BVerwG Beschluss v. - 8 B 62/20

Begrenzung der EEG-Umlage für das Jahr 2015

Gesetze: Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 64 Abs 1 Nr 1 EEG 2014, § 108 Abs 2 VwGO, § 101 Abs 1 VwGO, § 130a VwGO

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 6 A 2549/19 Beschlussvorgehend VG Frankfurt Az: 5 K 4466/17.F Urteil

Gründe

1Die Klägerin begehrt die Begrenzung der EEG-Umlage für das Jahr 2015 am "T. P.". Die Beklagte lehnte den darauf gerichteten Antrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die EEG-Umlage antragsgemäß zu begrenzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die Revision gegen seinen Beschluss hat er nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

2Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

31. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

4Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen,

Setzt eine Begrenzung der EEG-Umlage nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 voraus, dass die antragsgegenständliche Abnahmestelle einer Branche nach der Anlage 4 zum EEG 2014 zuzuordnen ist, oder kommt es - mit dem Wortlaut der Norm - auf die Branchenzuordnung des Unternehmens bzw. des selbstständigen Unternehmensteils an der Abnahmestelle an,

sowie,

Hat die Art und Weise der Branchenzuordnung von Unternehmenstätigkeiten an der Abnahmestelle gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 i.V.m. der Anlage 4 zum EEG 2014 dergestalt zu erfolgen, dass ausschließlich bzw. isoliert die Tätigkeit an der Abnahmestelle zu betrachten ist, oder muss - entsprechend der Vorgaben der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008 (im Folgenden: WZ 2008), sowie entsprechend der Vorgaben der Verordnung (EWG) Nr. 696/93 - die Tätigkeit des Unternehmens bzw. des selbstständigen Unternehmensteils an der Abnahmestelle in ihrem Gesamtkontext betrachtet werden,

bedürfen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lassen sich anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsregeln und der vorhandenen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres beantworten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 verlange auch an der Abnahmestelle eine Branchenzugehörigkeit des Unternehmens nach der Anlage 4, steht mit Bundesrecht im Einklang.

5Gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 erfolgt bei einem Unternehmen, das einer Branche nach Anlage 4 zuzuordnen ist, die Begrenzung der EEG-Umlage unter anderem nur, soweit es nachweist, dass und inwieweit die selbst verbrauchte Strommenge an einer Abnahmestelle, an der das Unternehmen einer Branche nach Anlage 4 zuzuordnen ist, mehr als 1 Gigawattstunde betragen hat. Schon der Wortlaut der Norm unterscheidet daher zwischen dem zuzuordnenden Unternehmen selbst und seiner Abnahmestelle, an der das Unternehmen ebenfalls der Branche zuzuordnen ist.

6In systematischer Hinsicht wird die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs dadurch bestätigt, dass § 64 Abs. 2 EEG 2014 die Regelungen der Begrenzung der EEG-Umlage im Einzelnen ebenfalls bezogen auf die jeweilige Abnahmestelle trifft, an der das Unternehmen einer Branche nach Anlage 4 zuzuordnen ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 mit dem Verweis auf die in Anlage 4 bezeichneten Branchen Bezug auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2008 (WZ 2008) nimmt, deren Anwendung bei der Beurteilung einer Unternehmenstätigkeit zugrunde zu legen ist. Dabei sind die für alle Abschnitte der WZ 2008 geltenden Vorbemerkungen zu berücksichtigen (vgl. 8 C 1.18 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 7 Rn. 11 f.). Danach richtet sich die Branchenzuordnung einer statistischen Einheit nach der von ihr ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. WZ 2008, S. 9). Maßgeblich für das Bestehen eines Begrenzungsanspruchs nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 ist daher nicht nur die Branchenzuordnung des Unternehmens, sondern auch, ob gerade seine Tätigkeit an der beantragten Abnahmestelle einer Branche der Anlage 4 zugeordnet werden kann.

