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NWB-EV Nr. 1 vom Seite 27

Betriebsaufspaltung: Zurechnung der Anteile von Familienangehörigen

Beherrschung aufgrund Zurechnung von Stimmrechten Minderjähriger?

Dr. Rüdiger Werner

Der BFH hat sich in der jüngeren Vergangenheit intensiv mit der Betriebsaufspaltung auseinandergesetzt. So hat der erstmals entschieden, dass eine Betriebsaufspaltung auch dann möglich ist, wenn das Betriebsunternehmen Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland unterhält. Weitere Urteile beschäftigen sich mit der Frage, unter welchen Umständen im Betriebsvermögen gehaltene Grundsätze bei Nutzungsüberlassung an Dritte erbschaftsteuerlich begünstigt sind. Zwei jüngst ergangene Urteile des BFH setzen sich schließlich mit der für eine personelle Verflechtung relevanten Frage des Vorliegens eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens auseinander. Dies soll hier Anlass sein, sich nachfolgend mit den Voraussetzungen des Vorliegens eines solchen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens zu beschäftigen.

Kernaussagen
  • Die für die Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung von Besitz und Betriebsgesellschaft durch Beherrschungsidentität wird grundsätzlich dadurch vermittelt, dass die herrschende Person oder Personengruppe mindestens 51 % der Stimmrechte an beiden Gesellschaften hält. Treuhänderisch gehaltene Anteile sind nicht zu berücksichtigen.

  • Alternativ kann eine Beherrschungsidentität durch eine mittelbare sowie eine faktische Beherrschung beider Gesellschaften vermittelt werden.

  • Weiterhin kann Beherrschungsidentität dadurch vermittelt werden, dass der herrschenden Person die von minderjährigen Abkömmlingen gehaltenen Gesellschaftsanteile zugerechnet werden, für die die herrschende Person vermögenssorgeberechtigt ist. Dies gilt jedoch nicht im Fall der familiengerichtlichen Anordnung einer Ergänzungspflegschaft, da die Stimmrechte aus den von dem Minderjährigen gehaltenen Anteilen durch den Ergänzungspfleger ausgeübt werden.

I. Zivilrechtliche und steuerliche Bedeutung

Bei der Betriebsaufspaltung handelt es sich um ein von finanzgerichtlicher Rechtsprechung geschaffenes Rechtsinstitut. Der Begriff der Betriebsaufspaltung bezeichnet ein Gebilde, bei dem Funktionen, die normalerweise von einem einzelnen Unternehmen wahrgenommen werden, auf mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen aufgeteilt werden. Diese Aufteilung ist dadurch gekennzeichnet, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen für dessen Betrieb erforderliche Wirtschaftsgüter (wesentliche Betriebsgrundlagen) zur Nutzung überlässt (sogenannte sachliche Verflechtung) und Besitz- und Betriebsunternehmen einheitlich beherrscht werden (personelle Verflechtung). Aus steuerlicher Sicht hat das Vorliegen des Tatbestands der Betriebsaufspaltung zur Folge, dass das Besitzunternehmen keine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt, sondern zum Gewerbebetrieb wird.

Zivilrechtlich ist die Grundstruktur der Betriebsaufspaltung denkbar einfach: Ein Rechtsträger überlässt einem anderen Rechtsträger eines oder mehrere Wirtschaftsgüter zur Nutzung. Dieses einfache Konzept ist ursächlich dafür, dass die Betriebsaufspaltung das bei Familienunternehmen weitest verbreitete Unternehmenskonzept ist. Zivilrechtlich ist die Betriebsaufspaltung häufig haftungsrechtlich motiviert. Durch die Aufspaltung soll das wertvolle Anlagevermögen vor dem Zugriff der Gläubiger der Betriebskapitalgesellschaft geschützt werden. Steuerlich zielt die Betriebsaufspaltung darauf ab, die steuerlichen Vorteile einer Personengesellschaft mit denjenigen einer Kapitalgesellschaft so zu kombinieren, dass eine Personengesellschaft (Besitzunternehmen) das wesentliche Betriebsvermögen hält, wohingegen Herstellung und Vertrieb der Produkte einer gesellschafteridentischen GmbH (Betriebsgesellschaft) übertragen werden.

Aus steuerlicher Sicht hat die Betriebsaufspaltung stark an Bedeutung verloren, da sich in den meisten Konstellationen eine Alternative finden lässt, die eine geringere Gesamtsteuerbelastung zur Folge hat. Dazu kommt, dass der Begriff der Betriebsaufspaltung dogmatisch sehr unscharf ist, was für erhebliche Rechtsunsicherheit sorgt. Probleme entstehen vor S. 28allem, wenn die Betriebsaufspaltung unbeabsichtigt beendet wird, was zu einer Entstrickung der gewerblich vermieteten Wirtschaftsgüter bzw. der Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft führt, oder es unbeabsichtigt zur Begründung einer Betriebsaufspaltung kommt. In der erbschaftsteuerlichen Gestaltungsberatung kommt der Betriebsaufspaltung aufgrund von § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a ErbStG vor allem bei der Generierung von begünstigtem Betriebsvermögen Bedeutung zu.

Insoweit spielt vor allem die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung der Betriebsaufspaltung eine Rolle. Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine oder mehrere Personen Besitz- und Betriebsgesellschaft in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen in wesentlichen Fragen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen. Dies ist unproblematisch bei Beteiligungsidentität gegeben, wenn dieselben Personen im selben Verhältnis an beiden Unternehmen beteiligt sind. Ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille der hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden natürlichen Personen soll darüber hinaus jedoch auch in Fällen der Beherrschungsidentität bestehen, in denen dieselben Personen in unterschiedlichen Verhältnissen an Betriebs- und Besitzunternehmen beteiligt sind.

II. Grundsatz: Beherrschung durch Halten der Mehrheit der Stimmrechte

Eine personelle Verflechtung liegt in diesem Fall grundsätzlich vor, wenn der oder die Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage sind, ihren Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Werden die Gesellschafterbeschlüsse nach dem Gesellschaftsvertrag der Betriebsgesellschaft bzw. der Besitzgesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasst, dann reicht es für die Begründung aus, wenn der Betroffene an beiden Gesellschaften mindestens 51 % der Stimmrechte hält. Etwas anderes gilt, wenn die Gesellschaftsverträge höhere Beschlussquoren fordern. Dabei ist das Beschlussquorum wichtiger als die Beteiligungsquote.

Beteiligungsidentität soll weiterhin zu bejahen sein, wenn das Besitz- und Betriebsunternehmen nicht von einer einzelnen Person, sondern von einer Gruppe von Personen beherrscht wird. Die einzelnen Mitglieder dieser Gruppe können dabei im selben Verhältnis an Besitz- und Betriebsunternehmen beteiligt sein oder auch nicht. Erfüllt eine Personengruppe die geforderte Beherrschung in einer der beiden Gesellschaften nicht, kann durch eine Stimmrechtsvollmacht diese Beherrschung mit Übernahme der erhaltenen Stimmrechte erreicht werden.

Praxishinweis

Dabei wird grundsätzlich unterstellt, dass die Mitglieder der herrschenden Personengruppe durch gleichgerichtete Interessen verbunden sind. Diese Vermutung kann grundsätzlich widerlegt werden. Dies soll etwa der Fall sein, wenn die Beteiligungsverhältnisse zwischen den einzelnen Gesellschaftern stark differieren.

Eine Beherrschung ist ausgeschlossen, wenn der Gesellschaftsvertrag zumindest einer der beiden Unternehmen einstimmige Beschlüsse fordert, da dann eine Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens gegen einen Minderheitsgesellschafter ausgeschlossen ist. Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Regelung, wonach nur über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehende Beschlüsse einstimmig gefasst werden müssen, dann soll nach dem BFH eine personelle Verflechtung vorliegen, auch wenn der betroffene Gesellschafter nur über die einfache Mehrheit der Stimmrechte verfügt. Es soll entscheidend darauf ankommen, dass die alltäglichen Geschäfte durch einen beherrschenden Gesellschafter vorgenommen werden können.

Ob die Voraussetzungen der personellen Verflechtung vorliegen, ist anhand der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls festzustellen. Nicht in jedem Fall kann nämlich schon allein aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen auf das Vorliegen einer personellen Verflechtung geschlossen werden. Vielmehr soll auch beim nominellen Vorliegen einer Mehrheitsbeteiligung die Beherrschung durch den Mehrheitsgesellschafter verneint werden können. Eine solche Situation soll nach dem BFH bei einem treuhänderischen Halten der Beteiligung gegeben sein, da es die dem Treuhänder gegenüber dem Treugeber obliegende Treuepflicht gebiete, dass er in der Gesellschafterversammlung seine eigenen Interessen den Interessen des Treugebers unterordnet.

III. Mittelbare Beherrschung

1. BFH-Rechtsprechung zur Unterscheidung bei Besitz- und Betriebsunternehmen

Eine mittelbare Beherrschung liegt vor, wenn bei einer Mehrheitsbeteiligung an dem Besitz- oder Betriebsunternehmen eine weitere Gesellschaft zwischengeschaltet ist. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH zwischen einer mittelbaren Beteiligung bei einem Besitzunternehmen und bei einem S. 29Betriebsunternehmen streng zu unterscheiden. So soll nach dem BFH eine personelle Verflechtung ausgeschlossen sein, wenn die mittelbare Beteiligung an der Besitzpersonengesellschaft besteht.

So kam der BFH zu dem Schluss, dass eine mittelbare Beherrschung eines Gesellschafters über eine Kapitalgesellschaft an einer GbR für die personelle Verflechtung nicht ausreiche, da die Kapitalgesellschaft aufgrund des bei der GbR kraft Gesetzes geltenden Einstimmigkeitserfordernisses ihren Willen nicht durchsetzen könne.

2. Betriebsaufspaltung und minderjährige Kinder ()

a) Sachverhalt

Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein jüngst ergangenes Urteil des IV. Senats. Klägerin war die X-GmbH & Co. KG, deren Kommanditanteile von der A-Holding gehalten wurden, wobei diese in den Streitjahren zwischen 38,81 % und 48,43 % der Kommanditanteile auf eigene Rechnung, die übrigen treuhänderisch für andere hielt. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin war die B-GmbH, die am Kapital der Klägerin nicht beteiligt war. Alleinige Gesellschafterin der B-GmbH war wiederum die A-Holding. Die Geschäftsführung der Klägerin oblag ausschließlich der Komplementärin. Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgingen, bedurften der Zustimmung der einfachen Mehrheit – in besonderen Fällen einer qualifizierten Mehrheit – der Gesellschafter. Die Geschäftsführung der A-Holding und der B-GmbH war personell weitestgehend identisch.

Vermittelt durch eine 100%ige Beteiligung an der H-GmbH hielt die A-Holding zudem sämtliche Aktien an der X-AG, die wiederum alleinige Kommanditistin der M-GmbH & Co. KG war. Zwischen der A-Holding und H-GmbH sowie zwischen der H-GmbH und der X-AG bestanden Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Komplementärinnen der M-GmbH & Co. KG waren die S-GmbH, die Y-GmbH sowie die V-GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile wiederum von der X-AG gehalten wurden. Zwischen der X-AG und der S-GmbH bestand ebenfalls ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Klägerin vermietete der M-GmbH & Co. KG eine Immobilie. Der Mietvertrag wurde beginnend ab dem für die Dauer von 20 Jahren geschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit verlängerte sich die Mietdauer automatisch um jeweils fünf Jahre, wenn nicht zuvor eine der Vertragsparteien den Mietvertrag mit einer zwölfmonatigen Frist kündigte. Im Übrigen konnte die Klägerin den Mietvertrag bei Zahlungsrückständen von einer Monatsmiete oder Zahlungseinstellung kündigen.

In ihren Gewerbesteuererklärungen 2008 und 2009 nahm die Klägerin jeweils die erweiterte Kürzung bei einem Grundstücksunternehmen i. S. des § 9 Nr. 1 Sätze 1 und 3 GewStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung in Anspruch. Nach einer Außenprüfung versagte das Finanzamt die erweiterte Kürzung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund einer zwischen ihr und der M-GmbH & Co. KG bestehenden Betriebsaufspaltung gewerblich tätig wäre. Die A-Holding sei imstande, sowohl bei der Klägerin als auch bei der M-GmbH & Co. KG einen einheitlichen geschäftlichen Willen durchzusetzen, wodurch eine personelle Verflechtung dieser Gesellschaften begründet werde. Die Vermietung einer wesentlichen Betriebsgrundlage begründe zudem eine sachliche Verflechtung. Die X-GmbH & Co. KG als Kläger legte dagegen Klage beim FG Köln ein. Das FG Köln wies die Klage mit der Begründung ab, dass zwischen der Klägerin und der M-GmbH & Co. KG eine Betriebsaufspaltung vorliege. Auch eine personelle Verflechtung sei zu bejahen.

b) Entscheidung des BFH

Unter Berücksichtigung dessen kam der BFH im Streitfall zu dem Schluss, dass im konkreten Fall eine personelle Verflechtung nicht gegeben war. Zwar habe das Finanzgericht zu Recht bei der Beurteilung der personellen Verflechtung auch die mittelbare Beteiligung der A-Holding an der M-GmbH & Co. KG über eine Kapitalgesellschaft an der M-GmbH & Co. KG als Betriebsgesellschaft berücksichtigt. Ungeachtet der vom Finanzgericht bejahten Frage, ob bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung auch eine mittelbare Beteiligung der A-Holding über eine Kapitalgesellschaft an der Klägerin als Besitzgesellschaft berücksichtigt werden könnte, scheitere die Annahme einer personellen Verflechtung im konkreten Fall bereits daran, dass die A-Holding in den Streitjahren nicht in der für eine personelle Verflechtung erforderlichen Weise in der Lage war, ihren Willen in der M-GmbH & Co. KG als Besitzunternehmen auch durchzusetzen.

Die Beteiligten und ihnen folgend das Finanzgericht seien zu Recht zu dem Standpunkt gelangt, dass die A-Holding die M-GmbH & Co. KG als Betriebsgesellschaft mittelbar über ihre 100%ige Beteiligung an der H-GmbH, die wiederum zu 100 % beteiligt an der AG als alleinige Kommanditistin der M-GmbH & Co. KG sowie die in diesem Zusammenhang mit den Komplementärinnen der M-GmbH & Co. KG abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, beherrschen konnte.

Praxishinweis

Schon nach bisheriger Rechtsprechung des BFH, an der der Senat ausdrücklich festhielt, könne die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit unter der Voraussetzung der gleichzeitigen Beherrschung auch des Besitzunternehmens eine personelle Verflechtung begründet werden.

Im konkreten Fall wurde eine mittelbare Beherrschung jedoch verneint, weil die A-Holding einen Teil ihrer Stimmrechte lediglich treuhänderisch hielt.S. 30

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