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Online-Nachricht - Donnerstag, 20.01.2022

Einkommensteuer | Fristbeginn bei einem privaten Veräußerungsgeschäft im Fall der Selbstbenennung aufgrund eines befristeten Benennungsrechts (BFH)

Ist der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Erwerberbenennungsrecht ausgestattet, kommt es zur Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Selbstbenennung (Selbsteintritt), selbst wenn der Benennungsberechtigte das Grundstück mit dem späteren Fristablauf ohnehin "automatisch" (Annahmefiktion) erworben hätte (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden (vgl. , BStBl II 2014, 826, Rz 29 und v. - IX R 23/13, BStBl II 2015, 487, Rz 20, s. hierzu Trossen, ).

Sachverhalt: Streitig ist der Fristbeginn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, wenn der Grundstückskaufvertrag mit einem befristeten Benennungsrecht ausgestattet ist und der Steuerpflichtige sich vor Ablauf der Benennungsfrist selbst als Käufer benennt: Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin schloss am einen notariellen Grundstückskaufvertrag, an dem das Bundesland X als "Veräußerer", die Klägerin als "Benenner", Herr … (E) als "Erwerber" und zwei "weitere Beteiligte" beteiligt waren. Danach verkauft das Bundesland X Grundstücksteilflächen an sechs Erwerber, und zwar an E und fünf weitere noch zu benennende Erwerber. Diese erwerben jeweils einen bestimmten Miteigentumsanteil am Grundstück, haben einen Teil des Grundstückskaufpreises zu tragen und verpflichten sich zur Begründung von Wohnungseigentum sowie zur Errichtung von Einfamilienreihenhäusern. § 2 des Grundstückskaufvertrags enthält folgende Regelung:

"Die Benennung hat bis zum [sic!] zu erfolgen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist gilt der Benenner als Erwerber der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benannten Miteigentumsanteile."

Die Klägerin benannte am sich selbst und den Kläger für ein Reihenmittelhaus. Die notarielle Urkunde weist die Klägerin als "Benenner und Erwerber" und den Kläger als "Erwerber" aus. Den Kaufpreis in Höhe von 63.706,24 DM entrichteten die Kläger am .

Die Kläger nutzten das von ihnen gebaute Haus zur Erzielung von Vermietungseinkünften. Mit notariellem Vertrag vom veräußerten die Kläger das Objekt zum Kaufpreis von 190.000 €.

Das FA ging von einem privaten Veräußerungsgeschäft aus. Erst mit der Selbstbenennung am habe sich die Klägerin verbindlich zum Erwerb des Objekts verpflichtet. Der notarielle Vertrag vom habe dagegen nur eine bedingte Verpflichtung enthalten. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg ().

Der BFH dagegen hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab:

  • In dem Abschluss eines Käuferbenennungsvertrags noch keine Annahme des Kaufangebots zu sehen. Eine Bindung besteht zunächst nur für den Verkäufer (vgl. Staudinger/Schumacher (2018) zu § 311b BGB Rz 44).

  • Mit der Benennung eines Käufers kommt es zur Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot. Dementsprechend kommt der Kaufvertrag mit dem vom Benennungsberechtigten Benannten zustande, wenn dieser das Angebot annimmt. Vorliegend ist der Kaufvertrag durch die Annahme des Kaufangebots durch den Kläger ("Erwerber") zwischen dem Bundesland X und dem Kläger wirksam zustande gekommen.

  • Vor diesem Hintergrund hat aber auch die Klägerin das Kaufangebot des Bundeslandes X erst mit ihrer Benennung in der notariellen Urkunde am bindend angenommen. Durch die Selbstbenennung (Selbsteintritt) ist es zwar im Gegensatz zur Situation beim Kläger nicht zu einer Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot als Zwischengeschäft gekommen.

  • Erst durch den Selbsteintritt hat sie aber die erforderliche rechtsgeschäftliche Annahmeerklärung abgegeben und damit bindend zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot annehmen und das Grundstück erwerben wolle. Vorher fehlte es an der für die Fristbestimmung in § 23 EStG maßgebenden rechtlichen Bindungswirkung. Bis zur Selbstbenennung hätte sie sich durch die einseitige Benennung eines Dritten als Erwerber einseitig von dem Kaufvertrag lösen können. Die Motive der Klägerin für ihre Selbstbenennung sind unerheblich.

  • Dieses Ergebnis wird durch den Umstand bestätigt, dass der Kaufpreis (vertragsgemäß) erst am gezahlt worden ist. Dies verdeutlicht, dass die Beteiligten das Rechtsgeschäft erst weit nach dem Grundstückskaufvertrag vom , aber in zeitlicher Nähe zum Vertrag vom vollzogen haben.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Die Fristberechnung bei § 23 EStG sorgt immer wieder für Streitfälle in der Praxis. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt es auf die Bindungswirkung der schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte an. Dies gilt auch dann, wenn diese Verträge mit Bedingungen oder Befristungen versehen sind oder von dem Ergehen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung abhängig sind. An diesem Grundsatz hat der BFH in bisher ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. , v. - IX R 23/13 sowie v. – IX R 10/20) und bestätigt dies erneut mit der vorgenannten Entscheidung.

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die Verträge für die Vertragsparteien bindend geworden sind, sich also keine Seite mehr einseitig vom Vertrag lösen kann. Hier hatten sich Angebot und Annahme im Zeitpunkt der Selbstbenennung zum bindenden schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft verbunden, so dass der Zeitpunkt des Selbsteintritts den für § 23 EStG maßgeblichen Anschaffungszeitpunkt darstellt.

Der Umstand, dass das Benennungsrecht hier zeitlich befristet war und es bei Ablauf der Frist zu einem automatischen Selbsteintritt mittels Annahmefiktion kam, spielte keine Rolle. Der zivilrechtliche Vertragsschluss hatte sich bereits mit der Selbstbenennung verwirklicht. Auf die Frage eines Erwerbs mit Ablauf der Benennungsfrist kam es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
RAAAI-02267