Übersicht über die Berufskrankheiten
I. Vorbemerkungen
Berufskrankheiten sind gem. § 551 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Der Begriff der ”Berufskrankheit” ist hiernach enger als der des Arbeitsunfalls.
Die Bestrebungen, den Schutz der Unfallversicherung auch auf berufsbedingte Erkrankungen auszudehnen, begegneten zunächst großen Schwierigkeiten. Vor allem blieb lange unentschieden, ob als Berufskrankheiten nur solche gelten sollten, die in bestimmten Berufen gehäuft auftreten (z. B. Staublunge im Bergbau), oder ob sich der Unfallversicherungsschutz auch auf andere Erkrankungen erstrecken sollte, sofern sie nur berufsbedingt sind. Der Gesetzgeber hat sich für die erstgenannte Regelung entschieden.
Somit enthält das Gesetz die Ermächtigung, solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind und denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die Aufnahme einer Berufskrankheit in die Berufskrankheitenliste ist mithin eine sozialpolitische Entscheidung.
II. Inhalt der Berufskrankheitenverordnung
Die zur Zeit gültige BeKV-Liste enthält 59 Erkrankungen, wobei jeweils bestimmte Krankheiten zu Gruppen zusammengefaßt sind. Zu den Berufskrankheiten gehören insbesondere Erkrankungen durch Arsen, Asbest, Benzol, Blei, Mangan, Quecksilber, Phosphor oder deren Verbindungen, Erkrankungen durch Erschütterung bei der Arbeit mit Preßluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen sowie Lärmschwerhörigkeit, Quarzstaublungenerkrankungen (Silikose), Bronchialasthma sowie schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen.
III. Berufsbedingte Erkrankungen
An dem Prinzip der Benennung bestimmter Berufskrankheiten in der Berufskrankheitenliste hat der Gesetzgeber in allen BeKV festgehalten. Ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes auf berufsbedingte Erkrankungen, die nicht in der Rechtsverordnung bzw. jeweils geltenden Berufskrankheitenliste aufgeführt sind, wurde mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) von 1983 getan. Hiernach sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Damit soll Entschädigung für eine S. 544Krankheit, die die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Berufskrankheitenliste erfüllt, schon gezahlt werden, wenn die BeKV noch nicht entsprechend geändert oder ergänzt worden ist. Eine solche Krankheit ist zwar keine Berufskrankheit, wird aber wie eine solche entschädigt.
”Neue Erkenntnisse” liegen dann vor, wenn erst nach Erlaß der jeweils geltenden BeKV von der Wissenschaft mit genügender Sicherheit eine Krankheit als Berufskrankheit erkannt wird, so daß der Verordnungsgeber diese Berufskrankheit noch nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufnehmen konnte. Die ”übrigen Voraussetzungen” des § 551 RVO sind einmal der Erwerb der Erkrankung bei einer versicherten Tätigkeit, zum anderen das Faktum, daß die Krankheit nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Lehnt allerdings der Verordnungsgeber nach erkennbarer Prüfung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse die Aufnahme einer Erkrankung in die Berufskrankheitenliste ausdrücklich ab, so ist diese nicht mehr neu; die Erkrankung kann im Einzelfall nicht mehr anerkannt werden.
Von den in der Berufskrankheitenliste aufgeführten Berufserkrankungen und den diesen gem. § 551 Abs. 2 RVO gleichzusetzenden berufsbedingten Erkrankungen sind solche berufsbedingten Erkrankungen zu unterscheiden, die trotz Berufsbedingtheit nicht dem Unfallversicherungsschutz unterliegen, für deren Heilbehandlung also die allgemeine Krankenversicherung zuständig ist.
IV. Leistungen der Unfallversicherung
In der seit 1977 geltenden BeKV sind die versicherungsrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen bei den Berufserkrankungen dahingehend geändert worden, daß sie nur entschädigungspflichtig sind, wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können. Dieser versicherungsrechtliche Tatbestand tritt jedoch in den wenigsten Erkrankungsfällen ein, weshalb zwischen der Zahl der gemeldeten Erkrankungen und der Zahl der ”anerkannten Berufskrankheiten” eine große Diskrepanz besteht.
Für die Berufskrankheiten gelten die für Arbeitsunfälle maßgebenden Vorschriften entsprechend. Der Unternehmer muß bei jeder Berufskrankheit, die den Erkrankten mehr als 3 Tage arbeitsunfähig macht oder die tödlich verlaufen ist, Anzeige auf einem hierfür vorgesehenen Formblatt erstatten. Der Träger der Unfallversicherung gewährt bei Berufserkrankungen Heilbehandlung, Berufshilfe, Geldleistungen (Rente) an den Erkrankten.
