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Online-Nachricht - Donnerstag, 03.03.2022

Einkommensteuer | Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG bei Darlehensgewährung an eine Personengesellschaft II (BFH)

Ist Gläubigerin der Kapitalerträge eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, ist diese als Einkünfteerzielungssubjekt selbst eine "Person" i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Die Feststellung, dass auf der Ebene der Personengesellschaft gemeinschaftlich vereinnahmte Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht dem gesonderten Steuersatz gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, kann im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO getroffen werden. Es handelt sich um eine verfahrensrechtlich eigenständige Feststellung (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Streitig ist, ob Kapitalerträge, die einer GbR für die Kapitalüberlassung an eine KG auf ihren Vorschusskonten gutgeschrieben wurden, unter Berücksichtigung der Grundsätze zum Nahestehen i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a EStG (hier: zwischen der von den Klägern beherrschten GbR und der von Familienstiftungen beherrschten KG) der tariflichen Einkommensteuer oder der Abgeltungsteuer unterliegen.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Ist Gläubigerin der Kapitalerträge eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, ist diese als Einkünfteerzielungssubjekt selbst eine "Person" i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG.

  • Die Feststellung, dass auf der Ebene der Personengesellschaft gemeinschaftlich vereinnahmte Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht dem gesonderten Steuersatz gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, kann im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO getroffen werden. Es handelt sich um eine verfahrensrechtlich eigenständige Feststellung.

  • Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Personengesellschaft ist zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Personengesellschaft durchzusetzen.

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Der VIII. Senat des BFH hat mit Urteilen v. - VIII R 8/18 und v. – VIII R 12/19 darüber entschieden, welche Voraussetzungen für die Anwendung des gesonderten Tarifs in § 32d Abs. 1 EStG auf private Zinseinkünfte (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) erfüllt sein müssen, die ein Gesellschafter oder eine Gläubiger-Personengesellschaft für Gesellschafterdarlehen beziehen, die ihnen von einer Schuldner-Personengesellschaft gezahlt werden.

Im Streitfall VIII R 8/18, zu dem aus Anonymisierungsgründen nur die Leitsätze veröffentlicht worden sind, ging es um die Darlehensgewährung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (GbR) an eine inländische betriebliche GmbH & Co KG im Rahmen fremdüblicher Darlehensverträge. Letztere zog die Zinszahlungen an die GbR als Betriebsausgaben ab. Auf Ebene der GbR wurde darüber gestritten, ob die Zinseinkünfte, welche gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zum Privatvermögen der GbR-Gesellschafter gehörten, dem gesonderten Tarif unterlägen.

Der BFH klärte in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass über die Frage, ob auf Ebene der GbR Zinseinkünfte erzielt werden, die aus dem gesonderten Steuersatz kraft Gesetzes (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG) ausgeschlossen sind, im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Gläubiger-GbR gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO entschieden werden kann. Es handelt sich um eine „andere Besteuerungsgrundlage“, die verfahrensrechtlich als eigenständige Feststellung neben der Feststellung der im Gesamthandsbereich erzielten Kapitaleinkünfte steht und isoliert in Bestandskraft erwachsen kann.

In materieller Hinsicht gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG u.a. nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG keine Anwendung findet. Für die Prüfung dieser Voraussetzungen ist bei der Darlehensgewährung zwischen zwei Personengesellschaften die vermögensverwaltende Gläubiger-Personengesellschaft als Einkünfteerzielungssubjekt selbst eine "Person" i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, sodass das schädliche Näheverhältnis zwischen ihr und der Schuldner-Personengesellschaft bestehen muss. Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG der Gläubiger-Personengesellschaft zur Schuldner-Personengesellschaft ist auf dieser Grundlage - wie im Rahmen des § 32d Abs. 1 Nr. 1 Buchst b EStG für Darlehensgewährungen an Kapitalgesellschaften - zu bejahen, wenn die Gläubiger-Personengesellschaft eine Beteiligung innehat, die es ihr ermöglicht, ihren Willen in der Gesellschafterversammlung der Schuldner-Personengesellschaft durchzusetzen. Zudem kann außerhalb eines Über-Unterordnungsverhältnisses zwischen Gläubiger- und Schuldnerpersonengesellschaft das Näheverhältnis nach den übrigen in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien vorliegen, also wenn die Schuldner-Personengesellschaft auf die Gläubiger-Personengesellschaft einen beherrschenden Einfluss ausüben oder eine dritte Person (die Gesellschafter der Gläubiger- und/oder Schuldner-Personengesellschaft) auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Gläubiger- und/oder Schuldner-Personengesellschaft imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den jeweils anderen einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn die Gläubiger- und/oder Schuldner-Personengesellschaft ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Im Besprechungsfall wurde dies vom FG und vom BFH verneint.

