BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2604/21

Nichtannahme einer unmittelbar gegen § 28b Abs 5 S 1 Nr 1, S 3 bis 6 IfSG gerichteten Verfassungsbeschwerde ("3G-Regel" in öffentlichen Verkehrsmitteln) - Unzulässigkeit mangels Selbstbetroffenheit sowie wegen unzureichender Substantiierung - Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs

Gesetze: § 19 Abs 1 BVerfGG, § 19 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93d Abs 1 S 2 BVerfGG, § 28b Abs 5 S 1 Nr 1 IfSG, § 28b Abs 5 S 3 IfSG, § 28b Abs 5 S 4 IfSG, § 28b Abs 5 S 5 IfSG, § 28b Abs 5 S 6 IfSG

Gründe

1Das Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen und Richter des Ersten Senats ist wegen offensichtlicher Unzulässigkeit zu verwerfen. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit des Befangenheitsgesuchs kann die Sachentscheidung gemeinsam mit der Entscheidung über das Befangenheitsgesuch ergehen.

21. Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch vor allem dann, wenn es nicht begründet wird oder sich auf eine gänzlich ungeeignete Begründung stützt (vgl. BVerfGE 46, 200 <200>; 72, 51 <59>; 131, 239 <252>; 133, 377 <405 Rn. 69>; 142, 1 <4 Rn. 12>; 152, 53 <54 Rn. 2>; 153, 72 <73 Rn. 2>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvE 4/20 u.a. -, Rn. 13). Die Begründungsanforderungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangen, dass das Gesuch die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für jeden abgelehnten Richter und jede abgelehnte Richterin mit Bezug auf das konkrete Verfahren hinreichend substantiiert darlegt. Mit dem Ablehnungsgesuch müssen Tatsachen vorgetragen werden, aufgrund derer Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters oder der abgelehnten Richterin zumindest möglich erscheinen. Behauptungen "ins Blaue hinein", die durch keine tatsächlichen Umstände unterlegt sind, sondern auf reinen Vermutungen beruhen, begründen die Besorgnis der Befangenheit dagegen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvE 4/20 u.a. -, Rn. 13 f. m.w.N.; Beschluss des Ersten Senats vom - 1 BvR 781/21 -, Rn. 4 m.w.N.). Offensichtlich unzulässig ist ein Ablehnungsgesuch auch, wenn die abgelehnte Richterin oder der abgelehnte Richter nicht zur Mitwirkung im Verfahren berufen ist (vgl. BVerfGE 142, 1 <4 f.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1487/87 -, der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 782/12 -, Rn. 4 und Beschluss des Zweiten Senats vom - 2 BvB 1/13 -, Rn. 13).

3Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin oder des abgelehnten Richters; diese sind auch nicht von der Entscheidung über das Gesuch ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 153, 72 <73 Rn. 2>, stRspr, sowie BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom - 2 BvE 1/17 -, Rn. 22 f. und - 2 BvB 1/19 -, Rn. 24 f. jeweils Richter Müller; Beschluss des Ersten Senats vom - 1 BvR 781/21 -, Rn. 24). Über offensichtlich unzulässige Befangenheitsgesuche entscheidet im Falle des § 93d Abs. 2 Satz 1 BVerfGG die Kammer in ihrer originären Besetzung (vgl. BVerfGE 11, 1 <3>; 131, 239 <252 f.>; BVerfGK 8, 59 <60>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 30/19 -, Rn. 1).

42. Danach ist das hier gestellte Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig.

5a) Soweit es sich gegen den Präsidenten Harbarth und die Richterinnen und Richter Paulus, Britz, Christ und Härtel richtet, ist das Gesuch offensichtlich unzulässig, weil diese der hier zuständigen 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht angehören.

6b) Das Vorbringen zum Ablehnungsgesuch gegen die Richterinnen Baer und Ott und den Richter Radtke ist gänzlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

7Soweit die Beschwerdeführerin die Sorge äußert, nicht an einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren teilnehmen zu können, weil es die Mitglieder des Senats gewesen seien, die eine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung eines anderen Verfahrens auf geimpfte und genesene Personen beschränkt haben, die zusätzlich einen negativen Corona PCR-Test beizubringen hatten, ergibt sich aus diesem Vortrag weder ein konkreter Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zum Verfahren der Beschwerdeführerin noch zu einer etwaigen in der Zukunft liegenden mündlichen Verhandlung unter den dann gegebenen Umständen der Pandemie. Die Durchführung der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen mündlichen Verhandlung des Ersten Senats am im Verfahren 1 BvR 1619/17 beruhte auf einer Anordnung des Vorsitzenden nach Maßgabe seiner sitzungspolizeilichen Befugnis aus § 17 BVerfGG in Verbindung mit § 176 GVG sowie des Hausrechts.

8Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, dass die Mitglieder der Kammer wegen der für eine mündliche Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts angeordneten Hygiene- und Abstandsregeln inhaltlich festgelegt sei, weil Gegenstand ihrer Verfassungsbeschwerde eine Regelung sei, nach der die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs unter infektionsschutzrechtlich bestimmten Bedingungen steht, liegt die Annahme der Befangenheit daher ebenfalls fern.

93. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist. Hinsichtlich der angegriffenen Regelungen in § 28b Abs. 5 Sätze 3, 5 und 6 IfSG zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, von den Regelungen betroffen zu sein. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Anforderungen an die Begründung.

10Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

11Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220120.1bvr260421

Fundstelle(n):
BAAAI-04183