Sozialgerichtliches Verfahren - Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialgerichts bei streitiger Zuständigkeit - Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses - fehlerhafte Gesetzesauslegung
Gesetze: § 58 Abs 1 Nr 4 SGG, § 98 S 1 SGG, § 98 S 2 SGG, § 17a Abs 2 GVG
Instanzenzug: Az: S 10 R 4064/16 Beschluss
Gründe
1I. Im Streit ist, ob die Klägerin, die im Bezirk des SG Mainz wohnt, ihre Tätigkeit in einem Pflege- und Behindertenheim (Träger C GmbH & Co KG mit Sitz in U) im Jahr 2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat. Gegen den entsprechenden Feststellungsbescheid der Beklagten hat die Klägerin vor dem SG Ulm Klage erhoben, welches sich nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und unter Hinweis auf den Wohnsitz der Klägerin den Rechtsstreit an das SG Mainz verwiesen hat (Beschluss vom ). Das SG Mainz hat sich ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und - ohne seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen - den Rechtsstreit wiederum an das SG Ulm zurückverwiesen (Beschluss vom ). Das SG Ulm hat den Rechtsstreit ausgesetzt und dem BSG zur Bestimmung des örtlich zuständigen SG vorgelegt (Beschluss vom ). Das SG Mainz habe die Bindungswirkung des Beschlusses vom zu beachten, sodass eine erneute Verweisung an das SG Ulm nicht in Betracht komme.
2II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen vor. Danach wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Sowohl das SG Ulm als auch das SG Mainz haben sich jeweils iS des § 58 Abs 1 Nr 4 SGG für unzuständig erklärt.
3Zum zuständigen Gericht ist das SG Mainz zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des gebunden ist. Gemäß § 98 S 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG ( - Juris RdNr 5).
4Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise nur dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf der Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht (vgl nur - SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff; - mwN). Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor. Auch wenn sich der Verweisungsbeschluss des SG Ulm wegen § 57 Abs 7 SGG, der durch das 5. SGB IV-ÄndG vom (BGBl I 583) eingefügt wurde und am in Kraft getreten ist, als rechtswidrig darstellen dürfte, ist er nach § 98 S 2 SGG verbindlich. Als willkürlich - und damit unbeachtlich - kann ein Richterspruch nur dann angesehen werden, wenn er unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl - Juris RdNr 17). Eine fehlerhafte Gesetzesauslegung, die hier ihre Ursache darin hat, dass eine neue Sonderregelung übersehen und deshalb § 57 Abs 1 SGG als allgemeine Regelung zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit herangezogen wurde, macht den Beschluss des SG Ulm nicht willkürlich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2017:050117BB4SF4016S0
Fundstelle(n):
VAAAI-03417