Einkommensteuer | Steuerfreie Zuschläge für tatsächlich an Sonn-, Feiertagen oder zur Nachtzeit geleistete Arbeit (BFH)
Tatsächlich geleistete Sonntags-,
Feiertags- oder Nachtarbeit ist jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im
Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen
Anspruch auf Grundlohn hat. Die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit
nach dem
Arbeitszeitgesetz ist ohne
Bedeutung. Ebenso wenig verlangt
§ 3b EStG
eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit des Arbeitnehmers.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer eine
grundlohnbewehrte Tätigkeit tatsächlich zu den begünstigten Zeiten ausübt
(; veröffentlicht am
).
Hintergrund: Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Grundlohn ist nach § 3b Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen); er ist in einen Stundenlohn umzurechnen (, BStBl II 2021, 936, m.w.N.).
Sachverhalt: Streitig ist, ob im Zusammenhang mit Hin- und Rückfahrten zu Auswärtsspielen an Profisportler und Mannschaftsbetreuer geleistete Zahlungen vollumfänglich als steuerfreie Zuschläge i.S. des § 3b Abs. 1 EStG zu behandeln sind: Die Klägerin ist eine Profi-Sportmannschaft. Die bei ihr angestellten Spieler und Betreuer sind arbeitsvertraglich verpflichtet, zu auswärts stattfindenden Terminen im Mannschaftsbus anzureisen. Eine individuelle Anreise ist nicht erlaubt. Die Klägerin zahlte ihren Arbeitnehmern Zuschläge zu Sonntags-, Feiertags- und Nacharbeit steuerfrei aus.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Lohnzuschlag für das rein passive Verhalten der Arbeitnehmer während der Fahrt im Mannschaftsbus steuerpflichtig sei. Die Beförderungszeiten seien nicht mit einer belastenden Tätigkeit der Arbeitnehmer verbunden. Die Klägerin wurde zur Nachzahlung von Lohnsteuer aufgefordert. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: , s. hierzu Paus sowie unsere Online-Nachricht v. 9.9.2019).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ist jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen Anspruch auf Grundlohn hat.
Die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz ist für die Auslegung des Begriffs der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG ohne Bedeutung. Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts schließt es nicht aus, die zu diesen Zeiten vom Arbeitnehmer de facto erbrachten Arbeitsleistungen als tatsächlich geleistete Sonntags , Feiertags oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG zu qualifizieren.
Eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit des Arbeitnehmers verlangt § 3b EStG für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen nicht.
Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer eine grundlohnbewehrte Tätigkeit tatsächlich zu den begünstigten Zeiten ausübt.
Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:
Die Erkenntnis des BFH, dass § 3b EStG für die Steuerfreiheit von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen keine konkret (individuell) belastende Tätigkeit des Arbeitnehmers verlangt, kann nicht überraschen. Verwundern könnte eher der Umstand, dass das FA den vorliegenden Rechtsstreit geführt hat. Denn eine Unterscheidung danach, ob eine Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm "leicht von der Hand" geht, ist weder von den Finanzbehörden verlässlich und belastbar zu handhaben noch justiziabel.
Der Gesetzgeber schöpft den steuerlichen Entlastungsgrund - den Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen (Störung des biologischen und kulturellen Lebensrhythmus) der mit Sonntags , Feiertags oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten - aus gutem Grund deshalb abstrakt-generell und typisierend aus dem Umstand, dass der Dienst zu den in § 3b EStG genannten Zeiten geleistet und dies als in besonderer Weise belastend erachtet wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, dass eine grundlohnbewehrte Tätigkeit zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird.
Ein Ende der Rechtsstreitigkeiten betreffend § 3b EStG geht mit der Besprechungsentscheidung gleichwohl nicht einher. So ist z.B. zur Frage, ob und in welcher Höhe der Grundlohn bei Berechnung der Zuschläge anzusetzen, insbesondere ob Beiträge des Arbeitgebers (Entgeltumwandlung) an eine Unterstützungskasse, die den Arbeitnehmern keinen Rechtsanspruch auf Versorgung gegen die Versorgungseinrichtung einräumt, mangels Zuflusses hierbei einzubeziehen ist, ebenfalls ein Revisionsverfahren anhängig (VI R 11/21). Hierzu hat das vorgehend entschieden, dass
sich der Begriff des laufenden Arbeitslohns in § 3b Abs. 2 EStG nicht nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitsentgelt, sondern nach dem einkommensteuerrechtlich entscheidenden, tatsächlich zugeflossenen Entgelt richtet,
Beiträge des Arbeitgebers an eine zugunsten der Arbeitnehmer errichtete Unterstützungskasse, die den Arbeitnehmern keinen Rechtsanspruch auf Versorgung gegen die Versorgungseinrichtung einräumt, mangels Zufluss keinen laufenden Arbeitslohn der jeweiligen Arbeitnehmer i.S.d. § 3b Abs. 2 EStG darstellen,
in Fällen, in denen der Arbeitnehmer durch Beitragsleistungen in eine betriebliche Altersversorgung einen unbedingten und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen die Versorgungseinrichtung erwirbt, bereits mit der Beitragszahlung eine Bereicherung des Arbeitnehmers im Sinne einer Vermögensmehrung und dementsprechend auch ein Zufluss von Arbeitslohn angenommen werden kann.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
QAAAI-03342