BGH Beschluss v. - 1 StR 408/12

Kostenentscheidung im Strafverfahren: Kostenentscheidung mehrerer nebeneinander eingelegter Rechtsmittel nach Aufhebung und Zurückverweisung

Gesetze: § 473 Abs 1 S 1 StPO, Nr 3520 GKVerz

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 6 KLs 200 JS 865/06 (3) Urteilvorgehend Az: 1 StR 272/09 Urteilvorgehend LG Traunstein Az: 2 KLs 200 JS 865/06 Urteil

Gründe

I.

1Das Landgericht Traunstein hat mit Urteil vom - neben anderen - den Angeklagten Sp.    vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung in 15 tateinheitlichen Fällen rechtlich zusammentreffend mit fahrlässiger Körperverletzung in 6 tateinheitlichen Fällen freigesprochen. Die insoweit ausscheidbaren Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten hat es der Staatskasse auferlegt.

2Gegen das Urteil haben - neben einer weiteren Verfahrensbeteiligten - zu Ungunsten des Angeklagten Sp.    die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger D. und R. S.      , B.   , Z.     und M.      Revisionen eingelegt, die dem Senat unter dem Aktenzeichen 1 StR 272/09 zur Entscheidung vorgelegt wurden. Mit Urteil vom hat der Senat auf diese Revisionen den Freispruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieser Rechtsmittel - an das Landgericht zurückverwiesen.

3Mit Urteil vom hat das Landgericht den Angeklagten erneut freigesprochen. Es hat in Ziffer 2. des Urteilstenors die „Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten in allen Rechtszügen“ der Staatskasse auferlegt und angeordnet, dass die Nebenkläger „die Kosten ihrer Revisionen“ zu tragen haben.

4Gegen dieses Urteil haben - neben der Staatsanwaltschaft und der weiteren Nebenklägerin Ma.   - auch die Nebenkläger D. und R. S.       und B.   Revision eingelegt, diese jedoch noch vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zurückgenommen. Mit Beschluss vom hat das Landgericht Traunstein insoweit über die Kosten entschieden; nach der durch das Oberlandesgericht München abgeänderten Fassung dieses Beschlusses wurden den Nebenklägern „die Kosten dieser von ihnen eingelegten und zurückgenommenen Rechtsmittel, jedoch nicht die notwendigen Auslagen des Angeklagten“ auferlegt.

5Die Revisionen der Nebenklägerin Ma.   und der Staatsanwaltschaft wurden unter dem Aktenzeichen 1 StR 408/12 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Revision der Nebenklägerin Ma.   verwarf der Senat auf ihre Kosten mit Beschluss vom . Die Staatsanwaltschaft nahm ihre Revision am zurück.

II.

6Unter dem hat der Bundesgerichtshof gegenüber den Nebenklägern D. und R. S.      , B.   , Z.        und M.        im Verfahren 1 StR 408/12 Kosten in Höhe von jeweils 120 Euro angesetzt.

7Mit Schriftsatz vom hat der anwaltliche Vertreter der Nebenkläger D. und R. S.       um Überprüfung des Kostenansatzes gebeten. Mangels Beteiligung seiner Mandanten an diesem Revisionsverfahren seien diese nicht Kostenschuldner; hinsichtlich der von seinen Mandanten unter dem Aktenzeichen 1 StR 272/09 geführten Revision gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom fehle es hingegen an einer tauglichen Kostengrundentscheidung des Bundesgerichtshofs.

8Mit Schriftsätzen vom hat auch die anwaltliche Vertreterin der Nebenkläger B.   , Z.      und M.       die Überprüfung des Kostenansatzes erbeten. Sie hat zur Begründung im Kern vorgetragen, dass die Nebenkläger Z.       und M.      gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom keine Revision eingelegt hatten, während die Nebenklägerin B.   ihre Revision - mit der Folge eines Wegfalls der Gebühr - vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zurückgenommen habe.

9Mit Schriftsätzen vom haben die anwaltlichen Vertreter der Nebenkläger ergänzend ausgeführt, die Nebenkläger seien durch die - entsprechend auszulegende - Kostenentscheidung des Landgerichts Traunstein im Urteil vom von den Kosten des gesamten Verfahrens freigestellt. Zudem erfasse der Gebührentatbestand nach Nr. 3520 GKG nicht den Fall einer Freisprechung, die nicht durch das Revisionsgericht, sondern erst nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache erfolge. Schließlich entfalle die Kostenpflicht der Nebenkläger, weil auch die Staatsanwaltschaft gleichzeitig die Revision geführt habe.

