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Brennpunktthema Garantieverlängerung
Steuerliche Fallstricke und Unklarheiten
Ein BMF-Schreiben aus dem Jahr 2021 kann für zahlreiche Unternehmen und ihre Kunden zu erheblichem administrativen und finanziellen Mehraufwand führen. Hintergrund ist eine geänderte Finanzverwaltungsmeinung zu sog. entgeltlichen Garantiezusagen, die wiederum auf Rechtsprechung von EuGH und BFH basiert. Nach mehrmaliger Verlängerung durch diverse BMF-Schreiben ist die geänderte Auffassung spätestens auf nach dem gewährte Garantiezusagen anzuwenden. Im Folgenden wird die Thematik aus der Sicht der Unternehmens- und Beratungspraxis dargestellt und anhand von Beispielsfällen die besondere Brisanz deutlich gemacht. Bewertend liegt der Schwerpunkt dabei auf Fragen des Umsatzsteuerrechts. Die versicherungsteuerliche Problematik wird weniger vertieft betrachtet.
Was war der Hintergrund des ?
Wie ist die neue Verwaltungsmeinung zu würdigen?
Was stellt die Praxis vor Herausforderungen?
I. Hintergrund: Wandel der Rechtsprechung zur Garantiegewährung im Kraftfahrzeughandel im Laufe der Jahre
[i]Langer, BMF-Schreiben zu Garantiezusagen stellt Garantiegeber und Versicherungswirtschaft vor große Probleme, USt direkt digital 14/2021 S. 16, NWB QAAAH-83228 Besson, in: Küffner/Zugmaier, UStG Kommentar, § 4 Rz. 42, NWB JAAAB-75290 Die BFH-Rechtsprechung zu Garantiegewährungen änderte sich mehrmals signifikant. Entgeltliche Garantien waren bereits 2002 Gegenstand der BFH-Rechtsprechung. Seinerzeit wurde die sog. „Car-Garantie“ teilweise als steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz (vgl. § 4 Nr. 10b) UStG) und teilweise als steuerfreie Übernahme von Sicherheiten (vgl. § 4 Nr. 8g) UStG) eingeordnet. Dies bekräftigte der BFH im Folgejahr in zwei weiteren Entscheidungen. Die Finanzverwaltung setzte diese Rechtsprechung um.
Im Jahr 2007 kam jedoch der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine steuerfreie Übernahme von Sicherheiten als Finanzumsatz nur bei Verpflichtungen in Geld, nicht aber bei Verpflichtungen zu Sachleistungen vorliegen könne. Dies bewog den BFH im Jahr 2010, seine Rechtsprechung zu ändern und für Garantieleistungen keinen Finanzumsatz mehr anzunehmen. Nunmehr behandelte er eine Garantiezusage eines Autoverkäufers, welche dem Käufer nach dessen Wahl einen Reparaturanspruch oder einen Reparaturkostenersatzanspruch ermöglichte, als steuerpflichtig. Auch dies wendete die Finanzverwaltung an.
Der EuGH äußerte sich schließlich im Jahr 2017 abermals zu entgeltlich gewährten Garantien. Er sah jedenfalls eine solche Garantie, die nicht der Fahrzeugverkäufer selbst, sondern eine weitere Partei gewährt hatte, als steuerfreien Versicherungsumsatz an. Dies bewog die Finanzverwaltung zu einer Änderung des Abschnitts 4.10.1 UStAE und der Aussage, dass die Dienstleistung eines von einem Kraftfahrzeughändler unabhängigen Wirtschaftsteilnehmers, gegen Zahlung eines Pauschalbetrags mechanische Ausfälle S. 172bestimmter Teile eines Gebrauchtfahrzeugs zu versichern, eine steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz sei. Die Garantiezusage der Autoverkäufer selbst blieb jedoch weiterhin umsatzsteuerpflichtig (vgl. Abschnitt 4.8.12 UStAE a. F.).
Der BFH konnte auf die „Mapfre“-Entscheidung im Jahr 2018 reagieren. Ein Autohaus hatte den Käufern von Kraftfahrzeugen eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen ein gesondert berechnetes Entgelt angeboten und eine Rückversicherung mit einem weiteren Unternehmen abgeschlossen. In den „Garantiezertifikaten“ wurde das Autohaus als Garantiegeberin und der Käufer als Garantienehmer angegeben. Nach Auffassung des BFH lag ein steuerfreier Versicherungsumsatz nach § 4 Nr. 10a) UStG vor.
II. Fallbeispiele aus der Praxis und deren vermutliche Lösung nach der Verwaltungsmeinung
Am Markt kommen unterschiedlichste Vertragsmodelle vor, die von der neuen Verwaltungsmeinung betroffen sein können. Einige Beispiele sollen in die bestehende Problematik einführen.
1. Beispiel 1: Entgeltlich gewährte zusätzliche Garantie an Verbraucher
Ein Kunde kauft einen Multifunktionsdrucker für 1.190 €. Der Elektronikmarkt bietet gegen zusätzliche Zahlung von 238 € eine Funktionsgarantie in den ersten drei Jahren an. Sollte das Gerät in dieser Zeit einen Defekt aufweisen, trägt der Elektronikmarkt alle notwendigen Reparaturkosten bzw. tauscht – wenn erforderlich – das Gerät aus. Im Jahr 03 tritt ein Garantiefall ein. Es entstehen Materialkosten von 200 € zuzüglich Umsatzsteuer.
Lösung: Bisher konnte der Elektronikmarkt sowohl den Geräteverkauf als auch die Garantieverlängerung als umsatzsteuerpflichtig behandeln. Der Vorsteuerabzug aus den Reparaturkosten war in voller Höhe möglich. Versicherungsteuer fiel nicht an.
In diesem Fall fließen beim Verbraucher 1.428 € ab. Der Elektronikmarkt führt 228 € Umsatzsteuer ab, so dass ihm zunächst netto 1.200 € verbleiben. Der Reparaturfall belastet den Elektronikmarkt nach Vorsteuerabzug mit 200 €, so dass sich ein Saldo von 1.000 € ergibt.