BSG Beschluss v. - B 14 AS 250/21 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Begründungsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten - Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze - Übermittlung per Telefax - Überprüfung des Sendeprotokolls

Gesetze: § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 2 SGG, § 67 Abs 1 SGG

Instanzenzug: Sozialgericht für das Saarland Az: S 21 AS 834/17 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht für das Saarland Az: L 4 AS 54/18 Urteil

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die nach PKH-Bewilligung durch den Senat fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht innerhalb der bis verlängerten Frist zu ihrer Begründung (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG) begründet worden. Vielmehr ist die Begründung erst am am BSG eingegangen.

2Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind nicht erfüllt. Der Kläger versäumte die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht schuldlos. Die Wahrung dieser Frist ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Bundessozialgerichts (§ 160a Abs 4 iVm § 169 Satz 2 SGG) und im Fall ihrer Säumnis die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

3Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl 9b RU 8/86 - BSGE 61, 213 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; - SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; - SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; - SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).

4Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führt zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags aus, er habe die Beschwerdebegründung vollständig diktiert und sein Personal angewiesen gehabt, diese am an das BSG per Telefax zu übermitteln. Er selbst habe sich in der Woche des Fristablaufs krankheitsbedingt nur zeitweise in der Kanzlei aufgehalten. Die Angestellte, die mit der Fristüberwachung beauftragt sei, habe sich am 12. und jeweils bis 13 Uhr in der Kanzlei aufgehalten. Einer anderen Mitarbeiterin sei am nachmittags aufgefallen, dass die Begründung noch nicht gefaxt gewesen sei. Diese Mitarbeiterin habe den Faxversand noch am um 17:41 Uhr erledigt und ihm dies mitgeteilt. Nach krankheitsbedingter Rückkehr einer weiteren Mitarbeiterin sei die Begründung am (erneut) an das BSG gefaxt worden. Erst durch das Schreiben des Gerichts vom , wonach die am eingegangene Begründung nicht fristgerecht sei, habe man bemerkt, dass das am gefaxte Dokument durch einen Zahlendreher in der Vorwahl nicht an das BSG gesandt worden sei. Es handle sich um eine unglückliche Verkettung von Umständen bei ansonsten äußerst sorgfältiger Handhabung von Fristen.

5Dieser Vortrag vermag die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung jedoch nicht zu entschuldigen. Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax - wie hier - anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl nur ; ; ; ; ). Solche Vorkehrungen getroffen zu haben, trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht vor; sie ergeben sich angesichts der - erneut - gefaxten Beschwerdebegründung am auch nicht aus den konkreten Umständen. Dass sich der Rechtsanwalt in dieser Zeit krankheitsbedingt nur zeitweise in der Kanzlei aufgehalten hat und auch Mitarbeiterinnen zumindest zeitweise erkrankt waren, ist für die Frage der ordnungsgemäßen Organisation der Fristenkontrolle insoweit ohne Bedeutung, zumal der Rechtsanwalt vorgetragen hat, die für die Fristenkontrolle zuständige Angestellte sei am 12. und bis 13 Uhr in der Kanzlei gewesen.

6Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:091221BB14AS25021B0

Fundstelle(n):
XAAAI-03798