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Steuerliche Hinweise und Dispositionen zum Jahresende 2021 – Teil 1: Umgesetzte Steuergesetzgebungsvorhaben im Jahr 2021
Orientierungen, Planungen und Gestaltungen
Die Aufarbeitung steuerlicher Hinweise und Dispositionen zum Jahresende – seit Dekaden ein fester thematischer Bestandteil der NWB – war selten so stark geprägt durch umgesetzte Steuergesetzgebungsvorhaben wie im Jahr 2021. Der Gesetzgeber lief gegen Ende der 19. Legislaturperiode zu großer Form auf – zumindest im Hinblick auf die Quantität der Neuerungen. Dies resultierte nicht nur in für sich eigenständigen Regelungswerken wie dem KöMoG oder dem StAbwG, sondern auch in einer Vielzahl von Kodifikationen, die punktuelle, gleichviel für die Beratungspraxis bedeutsame Eingriffe in zahlreiche Einzelsteuergesetze und die AO mit sich brachten. Der nachfolgende Abschnitt I ist dem Konvolut dieser gesetzlichen Neuregelungen gewidmet, während im Abschnitt II ein Ausblick auf anstehende, weitere steuergesetzliche Änderungen unternommen wird. Allein – nicht nur der Steuergesetzgeber war aktiv, auch die beiden anderen Staatsgewalten ruhten nicht. In Abschnitt III werden Rechtsentwicklungen erörtert – durchaus angestoßen auch von der Judikative sowie der Exekutive –, aus denen sich Handlungs- und Umstellungsbedarf zum Jahresende ergeben kann. Der Beitrag schließt mit Checklisten für steuerliche Dispositionen in Abschnitt IV. In NWB 50/2021 folgt eine Darstellung hervorzuhebender Verwaltungsanweisungen sowie wesentlicher Judikate.
Die übrigen Teile dieses Aufsatzes finden Sie unter:
S. 3563
I. Umgesetzte Steuergesetzgebungsvorhaben im Jahr 2021
1. Drittes Corona-Steuerhilfegesetz
Das Dritte Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) ist am ausgefertigt worden (vgl. BGBl 2021 I S. 330). Es umschließt die folgenden steuerrechtlichen Regelungen (vgl. auch III, 1; Strecker, kösdi 2021 S. 22367):
a) Änderungen des Einkommensteuergesetzes
Für Verluste, die in den Veranlagungszeiträumen 2020 und 2021 erlitten werden, wurde die Möglichkeit des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 52 Abs. 18b EStG im Falle der Einzelveranlagung auf 10 Mio. € und im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten auf 20 Mio. € erhöht.
Mit § 66 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG ist festgelegt worden, dass für jedes Kind, für das für den Monat Mai 2021 ein Anspruch auf Kindergeld besteht, ein Einmalbetrag in Höhe von 150 € für den Monat Mai 2021 gezahlt wird. Der Anspruch besteht auch, wenn der Anspruch auf Kindergeld für das betroffene Kind zwar nicht für den Monat Mai 2021, jedoch für mindestens einen anderen Kalendermonat im Kalenderjahr 2021 gegeben ist.
Der in § 111 EStG kodifizierte vorläufige Verlustrücktrag ist in Abs. 9 für Verluste aus dem Jahre 2021 in das Jahr 2020 ausgedehnt worden. Darüber hinaus ist der vorläufige Verlustrücktrag auf Höchstbeträge von 10 Mio. € im Falle der Einzelveranlagung und 20 Mio. € im Falle der Zusammenveranlagung erhöht worden.
b) Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurationsleistungen (ohne Getränke) in § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG ist auf den Zeitraum bis zum einschließlich ausgedehnt worden (vgl. dazu Rondorf, NWB 12/2021 S. 826).
2. Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
Das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes v. (BGBl 2021 I S. 986) ist am in Kraft getreten. Es ist in erster Linie auf eine Ausweitung der grunderwerbsteuerbaren Tatbestände im Sinne S. 3564eines „Share-Deals“ gerichtet (vgl. dazu Wischott/Graessner, NWB 21/2021 S. 1519; Thiede, NWB-EV 6/2021 S. 204; Urbach, kösdi 2021 S. 22274). Zu den Übergangsregelungen aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes sind gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. (BStBl 2021 I S. 1006) ergangen. Das Gesetz hat primär zu folgenden Änderungen geführt:
Rechnet ein inländisches Grundstück zum Vermögen einer Personengesellschaft, wird Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG nunmehr dann ausgelöst, wenn sich innerhalb von zehn Jahren (bislang: fünf Jahren) der Gesellschafterbestand dergestalt ändert, dass mindestens 90 % (früher: 95 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. – Nach § 23 Abs. 19 GrEStG gilt als Altgesellschafter, wer am bereits fünf Jahre an der Personengesellschaft beteiligt war, so dass (eine weitere) Anteilsübertragung auf ihn hinsichtlich der Prüfung, ob es zu einem Gesellschafterwechsel im Umfang von 90 % kommt, nicht zu berücksichtigen ist. War ein Gesellschafter am aber noch nicht fünf Jahre lang an der Personengesellschaft beteiligt, verlängert sich der Betrachtungszeitraum für ihn auf zehn Jahre, so dass weitere Anteilserwerbe durch diesen Gesellschafter innerhalb der verlängerten Frist hinsichtlich der Prüfung, ob die 90 %-Grenze überschritten wird, zu berücksichtigen sind.
Für Kapitalgesellschaften mit inländischem Grundbesitz gilt, dass es gem. § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG nur zur Festsetzung von Grunderwerbsteuer kommt, wenn innerhalb von zehn Jahren (zuvor: fünf Jahren) mindestens 90 % der Anteile (früher: 95 % der Anteile) in der Hand eines Gesellschafters vereinigt werden. Darüber hinaus ist für grundstücksbesitzende Kapitalgesellschaften mit § 1 Abs. 2b GrEStG der Tatbestand neu eingeführt worden, dass es zur Festsetzung von Grunderwerbsteuer auch dann kommt, wenn innerhalb von zehn Jahren mindestens 90 % der Anteile an neue Gesellschafter übertragen werden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes bleiben dabei gem. § 23 Abs. 23 GrEStG Übergänge von Anteilen der Gesellschaft unberücksichtigt, die vor dem erfolgten. – Ausgenommen von dieser Regelung wird nach § 1 Abs. 2c GrEStG die Anteilsübertragung bei börsennotierten Kapitalgesellschaften.
Die Befreiungstatbestände mit Bezug auf Personengesellschaften in § 5 Abs. 3 GrEStG sowie § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GrEStG wurden eingeschränkt: Die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer nach Maßgabe der Beteiligungsquote eines Gesellschafters, der ein Grundstück auf die Personengesellschaft überträgt oder von der Personengesellschaft ein Grundstück erwirbt, setzt voraus, dass er bei Übertragung des Grundstücks mindestens zehn Jahre (zuvor: fünf Jahre) an der grundstückserwerbenden Personengesellschaft beteiligt bleibt. Wird das Grundstück von der Personengesellschaft auf den Gesellschafter übertragen, greift die Grunderwerbsteuerbefreiung nur, wenn der betreffende Gesellschafter im Zeitpunkt des Erwerbs mindestens zehn Jahre (bisher: fünf Jahre) an der Personengesellschaft beteiligt war.
3. Gesetz zur Verlängerung des erhöhten Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt
Das Gesetz zur Verlängerung des erhöhten Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt ist am ausgefertigt worden (BGBl 2021 I S. 989; s. dazu Hörster, NWB 24/2021 S. 1716).
