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Prüfungsschwerpunkte der BaFin für 2022
Fehlervermeidungspotenzial in der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ihre Schwerpunkte für die in 2022 vorzunehmenden Prüfungen der Konzernabschlüsse für das Geschäftsjahr 2021 veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Prüfungsschwerpunkte unter Berücksichtigung der von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (European Securities and Markets Authority) veröffentlichten gemeinsamen europäischen Enforcement-Prioritäten soll zu einer Verbesserung der Finanzberichterstattung, einer Vermeidung von Fehlern und einer einheitlichen Anwendung der IFRS in Europa beitragen.
Kirsch, Lagebericht und Konzernlagebericht (HGB), infoCenter, NWB ZAAAC-45536
Im besonderen Fokus stehen Lieferkettenfinanzierungen (reverse factoring) hinsichtlich deren Darstellung in der Bilanz und der Kapitalflussrechnung sowie deren Auswirkungen im Anhang. Zudem ist auf eine transparente Darstellung von quantitativen und qualitativen Informationen zum Liquiditätsrisiko im Anhang zu achten.
Eine sorgfältige Beurteilung und transparente Darstellung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der Erholungsphase auf die finanzielle Performance, Cashflows und Vermögenswerte und Schulden der Unternehmen stehen zudem im Mittelpunkt der Prüfungsschwerpunkte.
Den Auswirkungen des Klimawandels ist bei der Bewertung von Vermögenswerten und damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Anhangangaben, z. B. zu wesentlichen Ermessensentscheidungen und Schätzungsunsicherheiten, sowie hinsichtlich des Einklangs von Konzernabschluss, Lagebericht und einer etwaigen getrennten nichtfinanziellen Berichterstattung eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
I. Hintergrund
Durch sog. Enforcement-Prüfungen von ausgewählten Konzern- bzw. Jahresabschlüssen sowie dazugehörigen Lageberichten nach bereits erfolgter Prüfung durch einen Abschlussprüfer und den Aufsichtsrat soll die Qualität der Rechnungslegung verbessert und das Vertrauen des Kapitalmarkts in die Richtigkeit der Abschlüsse gestärkt werden. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) wird mit Beginn des Jahres 2022 die bisherige Bilanzkontrolle reformiert. Das bisherige zweistufige Enforcement-Verfahren, mit der Prüfung auf einer 1. Stufe durch die privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR e. V. und auf einer 2. Stufe durch die mit hoheitlichen Mitteln ausgestattete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wird abgeschafft. Ab dem ist allein die BaFin für die Enforcement-Prüfungen von 531 Unternehmen verantwortlich, für die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren Deutschland der Herkunftsstaat ist (vgl. § 106 WpHG). Dazu hat die BaFin die Gruppe Bilanzkontrolle eingerichtet, die rund 60 Beschäftigte umfassen soll.
Die BaFin hat die Aufgabe zu prüfen, ob Abschlüsse und Berichte jeweils einschließlich der zugrunde liegenden Buchführung den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen (vgl. § 106 WpHG).
Von der BaFin werden Prüfungen bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften (Anlassprüfung), aber auch aus einer gezogenen Stichprobe (stichprobenartige Prüfung) angeordnet (vgl. § 107 Abs. 1 WpHG). Bei der Auswahl der Stichprobe wird sich die BaFin an der entsprechenden Leitlinie der ESMA orientieren. S. 13
Prüfungsgegenstand der BaFin sind folgende Abschlüsse und Berichte (vgl. § 106 WpHG):
festgestellte und offengelegte Jahresabschlüsse und zugehörige Lageberichte;
offengelegte IFRS-Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB und zugehörige Lageberichte;
gebilligte und offengelegte Konzernabschlüsse und zugehörige Konzernlageberichte;
veröffentlichte verkürzte Abschlüsse und zugehörige Zwischenlageberichte (Halbjahresfinanzberichterstattung) sowie
veröffentlichte Zahlungs- oder Konzernzahlungsberichte.
Veröffentlichte verkürzte Abschlüsse und zugehörige Zwischenlageberichte (Halbjahresfinanzberichterstattung) sowie veröffentlichte Zahlungs- oder Konzernzahlungsberichte unterliegen nicht der stichprobenartigen Prüfung (vgl. § 107 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG).
Zu den Aufgaben der ESMA gehört u. a. die Koordination der Tätigkeiten der nationalen Enforcement-Institutionen der EU. Damit soll eine Harmonisierung des Enforcements zur Vermeidung von Regulierungsarbitrage und eine einheitliche Anwendung der IFRS in der EU erreicht werden. Zur Harmonisierung werden im Rahmen von sog. European Enforcers Coordination Sessions (EECS) konkrete Fälle in anonymisierter Form besprochen. Auszüge ausgewählter einzelner Entscheidungen von nationalen Enforcern werden von der ESMA veröffentlicht.
Darüber hinaus erarbeitet die ESMA Stellungnahmen zu bestimmten Rechnungslegungsfragen. Abschlüsse bestimmter europäischer kapitalmarktorientierter Unternehmen werden von der ESMA hinsichtlich ausgewählter IFRS-Vorschriften in Zusammenarbeit mit den nationalen Enforcern durchgesehen. Die ESMA führt allerdings selbst keine konkreten Prüfungen durch. Dies ist den jeweiligen nationalen Enforcement-Institutionen vorbehalten.
Um Fehler in der Finanzberichterstattung zu vermeiden und um zu einer Verbesserung der Finanzberichterstattung und einheitlichen Anwendung der IFRS in Europa beizutragen, veröffentlicht die ESMA gemeinsame europäische Enforcement-Prioritäten. Diese werden in Zusammenarbeit mit den europäischen nationalen Enforcern festgelegt. Bei der Auswahl der Prüfungsschwerpunkte spielen die bisherigen Erfahrungen in Bezug auf Sachverhalte mit einer hohen Fehlerträchtigkeit, einer verbesserungswürdigen Berichterstattung, neu anzuwendenden Standards oder Risiken aus der aktuellen wirtschaftlichen Lage eine bedeutende Rolle.
Die Veröffentlichung der europäischen Enforcement-Prioritäten ist mit der Erwartungshaltung verbunden, dass diese bei der Abschlusserstellung von den Unternehmen und bei der Prüfung der Abschlüsse durch Aufsichtsräte und Abschlussprüfer beachtet werden. Im Nachgang führt die ESMA mit Unterstützung der nationalen Enforcer Analysen von Abschlüssen durch, um die Anwendung der IFRS hinsichtlich der veröffentlichten Enforcement-Schwerpunkte zu überprüfen und europaweit zu vergleichen.
Die gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkte können um nationale Prüfungsschwerpunkte ergänzt werden, wovon die BaFin Gebrauch macht.
II. Die Prüfungsschwerpunkte im Überblick
Im Oktober 2021 veröffentlichte die ESMA die gemeinsamen europäischen Enforcement-Prioritäten für 2022. Die diesjährigen Prüfungsschwerpunkte haben neben den IFRS-(Konzern-)Abschlüssen auch die nichtfinanzielle Berichterstattung und die Verwendung alternativer Leistungskennzahlen zum Gegenstand, die z. B. in Lageberichten erfolgt.
Bei den gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkten für 2022 handelt es sich in Bezug auf die IFRS-(Konzern-)Abschlüsse um folgende Schwerpunkte: