Verfahrensrecht | Bedeutung von Betriebsvermögen für den Befreiungsanspruch gem. § 150 Abs. 8 AO (FG)
Bei der Prüfung, ob dem Steuerpflichtigen gem. § 150 Abs. 8 AO ein Anspruch auf Verzicht auf die Übermittlung von Steuererklärungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit zusteht, ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebes abzustellen, der die Übermittlungspflicht auslöst; dabei ist neben dessen Einkünften auch das Betriebsvermögen zu berücksichtigen (, rechtskräftig).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch hat, von der Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2019 befreit zu werden: Die Klägerin hatte die Unzumutbarkeit der elektronischen Übermittlung ihrer Erklärungen damit begründet, dass sie nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügte, um eine Übermittlung per Datenfernübertragung vorzunehmen. Die Anschaffung einer solchen Ausstattung sei ihr angesichts ihrer Ertragslage im Streitjahr (Verlustjahr ohne Umsätze), auf die es nach der BFH-Rechtsprechung allein ankomme, nicht zuzumuten.
Das beklagte Finanzamt hatte das Vorliegen einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zum einen deshalb verneint, weil er meinte, die Klägerin auf die Nutzung der mutmaßlich bei ihr nahestehenden Dritten vorhandenen Ausstattung verweisen zu können. Zum anderen vertrat er die Ansicht, dass auch die Vermögensverhältnisse der Klägerin zu berücksichtigen seien und es ihr angesichts ihres Barvermögens in Höhe von etwa 19.000 € durchaus zumutbar sei, die technischen Voraussetzungen für die Datenfernübertragung herzustellen.
Das Schleswig-Holsteinische FG gab der Klage statt:
Es ist allein auf die bei der Klägerin selbst vorhandene technische Ausstattung abzustellen. Die Klägerin muss sich die bei anderen Rechtssubjekten vorhandene Ausstattung nicht zurechnen lassen. Dies gilt auch für eine etwaige Ausstattung ihres Geschäftsführers.
Die Anschaffung der technischen Ausstattung durch die Klägerin ist dieser wirtschaftlich nicht zuzumuten. Zwar weist das Finanzamt zu Recht darauf hin, dass insofern nicht allein auf die Ertragslage der Klägerin abzustellen ist, sondern vielmehr auch ihre Vermögensverhältnisse in den Blick zu nehmen sind.
Allerdings müsste die Klägerin vorliegend bei zu erwartenden Aufwendungen in Höhe von 1.500 bis 2.000 € etwa 8 - 10 % ihrer gesamten Vermögenssubstanz einsetzen, um die erforderlichen technischen Voraussetzungen für eine Datenfernübertragung herzustellen. Damit ist die Zumutbarkeitsgrenze überschritten.
Die vom FG zugelassene Revision ist nicht eingelegt worden, die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter III-IV/2021 (il)
Fundstelle(n):
UAAAI-00954