7Anderes folgt auch nicht aus der Anlage zu der Verordnung (EWG) Nr. 696/93, Abschnitt IV, Ergänzende Erläuterungen B. Nr. 3 und 7. Diese Ausführungen befassen sich mit der Klassifikation von Hilfstätigkeiten. Ihnen lassen sich entgegen der von der Klägerin in der zweiten Frage formulierten Alternative keine Anhaltspunkte zugunsten der von ihr für richtig gehaltenen Betrachtung der Tätigkeit an der Abnahmestelle im "Gesamtkontext" entnehmen, weil § 64 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2014 nicht an die Unterscheidung zwischen Haupt- und Hilfstätigkeiten anknüpft.

8Das Normverständnis des Verwaltungsgerichtshofs entspricht schließlich dem sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Anknüpfung an die Branchenzuordnung des Unternehmens an der Abnahmestelle bringt das gesetzgeberische Anliegen zum Ausdruck, die Begrenzung der EEG-Umlage zielgenau für diejenigen Bereiche des Unternehmens zu gewähren, in denen Aktivitäten stattfinden, die im internationalen Wettbewerb stehen (vgl. BT-Drs. 18/1891 S. 209). Eine derartige Bereichsgenauigkeit innerhalb der Unternehmenstätigkeit wird nur durch eine Branchenzuordnung auch und gerade der Tätigkeit an der Abnahmestelle gewährleistet.

92. Die Revision ist nicht wegen einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerin benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hätte. Die Beschwerde entnimmt dem 8 C 1.18 - (Buchholz 451.178 EEG Nr. 7) sinngemäß den Rechtssatz, dass bei der Branchenzuordnung im Zusammenhang mit der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG auch die für alle Abschnitte geltenden Vorbemerkungen der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 berücksichtigt werden müssten. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr hat er ausdrücklich auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 einschließlich ihrer Vorbemerkungen Bezug genommen und diese bei der Auslegung des § 64 EEG 2014 berücksichtigt (BA S. 8). Die Klägerin beanstandet lediglich eine vermeintlich unzureichende und fehlerhafte Anwendung eines vom Senat aufgestellten Rechtssatzes im konkreten Einzelfall, auf die die Zulassung der Revision nicht gestützt werden kann. Auf die von der Klägerin angesprochene weitere Frage, ob eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO angenommen werden könnte, obwohl der im aufgestellte Rechtssatz § 3 Nr. 14 EEG 2012 und damit eine andere als die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs herangezogene Rechtsnorm betrifft, kommt es daher nicht an.

103. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

11a) Der Verwaltungsgerichtshof hat dadurch, dass er über die Berufung gemäß § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, weder das Mündlichkeitsprinzip des § 101 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt. Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ob das Berufungsgericht eine Entscheidung im Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO trifft, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dieses Ermessen ist revisionsgerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen vorgelegen haben ( 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213>; Beschlüsse vom - 6 B 151.18 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 435 Rn. 15 und vom - 1 B 57.19, 1 PKH 29.19 - juris Rn. 6; Urteil vom - 8 C 5.18 - Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 28 Rn. 14). Die Grenzen des § 130a VwGO sind erreicht, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten aufweist; abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles (BVerwG, Beschlüsse vom - 6 B 151.18 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 435 Rn. 16 und vom - 1 B 57.19, 1 PKH 29.19 - juris Rn. 7).

12Nach diesem Maßstab hat der Verwaltungsgerichtshof die Grenzen seines Ermessens nicht verletzt. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt war unstreitig und warf keine Rechtsfragen von außergewöhnlicher Schwierigkeit auf. Die relevanten Rechtsfragen wurden im Urteil des Verwaltungsgerichts sowie in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs über die Zulassung der Berufung angesprochen und von den Beteiligten schriftsätzlich erörtert. Der Umfang des erstinstanzlichen Urteils von 18 Seiten, die unterbliebene Übertragung auf den Einzelrichter sowie die wirtschaftliche Bedeutung der Rechtssache für die Klägerin rechtfertigen weder für sich genommen noch in der Gesamtbetrachtung den Schluss auf außergewöhnliche Schwierigkeiten der Rechtssache im vorgenannten Sinn. Auch die Anwendung der Rechtsvorschriften über die Besondere Ausgleichsregelung unter Berücksichtigung der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 und der Verordnung (EWG) Nr. 696/93 weist keine über das gewöhnliche Maß hinausgehende rechtliche Komplexität auf, die eine mündliche Verhandlung geboten erscheinen ließe. Dass das Berufungsgericht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beigemessen hat, ist keine grobe Fehleinschätzung. Schließlich bedurfte es in dem angegriffenen Beschluss keiner ausdrücklichen Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die die Klägerin in ihrer Stellungnahme im Anhörungsverfahren gegen eine Entscheidung im Beschlusswege vorgebracht hat. Darin liegt auch kein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör.

