Zum Verhältnis von Planfeststellungsbeschluss und Bebauungsplan; zum Verhältnis von Fachplanung und Bauleitplanung
Gesetze: § 38 S 1 BauGB, § 1 Abs 7 BauGB
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Az: 2 C 510/09 Urteil
Gründe
1Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
21. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das angefochtene Urteil weicht nicht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab.
3a) Im BVerwG 4 C 48.86 - (BVerwGE 81, 111 <117>) hat der Senat den Rechtssatz formuliert, dass einander widersprechende planerische Aussagen verschiedener Planungsträger in Bezug auf ein und dieselbe Fläche rechtlich ebenso wenig zulässig sind wie Festsetzungen, deren Gültigkeit unter einem Vorbehalt steht. Einen Rechtssatz, der dazu in Widerspruch steht, hat das Oberverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Es hat das Vorliegen einer Planung, die der Bauleitplanung der Antragsgegnerin widerspricht, verneint, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren zur Zulassung des Rahmenbetriebsplans "Großgarten/Kappesheck" noch nicht abgeschlossen war (UA S. 28 f.).
4b) Im BVerwG 9 B 57.01 - (NVwZ-RR 2002, 178) findet sich der Rechtssatz, dass eine kommunale Bauleitplanung auf hinreichend konkretisierte und verfestigte Planungsabsichten der konkurrierenden Fachplanung Rücksicht nehmen muss, auch wenn diese noch nicht rechtsverbindlich sind. Auch diesem Rechtssatz hat sich das Oberverwaltungsgericht nicht widersetzt, sondern ist ihm im Gegenteil ausdrücklich gefolgt (UA S. 53 f.).
52. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
6a) Die Antragstellerin möchte grundsätzlich geklärt wissen, ob
- § 38 BauGB auch im Rahmen eines Planfeststellungsbeschlusses über einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan Anwendung findet, wenn dieser noch nicht erlassen ist, das Planungsziel sich jedoch in dieser Fachplanung so weit konkretisiert hat, dass mit der Zulassung zu rechnen ist,
- ein bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, der eine gebundene Entscheidung ohne planerischen Gestaltungsspielraum darstellt, in den Anwendungsbereich des § 38 BauGB fällt.
7Die erste Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision bereits deshalb nicht, weil sie auf einen anderen Sachverhalt gemünzt ist, als ihn das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat. Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts war zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu erwarten, sondern noch offen, ob und in welchem Umfang der Rahmenbetriebsplan der Antragstellerin im Planfeststellungsverfahren festgestellt würde (UA S. 29).
8Die zweite Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Sie kann im Sinne der Antragstellerin beantwortet werden, ohne dass die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts korrigiert werden müsste. Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu bekräftigen, dass ein wirksamer Planfeststellungsbeschluss als bestandskräftiger Verwaltungsakt mit planerischen Festsetzungen gegenüber einem späteren Bebauungsplan nach § 38 Satz 1 BauGB Vorrang genießt (Runkel; in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Juni 2012, § 38 Rn. 92; Stüer/Probstfeld, Die Planfeststellung, S. 58 Rn. 100). In der Konkurrenz zwischen hinreichend konkretisierter und verfestigter, aber noch nicht rechtsverbindlicher Fachplanung und Bauleitplanung muss letztere im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) auf die in Aussicht genommene Fachplanung Rücksicht nehmen. Das ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. nur BVerwG 9 VR 14.02 - BauR 2003, 205 <206>). Das Oberverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (UA S. 53 f.) und ist in Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass unterstellte Abwägungsfehler in Bezug auf das eingeleitete bergrechtliche Planfeststellungsverfahren nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BauGB unbeachtlich sind (UA S. 53). Daran ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO mangels durchgreifender Revisionsgründe gebunden.
9b) Die Antragstellerin wirft zu § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 BauGB die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage auf, ob und bis zu welchem Punkt das Oberverwaltungsgericht selbst Abwägungsdefizite, insbesondere einen vollständigen Ausfall der Abwägung zu einem entscheidenden Belang, ausfüllen und eine Unbeachtlichkeit annehmen darf.
10Die Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie zu einem anderen Sachverhalt gestellt ist, als ihn das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Antragsgegnerin eine entgegenstehende Fachplanung "völlig unbeachtet" gelassen hat. Es hat der Antragsgegnerin vielmehr attestiert, sich bei ihrer Abwägung bewusst gewesen zu sein, dass für große Teile des Plangebiets, das sie als Naherholungsgebiet und - künftige - Ausgleichsflächen habe ausweisen wollen, ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden war, durch das der Rahmenbetriebsplan der Antragstellerin für den Abbau von Rohstoffen zugelassen werden sollte, und insoweit die bauplanerischen Festsetzungen mit den bergrechtlichen Abbauabsichten kollidierten (UA S. 49).
11Unabhängig davon lässt sich die Frage auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats beantworten ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Mängel, die unter § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB fallen, und sonstige Abwägungsmängel, zu denen auch ein Abwägungsausfall gehört (Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Mai 2012, § 214 Rn. 61), sind im einen Fall nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, im anderen Fall nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Durch das Urteil des Senats vom - BVerwG 4 C 57.80 - (BVerwGE 61, 33 <38>) ist geklärt, dass mit dem Attribut "offensichtlich" nur Mängel für beachtlich erklärt werden, die objektiv erfassbar sind ("äußere" Seite des Abwägungsvorgangs), und es nicht darauf ankommt, welche Motive und Vorstellungen die einzelnen an der Abstimmung beteiligten Ratsmitglieder hatten ("innere" Seite des Abwägungsvorgangs). Ebenfalls durch das Urteil vom (a.a.O. S. 39 f.) geklärt und durch das BVerwG 4 CN 1.07 - (BVerwGE 131, 100 <107 f.>) bestätigt ist, dass ein Mangel auf das Ergebnis von Einfluss ist, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Vorgang die Planung anders ausgefallen wäre, und eine konkrete Möglichkeit immer dann besteht, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein kann. Dass ein Normenkontrollgericht die Fehlerfolgenregelung des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB nicht zum Anlass nehmen darf, eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen, wie die Antragstellerin dem Oberverwaltungsgericht - übrigens zu Unrecht - vorhält, versteht sich von selbst.
123. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Dabei kann offenbleiben, ob sich das Oberverwaltungsgericht über § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinweggesetzt hat, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht; denn sein Urteil beruht jedenfalls nicht auf dem Verstoß. Die Antragstellerin wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, das Schreiben der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom übergangen zu haben, aus dem sich ergebe, dass die Antragsgegnerin eine Planungsschranke durch die konkurrierende Fachplanung zumindest in Erwägung gezogen habe. Die Rüge ist nicht geeignet, den vorinstanzlichen Befund in Frage zu stellen, dass ein möglicher Abwägungsfehler unbeachtlich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich auch für den von der Antragstellerin als erwiesen erachteten und von ihm unterstellten Fall, dass die bergrechtliche Planung nach § 38 BauGB privilegiert sei und die Antragsgegnerin dies zutreffend erkannt hätte, verneint, dass die Antragsgegnerin von ihrer Bauleitplanung Abstand genommen hätte (UA S. 55).
Fundstelle(n):
EAAAI-56739