BGH Beschluss v. - IX ZR 21/09

Anwaltshaftung: Unverzügliche Unterrichtung des Mandanten über nach Mandatsniederlegung an ihn zugestelltes Urteil

Gesetze: § 233 ZPO, § 280 Abs 1 BGB

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

21. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage zu den nachvertraglichen Pflichten des Rechtsanwalts bedarf keiner Klärung. Das Urteil ist nicht lange nach Beendigung des Mandats zugestellt worden, sondern noch in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Mandatsniederlegung. Der Kläger hat auch durch die Inkaufnahme eines Versäumnisurteils keine grobe Verletzung eigener Obliegenheiten begangen, sondern von einer prozessualen Möglichkeit Gebrauch gemacht.

3Nach der Niederlegung des Mandats bleibt der Rechtsanwalt verpflichtet, seine frühere Partei über eine an ihn erfolgte Zustellung unverzüglich zu unterrichten. Darauf, dass der frühere Prozessbevollmächtigte die nachwirkende Pflicht ordnungsgemäß erfüllt, darf sich die Partei verlassen. Solange der Kläger keine Zustellungsnachricht von dem Beklagten erhalten hatte, brauchte er daher nicht damit zu rechnen, dass der Beklagte die Zustellung entgegengenommen und die Einspruchsfrist in Gang gesetzt hatte (, VersR 1980, 383, 384; vom - IVa ZR 218/87, VersR 1988, 835, 836). Selbst wenn dem Versäumnisurteil eine Rechtsmittelbelehrung beigegeben war, konnte der Kläger mangels eigener Kenntnis des Zustellungszeitpunkts den Ablauf der Zweiwochenfrist nicht berechnen.

4Jedenfalls wenn der Anwalt das zugestellte Urteil nicht unverzüglich an den ehemaligen Mandanten weiterleitet, sondern erst mit erheblicher Verzögerung, muss er auf das Zustellungsdatum hinweisen (vgl. Rinkler in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. Rn. 230). Vorliegend hätte eine unverzügliche Übersendung den Kläger zwar nicht früher erreicht, weil er erst am aus dem Urlaub zurückkehrte. Er hätte dann aber erkennen können, dass ein erheblicher Teil der Frist bereits abgelaufen war. Der Beklagte mag berechtigt gewesen sein, das Versäumnisurteil erst am zu übersenden, weil er von der späteren Urlaubsrückkehr wusste. Dann hätte er aber auf das Zustellungsdatum hinweisen müssen.

5Eine möglicherweise anzunehmende eigene Erkundigungspflicht des Klägers ließ die genannte anwaltliche Pflicht des Beklagten nicht entfallen.

62. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe annehmen dürfen, am , also am vierten Werktag nach Zugang des Versäumnisurteils, noch rechtzeitig Einspruch einlegen zu können, ist nicht schlechterdings unvertretbar, weil sich der Kläger darauf verlassen durfte, dass der Beklagte ihm das Urteil pflichtgemäß unverzüglich zugeleitet und nicht länger als eine Woche liegengelassen hatte.

73. Das Berufungsgericht hat die Zurechnung eines Verschuldens des Instanzanwalts des Klägers nicht willkürlich abgelehnt.

8Rechtsanwälte, die nacheinander demselben Auftraggeber Schaden zugefügt haben, haften diesem grundsätzlich als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines haftpflichtigen Anwalts den Schadensbeitrag des anderen Anwalts als Mitverschulden entgegenhalten lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt voraus, dass dieser sich des Zweitanwalts bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen, der durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde (, WM 2005, 1812, 1813 mwN), also, wenn der zweite Anwalt beauftragt ist, die Folgen des vom ersten Anwalts begangenen Fehlers zu beseitigen (, WM 2006, 592, 595 mwN). Das hat das Berufungsurteil zutreffend gesehen. Der neue Anwalt des Klägers war beauftragt, den Prozess fortzuführen, nicht dagegen, die Folgen der Pflichtverletzung des Beklagten zu beseitigen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung mag unzureichend gewesen sein. Jedenfalls zeigt dieser Wiedereinsetzungsantrag, dass weder der Kläger noch sein neuer Anwalt von einem Fehler des Beklagten ausgingen, dessen Folgen es zu beseitigen gelte.

94. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Kayser                                      Gehrlein                                  Vill

                     Fischer                                         Grupp

Fundstelle(n):
JAAAI-35877