 belief sich der tarifvertragliche Urlaubsanspruch des Klägers gem. § 12 II Nr. 1 und Nr. 4 MTV auf 30 Arbeitstage. Entgegen der Auffassung der Beklagten wirkten sich die zu ganzen Arbeitstagen zusammengefassten Altersfreizeiten nicht anspruchsmindernd auf den bezahlten Erholungsurlaub des Klägers aus.

14a) Dem tarifvertraglichen Anspruch auf „30 Urlaubstage“ liegt eine regelmäßig an fünf Tagen der Kalenderwoche bestehende Arbeitspflicht zugrunde. Unter dieser Voraussetzung wird der Urlaubsanspruch in der in § 12 II Nr. 1 MTV bezifferten Höhe gewährleistet. Ist die „Arbeitszeit“ nicht auf regelmäßig fünf Tage in der Kalenderwoche, sondern auf weniger oder mehr Wochentage verteilt, ist gemäß § 12 II Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 MTV ein zeitlich gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten. Der Urlaub dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitlich gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfasst, wie bei der Urlaubsberechnung nach § 12 II Nr. 4 Abs. 2 MTV; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen (§ 12 II Nr. 4 Abs. 3 Satz 1 MTV). Insoweit entspricht die Berechnung des tarifvertraglichen Urlaubsanspruchs der in § 3 BUrlG angelegten Berechnungsmethode zur Ermittlung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs (vgl. dazu  - Rn. 27 ff., BAGE 166, 176).

15b) Für die Berechnung der Urlaubsdauer stellt der MTV nicht auf die tatsächlich, sondern auf die regelmäßig zu leistende Arbeitszeit ab. Nach § 12 II Nr. 4 Abs. 2 MTV zählen für Arbeitnehmer, die regelmäßig in einer Fünftagewoche mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeitsfreiem Samstag, beschäftigt sind, als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit zu arbeiten hätte. Maßgeblich ist danach nicht, ob der Arbeitnehmer im Kalenderjahr tatsächlich durchgehend an fünf Tagen in der Woche zur Arbeit verpflichtet war. Die Tarifnorm stellt - ebenso wie § 3 BUrlG - auf die vertraglich grundsätzlich für das gesamte Urlaubsjahr vorgesehene Verteilung der Arbeitszeit ab.

16c) Die zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeiten ändern nichts daran, dass der Kläger regelmäßig an fünf Tagen in der Woche zu Arbeit verpflichtet ist. Die dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienenden bezahlten Arbeitsausfälle haben keinen prägenden Einfluss auf die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche - regelmäßige - Verteilung der Arbeitszeit. Der arbeitsvertragliche Arbeitsrhythmus wird dadurch ebenso wenig berührt wie eine ähnlichen Zwecken dienende bezahlte Freistellung aufgrund von Urlaub. Der MTV bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass eine tageweise Arbeitsbefreiung aufgrund von Altersfreizeit den Tarifurlaub schmälern soll.

172. Die Beklagte hat dem Kläger für den nicht wirksam Urlaub erteilt und somit zu Unrecht einen Urlaubstag dem Urlaubskonto des Klägers entnommen.

18a) Nach § 7 Abs. 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Allerdings ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung für dessen Recht, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Die ohne einen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert ( - Rn. 14 mwN).

19b) Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs allerdings nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht (st. Rspr., zB  - Rn. 17; - 9 AZR 575/19 - Rn. 11, BAGE 156, 65 mwN). Für das Vorliegen der für die Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub erforderlichen Arbeitspflicht ist allein die objektive Rechtslage maßgeblich ( - aaO; - 9 AZR 321/16 - Rn. 55; - 9 AZR 615/17 - Rn. 20 ff., BAGE 163, 72).

20c) Danach konnte dem Kläger für den bereits deshalb nicht wirksam Urlaub gewährt werden, weil er schon aufgrund des für diesen Tag fest eingeplanten Altersfreizeittags von seiner Arbeitspflicht entbunden war. Dem Kläger stand gemäß § 2a Nr. 1 und Nr. 2 Abs. 2 iVm. der BV AFZ ein Anspruch auf Gewährung der zu ganzen freien Tagen zusammengefassten Altersfreizeit zu.