Bei Berufskrankheiten richten sich die Entschädigungsleistungen nach dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die MdE resultiert in der Unfallversicherung (§ 581 RVO) aus den vorhanden gewesenen und nach einer Berufskrankheit (oder einem Arbeitsunfall) verbleibenden Arbeitsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, d. h. dem ganzen Gebiet des wirtschaftlichen Lebens. Die dem Versicherten verbleibenden Arbeitsmöglichkeiten müssen seiner Vorbildung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend zumutbar sein. Streitig ist, ob schon eine MdE von 10 % ausreichend ist, oder ob eine MdE in rentenberechtigendem Grade von 20 % erforderlich ist.
V. Geltung in der ehemaligen DDR
Die genannten Vorschriften in der Unfallversicherung (§§ 551, 581 RVO) sowie die Berufskrankheitenverordnung gelten im Gebiet der ehemaligen DDR erst ab dem . Bis dahin gelten die §§ 220 und 221 des Arbeitsgesetzbuches der DDR, die Berufskrankheiten-VO v. 26. 2. 1981 (GBl I S. 137) und die Liste der Berufskrankheiten v. (GBl I S. 139, ber. S. 312) weiter. S. 545
VI. Katalog der anerkannten Berufskrankheiten
Nr. Krankheiten
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1 Durch chemische Einwirkungen
verursachte Krankheiten 11 Metalle oder Metalloide 1101 Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen 1102 Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen 1103 Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen 1104 Erkrankungen durch Cadmium oder seine Verbindungen 1105 Erkrankungen durch Mangan oder seine Verbindungen 1106 Erkrankungen durch Thallium oder seine Verbindungen 1107 Erkrankungen durch Vanadium oder seine Verbindungen 1108 Erkrankungen durch Arsen oder seine Verbindungen 1109 Erkrankungen durch Phosphor oder seine anorganischen Verbindungen 1110 Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen 12 Erstickungsgase 1201 Erkrankungen durch Kohlenmonoxid 1202 Erkrankungen durch Schwefelwasserstoff 13 Lösemittel, Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide) und sonstige chemische Stoffe 1301 Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe 1303 Erkrankungen durch Benzol oder seine Homologe 1304 Erkrankungen durch Nitro- oder Aminoverbindungen des Benzols oder seiner Homologe oder ihrer Abkömmlinge 1305 Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoff 1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) 1307 Erkrankungen durch organische Phosphorverbindungen 1308 Erkrankungen durch Fluor oder seine Verbindungen 1309 Erkrankungen durch Salpetersäureester 1310 Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide 1311 Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylarylsulfide 1312 Erkrankungen der Zähne durch Säuren 1313 Hornhautschädigungen des Auges durch Benzochinon 1314 Erkrankungen durch para-tertiär-Butylphenol |
Zu den Nummern 1101 bis 1110, 1201 und 1202, 1303 bis 1309: Ausgenommen sind Hauterkrankungen. Diese gelten als Krankheiten i. S. dieser Anlage nur insoweit, als sie Erscheinungen einer Allgemeinerkrankung sind, die durch Aufnahme der schädigenden Stoffe in den Körper verursacht werden, oder gemäß Nummer 5101 zu entschädigen sind.
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2 Durch
physikalische Einwirkungen verursachte
Krankheiten 21 Mechanische Einwirkungen 2101 Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 2102 Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten 2103 Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen 2104 Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 2105 Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel durch ständigen Druck 2106 Drucklähmung der Nerven 2107 Abrißbrüche der Wirbelfortsätze S. 546 22 Druckluft 2201 Erkrankungen durch Arbeit in Druckluft 23 Lärm 2301 Lärmschwerhörigkeit 24 Strahlen 2401 Grauer Star durch Wärmestrahlung 2402 Erkrankungen durch ionisierende Strahlen 3 Durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten 3101 Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war 3102 Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten 3103 Wurmkrankheit der Bergleute, verursacht durch Ankylostoma duodenale oder Strongyloides stercoralis 3104 Tropenkrankheiten, Fleckfieber 4 Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells 41 Erkrankungen durch anorganische Stäube 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) 4102 Quarzstaublungenerkrankung in Verbindung mit aktiver Lungentuberkulose (Siliko-Tuberkulose) 4103 Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura 4104 Lungenkrebs in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura 4105 Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells und des Bauchfells 4106 Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Aluminium oder seine Verbindungen 4107 Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen 4108 Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Thomasmehl (Thomasphosphat) 4109 Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen 4110 Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Kokereirohgase 42 Erkrankungen durch organische Stäube 4201 Exogen-allergische Alveolitis 4202 Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Rohbaumwoll-, Rohflachs- oder Rohhanfstaub (Byssinose) 4203 Adenokarzinome der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch Stäube von Eichen- oder Buchenholz 43 Obstruktive Atemwegserkrankungen 4301 Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 4302 Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 5 Hautkrankheiten 5101 Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können 5102 Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe 6 Krankheiten sonstiger Ursache 6101 Augenzittern der Bergleute |
Fundstelle(n):
NWB Fach 27 Seite 3769 - 3772
NWB1991 Seite 543 - 546
YAAAA-83806