BGH Beschluss v. - 4 StR 262/21

Strafverfahren: Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung in den Urteilsgründen

Gesetze: § 260 StPO, § 261 StPO

Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 1 Ks 5320 Js 26180/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Totschlags sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Schuldspruch wegen Totschlags kann nicht bestehen bleiben, weil die Darstellung der Ergebnisse der gutachterlichen Auswertung der am Tatort gesicherten DNA-Spuren den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung nicht genügt.

3a) Stützt das Tatgericht seine Überzeugung auf indizielle Beweisergebnisse, müssen die dafür maßgeblichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte in den Urteilsgründen so mitgeteilt werden, dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist (vgl. , StV 2021, 797). Für die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung gilt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es aus sachlich-rechtlichen Gründen in Fällen, in denen sich die Untersuchung auf eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung bezieht, regelmäßig genügt, wenn das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird (vgl. Rn. 9; Beschluss vom ‒ 4 StR 318/19, NJW 2020, 350; Urteil vom – 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427, 428; Beschluss vom – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189). Gleiches gilt für Misch-Spuren mit eindeutiger Hauptkomponente (vgl. ‒ 4 StR 46/21 Rn. 10; Beschlüsse vom – 6 StR 211/20 Rn. 4 und 6 StR 183/20 Rn. 2). Eine Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form genügt jedoch nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 191; vom ‒ 5 StR 362/18, StV 2019, 331; vom ‒ 2 StR 341/19; vom – 2 StR 325/20 Rn. 6).

4b) Gemessen hieran halten die tatgerichtlichen Beweiserwägungen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten unter anderem auf DNA-Spuren an einer im Badezimmer der (Tatort-) Wohnung aufgefundenen Sporthose mit Blutantragungen sowie auf „blutangetragene Socken“ gestützt und ausgeführt, dass am inneren Hosenbund und an den Taschen der Sporthose DNA-Spuren gesichert wurden, die „zweifelsfrei dem Angeklagten“ zuzuordnen seien; gleiches gelte für die Socken, an deren Innenbereich „DNA des Angeklagten“ festgestellt worden seien. Diese Wiedergabe des Ergebnisses des DNA-Vergleichsgutachtens genügt den – geringen – sachlich-rechtlichen Darlegungsanforderungen nicht. Zwar entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch, dass es sich um Einzelspuren handelt. Es fehlt jedoch an der erforderlichen Wiedergabe des Ergebnisses des DNA-Vergleichsgutachtens in Form einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form.

5c) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tatbegehung bestreitenden Angeklagten auf eine Reihe weiterer Indizien gestützt. Der Spurenlage an Hose und Socken, an deren Außenseite sich Blutantragungen des Tatopfers befanden, hat das Landgericht jedoch bei seiner Überzeugungsbildung maßgebliches Gewicht („stärkste Beweiswirkung“) beigemessen. Unter diesen Vorzeichen kann ein Beruhen des Urteils auf dem Darlegungsmangel nicht ausgeschlossen werden.

62. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:091121B4STR262.21.0

Fundstelle(n):
OAAAI-03386