13b) Der Verwaltungsgerichtshof hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch im Übrigen nicht verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Diese Rüge erfordert die substantiierte Darlegung, welcher nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz entscheidungserhebliche Vortrag von dieser nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt wurde. Das Vorbringen der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe als wesentlichen Problemkreis die Frage übersehen, ob das "T. P." eine eigene Abnahmestelle im Sinne des § 64 Abs. 6 Nr. 1 EEG 2014 darstelle oder Teil einer größeren Abnahmestelle sei, genügt dafür nicht. Der Sache nach beanstandet die Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe ihre Ausführungen zur Pipeline-Verbindung zwischen dem "T. P." und der Produktionsstätte Pf. nicht ausreichend gewürdigt. Dabei übersieht sie, dass der Verwaltungsgerichtshof die Existenz der Pipeline ausweislich der Gründe I. des angegriffenen Beschlusses zur Kenntnis genommen und den funktionalen Zusammenhang zwischen dem Tanklager und der Produktionsstätte Pf. materiell-rechtlich gewürdigt hat - wenn auch nicht in der von der Klägerin für richtig gehaltenen Weise. Er hat das Argument, in P. würden nur Hilfstätigkeiten betrieben, und die daraus von der Klägerin gezogene Schlussfolgerung, für die statistische Einordnung sei auf die Tätigkeit in Pf. abzustellen, geprüft und zurückgewiesen.

14Nur auf das weitere Argument der Klägerin, wegen der Pipeline sei das "T. P." keine Abnahmestelle, sondern nur Teil einer "größeren", nämlich überörtlichen, die Produktionsstätte Pf. einschließenden Abnahmestelle, geht die Berufungsentscheidung nicht ausdrücklich ein. Die Klägerin hat jedoch nicht dargelegt, inwieweit dieser angeblich übergangene Vortrag aus der materiell-rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs entscheidungserheblich war. Dazu hätte sie aufzeigen müssen, dass der Verwaltungsgerichtshof es zumindest für vertretbar hielt, den Begriff der Abnahmestelle gemäß § 64 Abs. 6 Nr. 1 EEG 2014 nicht nur im Sinne einer örtlichen betrieblichen Einheit auszulegen, sondern auch auf "größere", mehrere Orte und Betriebsteile übergreifende Gebilde zu erstrecken. Dies darzutun war umso nötiger, als der Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen "örtlichen" und "überörtlichen" Abnahmestellen bietet. Schließlich und unabhängig davon hätte die Klägerin darlegen müssen, dass ihr der verfahrensgegenständliche Anspruch nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs auch dann zuerkannt werden könnte, wenn das "T. P." keine Abnahmestelle wäre. Dies scheitert schon daran, dass der verfahrensgegenständliche Begrenzungsantrag nach den insoweit ungerügten Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nur für die Abnahmestelle "T. P." - und nicht für eine überörtliche Abnahmestelle P./Pf. - gestellt wurde.

15Ebenso wenig führt die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe sich mit ihrer Argumentation zur Verordnung (EWG) Nr. 696/93 nicht befasst, auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nicht, auf jeden Aspekt des Vorbringens der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich einzugehen. Nur wenn es auf einen nach seiner eigenen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zentralen Punkt nicht eingeht, spricht dies für ein Übergehen des betreffenden Vorbringens. Die Klägerin legt indessen schon nicht dar, inwiefern ihre Argumentation zur Verordnung (EWG) Nr. 696/93 nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs für den angegriffenen Beschluss erheblich gewesen sein sollte.

16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2021:180621B8B62.20.0

Fundstelle(n):
QAAAI-03329