21aa) Nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 MTV haben - in Vollzeit beschäftigte (vgl. zu Teilzeitbeschäftigten  -) - Arbeitnehmer, deren wöchentliche Arbeitszeit nach § 2 I Nr. 1 MTV 37,5 Stunden beträgt, Anspruch auf eine zweieinhalbstündige Altersfreizeit je Woche, wenn sie das 57. Lebensjahr vollendet haben. § 2a Nr. 1 MTV begründet nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern als finanziellen Aspekt des Anspruchs auf Altersfreizeit auch einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts gemäß § 2a Nr. 5 MTV. Der Tarifvertrag verlangt, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeitspflicht „bezahlt“ sein muss. Die Gewährung bezahlter Altersfreizeit nach § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 5 MTV dient der Entlastung älterer Arbeitnehmer durch eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit ( - Rn. 35). Diesem Zweck folgend ist die Altersfreizeit nach § 2a Nr. 2 MTV wöchentlich zu gewähren und eine Nachgewährung nach § 2a Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 MTV ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer von ihr keinen Gebrauch macht.

22bb) Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Abs. 6 BetrVG vereinbart werden. Vorrangig sollen Altersfreizeiten am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag gewährt werden (§ 2a Nr. 2 Abs. 1 MTV), wobei die Altersfreizeiten gemäß § 2a Nr. 2 Abs. 3 MTV auf den Mittwochnachmittag fallen, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen. Nach § 2a Nr. 2 Abs. 2 MTV können Altersfreizeiten - wie vorliegend - aufgrund einer Vereinbarung der Betriebsparteien zu freien Tagen zusammengefasst werden, sofern dies aus Gründen des Arbeitsablaufs erforderlich ist. Nach § 2a Nr. 6 MTV entfällt die Altersfreizeit, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit, nicht arbeitet.

23cc) Der in Vollzeit beschäftigte Kläger hatte das 57. Lebensjahr vollendet und erfüllte damit die in § 2a Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 MTV geregelten Anspruchsvoraussetzungen. Durch die BV AFZ wurde von der in § 2a Nr. 2 Abs. 2 MTV eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die wöchentlichen Altersfreizeiten zu freien Tagen zusammenzufassen. Als „anspruchsberechtigter Normalschichtler“ war dem Kläger alle drei Wochen eine Altersfreizeit an einem vorher festgelegten Wochentag zu gewähren. Auf dieser Grundlage wurde für ihn bereits zu Jahresbeginn der als zusammengefasster Altersfreizeittag festgelegt.

24d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bewirkt die Regelung in § 2a Nr. 6 MTV nicht, dass ein vor Urlaubserteilung festgelegter Tag zusammengefasster Altersfreizeiten entfällt, wenn er von Tagen mit Erholungsurlaub umschlossen ist. Die Auslegung der Tarifnorm ergibt, dass eine Verbindung von Urlaub und Altersfreizeit zulässig ist (zu den Grundsätzen der Tarifauslegung vgl.  - Rn. 24 mwN).

25aa) Dieses Verständnis entspricht bereits dem Wortlaut des § 2a Nr. 6 MTV. Die Vorschrift regelt das Zusammentreffen von Altersfreizeit mit anderen Tatbeständen, aufgrund deren der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht befreit ist. Der Anspruch auf Altersfreizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer an diesem Tag aus anderen Gründen nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet ist. Kommt es zu einer Kollision mit einem anderweitigen Freistellungstatbestand, soll die Altersfreizeit dahinter zurücktreten. Für das Zusammentreffen von Altersfreizeit und Urlaub bedeutet dies, dass eine Altersfreizeit, die auf den „gleichen Tag“ fällt, für den bereits Urlaub bewilligt ist, nicht zum Tragen kommt. § 2a Nr. 6 MTV ordnet in diesem Zusammenhang jedoch nicht an, dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, an ohnehin schon freien Tagen, die auf einer Zusammenfassung wöchentlicher Altersfreizeiten beruhen, zusätzlich Urlaub zu nehmen. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer - für den Altersfreizeittag - Urlaub beantragt und bewilligt erhalten hat.