10Mit weiteren Schriftsätzen vom und vom haben die Nebenklägervertreter Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt.

III.

11Die gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässigen Erinnerungen, über die nach § 139 GVG der Senat zu entscheiden hat (vgl. mwN), sind unbegründet.

121. Die Nebenkläger sind dem Grunde nach zur Kostentragung nach Maßgabe von Ziffer 3. des Urteilstenors des Landgerichts Traunstein vom verpflichtet.

13Der angefochtene Kostenansatz umfasst nur die Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom . Nachdem die Nebenkläger nur gegen dieses Urteil Revision eingelegt hatten, sind sie, was sich aus dem Wortlaut von Ziffer 2. aE des Urteilstenors vom („ihrer Revisionen“) klar ergibt, auch nur insoweit Kostenschuldner.

14Von dem weiteren Verfahrensgang, insbesondere von der weiteren Kostenentscheidung im Beschluss des Landgerichts Traunstein vom - in der durch das Oberlandesgericht München abgeänderten Fassung -, wird diese Kostenschuld nicht berührt, weil der genannte Beschluss eine (weitere) Kostenentscheidung nur hinsichtlich „dieser von ihnen eingelegten und zurückgenommenen“ (weiteren) Rechtsmittel der Nebenkläger, nämlich deren Revisionen gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom , getroffen hat.

15Der Kostenansatz ist nicht deshalb unrichtig, weil er nicht unter dem für das erste Revisionsverfahren maßgeblichen Aktenzeichen 1 StR 272/09, sondern unter dem - für die Revision gegen das Urteil vom automatisch zu vergebenden - neuen Aktenzeichen 1 StR 408/12 erfolgt ist. Ein Kostenansatz kann erst mit dem Vorliegen einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung erfolgen. Die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Traunstein vom trat jedoch erst nach der Revisionsrücknahme der Staatsanwaltschaft im Oktober 2012 ein.

162. Die Kostenschuld der Nebenkläger entfällt auch nicht wegen der gleichzeitig in Ziffer 2. aE des Urteils des Landgerichts Traunstein vom getroffenen Kostenentscheidung zu Lasten der Staatskasse. Diese Kostenentscheidung umfasst nach der klaren Systematik des Urteilstenors gerade nicht die in Ziffer 2. aE gesondert geregelten Kosten der Revisionen der Nebenkläger, sondern alle sonstigen Verfahrenskosten.

173. Auch sachlich führt der Umstand, dass das Urteil des Landgerichts Traunstein vom sowohl durch die Nebenkläger als auch durch die Staatsanwaltschaft angefochten war, nicht zum Wegfall der Kostenschuld der Nebenkläger. Mehrere nebeneinander eingelegte Rechtsmittel sind kostenrechtlich voneinander zu trennen (, BGHSt 19, 226, 228); die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO). Bleiben deshalb mehrere Rechtsmittel ohne Erfolg, trägt jeder Rechtsmittelführer die Kosten seines Rechtsmittels (Niesler in Graf [Hrsg.], Beck-OK, StPO, Ed. 15, § 473 Rn. 17; vgl. auch Gieg in KK-StPO, 6. Aufl., § 473 Rn. 13 mwN).

184. Zutreffend bemisst der Kostenansatz die Gebühr nach Nr. 3520 KV GKG. Dem steht nicht entgegen, dass die Revisionen der Nebenkläger zunächst zur Aufhebung der Ausgangsentscheidung des Landgerichts Traunstein und erst nach Zurückverweisung zur erneuten (und rechtskräftig gewordenen) Freisprechung des Angeklagten am führten. Die Gebühr nach Nr. 3520 KV GVG entsteht bei jeder Entscheidung des Revisionsgerichts. Wer sie schuldet, bemisst sich nach dem abschließenden Erfolg des Rechtsmittels. Ein kostenrechtlicher Erfolg wird im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung noch nicht durch die aufhebende Entscheidung des Revisionsgerichts, sondern erst durch die weiteren Entscheidungen bewirkt (, StraFo 2008, 529). Nach kostenrechtlichen Maßstäben steht das nach einer Zurückverweisung ergangene, freisprechende Erstinstanzurteil deshalb einem freisprechenden Urteil des Revisionsgerichts gleich (vgl. Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG, 2. Aufl., 57. Lfg., Nrn. 3510, 3511, 3520, 3521, 3530, 3531 Rn. 19).

195. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.

Nack                       Wahl                          Rothfuß

              Jäger                       Radtke

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
LAAAI-11179