BGH Beschluss v. - 5 StR 502/13

Hauptverhandlung in Strafsachen: Umfang der Mitteilungspflicht des Strafkammervorsitzenden bei Verständigungsgesprächen im Zwischenverfahren

Gesetze: § 202a StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO

Instanzenzug: Az: 606 KLs 14/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2Die Revision rügt zu Recht die Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Dem liegt folgendes in zulässiger Weise vorgetragenes (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Verfahrensgeschehen zugrunde: Zwischen dem Verteidiger des Beschwerdeführers und dem später den Vorsitz führenden Berichterstatter fand vor der Eröffnung des Hauptverfahrens eine verständigungsbezogene Erörterung nach § 202a StPO statt. In dem Aktenvermerk über ein hierzu mit dem Verteidiger geführtes Telefonat teilte der Berichterstatter unter anderem mit: "Unter Hinweis auf die Terminslage der Kammer wurde die Möglichkeit einer einvernehmlichen Verhandlung erörtert. Nach vorläufiger Einschätzung der Kammer kann im Falle eines Geständnisses bei einem nicht vorbestraften Angeklagten eine Strafe im bewährungsfähigen Bereich zur Anwendung kommen". Zu einer Verständigung zwischen der Strafkammer und den Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO kam es nicht, nachdem der Verteidiger noch vor der Eröffnung des Hauptverfahrens angekündigt hatte, dass der Angeschuldigte seine Verteidigung mit dem Ziel eines Freispruchs betreiben werde. In der Hauptverhandlung unterließ es der Vorsitzende, das dokumentierte Verständigungsgespräch bekannt zu geben.

3Es liegt ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruht. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:

4"Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO muss der wesentliche Inhalt verständigungsbezogener Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten nach § 202a StPO im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes vom Vorsitzenden mitgeteilt werden. Das ist hier nicht geschehen. Weder das Verständigungsgespräch noch dessen Ergebnis sind durch die Mitteilung des wesentlichen Inhalts in der Hauptverhandlung für die Öffentlichkeit und alle Verfahrensbeteiligten transparent gemacht und im Protokoll entsprechend dokumentiert worden.

5Ein Mangel des Verfahrens an Transparenz und Dokumentation der Gespräche, die mit dem Ziel der Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden, führt jedoch regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht auszuschließen ist (vgl. u.a., NJW 2013, 1058, 1067 Rn. 97; – [NJW 2013, 3046]). Hier gilt nichts anderes. Zum einen ist für das Vorliegen eines Ausnahmefalls im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nichts ersichtlich. Zum anderen dient die Bekanntgabe verständigungsbezogener Erörterungen gerade der Unterrichtung des Angeklagten, der hieran nicht teilgenommen hat und also auf diesem Weg Kenntnis von der Sichtweise des Gerichts zum Zwecke der Einrichtung seiner Verteidigung erlangen kann (vgl. , [NJW 2013, 3046, 3047 f.]). Vor diesem Hintergrund kann anders als in Fällen, in denen der Angeklagte an den Erörterungen beteiligt war, ein Einfluss der unterbliebenen Unterrichtung auf sein Verteidigungsverhalten nicht ausgeschlossen werden."

6Dem folgt der Senat.

Basdorf                     Sander                       Schneider

                Berger                      Bellay

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Fundstelle(n):
GAAAI-12491