26bb) Diese Auslegung wird durch die Tarifsystematik bestätigt.

27(1) Anders als in § 2a Nr. 6 MTV haben die Tarifvertragsparteien in § 2 V. Abs. 8 MTV ausdrücklich angeordnet, dass der Ausgleich von Zeitguthaben, die im Rahmen von Gleitzeit erworben werden, nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Urlaub erfolgen darf. Hätten die Tarifvertragsparteien auch für die durch Zusammenfassung von Altersfreizeit zu gewährenden freien Tage eine solche Anordnung treffen wollen, hätte es nahegelegen, dass sie in § 2a MTV eine dem § 2 V Abs. 8 MTV entsprechende Regelung aufgenommen hätten.

28(2) Der Ausklammerung von Altersfreizeittagen aus einem Urlaubszeitraum steht auch nicht der in § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG, § 12 I Nr. 9 MTV formulierte Grundsatz entgegen, dass Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren ist. Dass in dem vom Arbeitnehmer gewählten Urlaubszeitraum einzelne Tage liegen, an denen er aus anderen Gründen von der Arbeitsleistung freigestellt ist (zB Freischichten, Feier- und Sonntagen), beeinträchtigt nicht das gesundheitspolitische Ziel des Bundesurlaubsgesetzes, Arbeitnehmer zum Zwecke der Erholung und Entspannung eine zusammenhängende Freizeit zu ermöglichen.

29cc) Die Kumulation von Urlaubs- und Altersfreizeittagen entspricht vielmehr dem Sinn und Zweck der Altersfreizeit, ältere Arbeitnehmer zu entlasten.

30dd) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebietet schließlich der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die zu ganzen freien Tagen zusammengefassten wöchentlichen Altersfreizeiten im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaub erlöschen müssen, weil anderenfalls Arbeitnehmer, deren wöchentliche Altersfreizeit bei der Inanspruchnahme von Urlaub entfällt, sachgrundlos benachteiligt würden.

31(1) Der allgemeine Gleichheitssatz, der es gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (, 2 BvL 3/11 - Rn. 35 mwN zur st. Rspr.;  - Rn. 15, BAGE 150, 246), bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Tarifregelungen ist die Durchsetzung zu verweigern, wenn sie zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen (vgl. hierzu  - Rn. 47 mwN).

32(2) Verstieße § 2a Nr. 6 MTV in der vorliegenden Fallgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, führte dies jedenfalls nicht zu einem Entfall der zu einem ganzen Tag zusammengefassten Altersfreizeit, sondern allenfalls zur (Teil-)Unwirksamkeit der Ausnahmeregelung des § 2a Nr. 6 MTV. Die vom Landesarbeitsgericht unterstellte „Anpassung nach unten“ träte dadurch nicht ein (vgl.  - Rn. 88).

33e) Der dem Urlaubskonto des Klägers zu Unrecht entnommene Urlaubstag aus dem Jahr 2019 ist nicht mit Ablauf des verfallen. Nach § 12 I Nr. 11 MTV erlischt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres geltend gemacht worden ist. Der Kläger hat die Gutschrift des Urlaubstags auf sein Urlaubskonto mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage rechtzeitig geltend gemacht. Unerheblich ist dabei, dass er die Gewährung von Urlaub nicht für einen fest umrissenen Zeitraum verlangt hat. Denn die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag vom unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen und den streitgegenständlichen Urlaubstag nicht gewähren zu wollen (vgl.  - Rn. 51). Aus diesem Grund bedarf es auch nicht der Feststellung, ob der streitgegenständliche Urlaubstag den durch §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen oder den diesen übersteigenden tariflichen Mehrurlaub betrifft und ob die Beklagte den Mitwirkungsobliegenheiten genügt hat, an die das BUrlG den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs knüpft (vgl. im Einzelnen  - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376).

34III. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:250122.U.9AZR230.21.0

Fundstelle(n):
BB 2022 S. 1139 Nr. 20
BB 2022 S. 2938 Nr. 50
BB 2022 S. 2941 Nr. 50
NJW 2022 S. 9 Nr. 18
TAAAI-58944