Im Verfahren VIII R 12/19, das in der letzten Woche veröffentlicht wurde (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 24.2.2022 ), ging es um die Darlehensgewährung von Gesellschaftern (den Klägern) an eine vermögensverwaltende Schuldner-Personengesellschaft (N-GmbH & Co KG). Diese hatte vor einer Umstrukturierung der Beteiligungsverhältnisse als Besitzgesellschaft im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung (Betriebsgesellschaft war die X-KG) fungiert. Die Darlehen waren von den Klägern an die N-KG noch unter Geltung der Betriebsaufspaltungsgrundsätze gewährt worden. Streitig war aber erst die Besteuerung der Zinsen, nachdem die Kläger im Jahr 2014 ihre Beteiligungen an der N-GmbH (Komplementärin) und ihre Kommanditanteile an der N-KG auf eine Familienstiftung übertragen hatten. Die Beteiligten und der VIII. Senat gingen für das Streitjahr 2016 davon aus, dass die Zinszahlungen der N-KG an die Kläger nicht mehr zu Sonderbetriebseinnahmen der Kläger, sondern stattdessen zu den privaten Kapitaleinkünften (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) gehörten. Streitig war, ob die Zinseinkünfte dem gesonderten Tarif unterfielen oder dem der Ausschlusstatbestand in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG entgegensteht.

Ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG des Gläubigers der Kapitalerträge (der Kläger als Gesellschafter) zu einer Personengesellschaft (der N-KG) ist nach dem Besprechungsurteil zu bejahen, wenn der Gläubiger eine Beteiligung innehat, die es ihm ermöglicht, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Schuldner-Personengesellschaft durchzusetzen. Der Ausschlussgrund kann auch greifen, wenn die Anteile an der Schuldner-Personengesellschaft von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten werden und der Gläubiger (die Kläger) aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der Stiftung mittelbar in der Lage ist, seinen Willen in der Gesellschafterversammlung der Schuldner-Personengesellschaft durchzusetzen. Dies verneinte der VIII. Senat allerdings im Streitfall VIII R 12/19, weil die Kläger aufgrund der Besetzung des Stiftungsvorstands mit drei Mitgliedern weder gemeinsam noch allein Mehrheitsbeschlüsse des Vorstands ohne die Mitwirkung eines anderen Vorstandsmitglieds herbeiführen konnten.

Der Umstand, dass den Klägern gemeinschaftlich die Stimmrechtsmehrheit im Stiftungsvorstand zugestanden habe, bewirke keine beherrschende Stellung. Ein aus der Ehegatteneigenschaft abgeleitetes, persönliches Interesse genügt ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht, um für die Prüfung der Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands zu einer „Zusammenrechnung der Ehegattenbeteiligungen“ auf Ebene der Familienstiftung zu kommen. Solche besonderen Umstände, die dafür hätten sprechen können, dass einer der Kläger sich aufgrund eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses dem Willen des jeweils anderen unterordnen musste und ihm daher bei der Ausübung des eigenen Stimmrechts auf Ebene der Stiftung kein eigener Entscheidungsspielraum verblieb, waren im Besprechungsfall nicht ersichtlich.

Eine beherrschende Stellung der Kläger in der Stiftung ergab sich für den VIII. Senat auch nicht aus der Möglichkeit eines Stichentscheids durch den Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, weil die beiden anderen Vorstandsmitglieder die für einen solchen Stichentscheid erforderliche Stimmengleichheit durch ihre Anwesenheit in den Vorstandssitzungen verhindern konnten. Die Stellung der Kläger als jeweils einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Komplementärin der N-KG (ohne Kommanditistenstellung) bewirkte schließlich ebenfalls keine Beherrschung der Schuldnerin N-KG durch die Kläger als Zinsgläubiger. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Darlehens durch die N-KG gehörte nach deren Gesellschaftsvertrag nicht zu den von der laufenden Geschäftsführungsbefugnis umfassten Angelegenheiten, sondern zu den Grundlagengeschäften der KG. Ferner bestand im Streitfall kein eigenes wirtschaftliches Interesse der N-KG als Darlehensschuldnerin an der Einkünfteerzielung der Kläger als Darlehensgeber oder umgekehrt. Zwar war die Finanzierung der N-KG durch die Kläger für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaft, weil diese sich ansonsten anderweitig hätte refinanzieren müssen. Die N-KG hätte dies aber tun und dann ggf. höhere Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abziehen können. Umgekehrt hätten die Kläger im Rahmen einer anderweitigen Kapitalanlage der Darlehensbeträge für hieraus erzielte Kapitalerträge ebenfalls den gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen können.

Für die Prüfung des Näheverhältnisses kraft eines eigenen wirtschaftlichen Interesses eines Nichtgesellschafters an eine Personengesellschaft wendet der VIII. Senat somit dieselben Kriterien wie für Darlehensgewährungen eines Nichtgesellschafters an eine Schuldner-GmbH an (vgl. ):

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
EAAAI-05504