Das Gesetz umschließt lediglich eine Neufassung von § 41a Abs. 4 EStG sowie der dazugehörigen Anwendungsregelung in § 52 Abs. 40a Sätze 3 und 4 EStG. Danach ist der 100 %ige Lohnsteuereinbehalt für Reeder um weitere 72 Monate verlängert worden. Der Reeder kann damit die Lohnsteuer vollständig einbehalten, statt sie an das Finanzamt abführen zu müssen. Voraussetzung dafür ist, dass die Besatzungsmitglieder auf einem Handelsschiff tätig sind, das in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen ist. Das betreffende Schiff muss allerdings nicht mehr – wie im Rahmen der Vorgängerregelung – die deutsche Flagge führen. Ausreichend ist vielmehr, dass es die Flagge eines Mitgliedstaats der EU oder eines EWR-Staats führt. – Die Anwendung des Gesetzes stand unter der Genehmigung der EU-Kommission, die am mit der Maßgabe erteilt wurde, dass an die Stelle der Eintragung in einem inländischen Seeschiffsregister die Eintragung in einem Seeschiffsregister eines Mitgliedstaats der EU oder eines EWR-Staats tritt (vgl. Bekanntmachung über die Anwendung des Gesetzes zur Verlängerung des erhöhten Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt [LStEVSeeSchGBek] v. , BGBl 2021 I S. 2247).
4. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG)
Das am verkündete Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG; BGBl S. 35652021 I S. 1259) ist ein klassisches Omnisbusgesetz, welches zahlreiche Regelungen trifft, die von seinem Titel nicht umschlossen sind (vgl. dazu Hörster, NWB 22/2021 S. 1586; ders., NWB 23/2021 S. 1652).
a) Änderungen des Einkommensteuergesetzes
In § 3 Nr. 11a EStG ist die Zahlungsfrist für die bis zur Höhe von 1.500 € steuerfreie Corona-Beihilfe bis zum verlängert worden, ohne dass damit eine nochmalige Gewährung des Freibetrags einhergeht. Dieser kann vielmehr im Zeitraum zwischen dem und nunmehr nur einmal ausgeschöpft werden.
Die Regelung der Tonnagebesteuerung in § 5a EStG ist in Abs. 4 Satz 5 dahingehend ergänzt worden, dass bei unentgeltlicher Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Teilwert, der zum Schluss des letzten Wirtschaftsjahres vor Anwendung der Tonnagebesteuerung in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen ist, auf den Rechtsnachfolger übergeht. Es handelt sich dabei um eine Nichtanwendungsgesetzgebung zugunsten der Steuerpflichtigen (vgl. entgegenstehend , NWB LAAAH-42108; v. - IV R 17/19, NWB UAAAH-56874). Nach § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG ist sie erstmals auf Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem beginnen.
Nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG wird auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist.
§ 43 Abs. 1 Satz 6 Nr. 5 EStG eröffnet einer die Kapitalerträge auszahlenden Stelle die Möglichkeit, die Identifikationsnummer des Empfängers nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz beim BZSt zu erfragen, sofern sie nicht bereits bekannt ist. Damit werden die meldepflichtigen Kreditinstitute in die Lage versetzt, die Daten des Empfängers vor Meldung an die Finanzverwaltung zu überprüfen.
§ 44a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 EStG a. F. wurde aufgehoben. Damit besteht die Möglichkeit nicht mehr fort, eine Abstandnahme vom Steuerabzug durch Vorlage einer Dauerüberzahlerbescheinigung zu erreichen. Dies soll Cum/Cum-Gestaltungen entgegenwirken.
Mit § 45a Abs. 7 Satz 1 EStG ist die Haftung des Ausstellers einer fehlerhaften Steuerbescheinigung auf eine fehlerhafte Übermittlung der Angaben eines beschränkt Steuerpflichtigen ausgeweitet worden, der im Inland Kapitalerträge erzielt.
§ 45b Abs. 1 EStG – die Regelung zu Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer – ist erweitert worden. Sie richtet sich an die die Kapitalerträge auszahlende Stelle, welche nunmehr etwa Bescheinigungen mit einer individuellen Ordnungsnummer zu versehen hat.
Auch § 45c EStG – die Norm zur zusammengefassten Mitteilung zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer – ist neu gefasst worden. Danach sind dem BZSt die durch die auszahlende Stelle insgesamt für eine Wertpapiergattung gutgeschriebenen Kapitalerträge und die darauf einbehaltene und bescheinigte Kapitalertragsteuer zu übermitteln.
In einen neu eingefügten § 50c EStG sind jene Fälle aufgenommen worden, in denen ein Abzug der Steuer nach § 50a EStG nicht erfolgen muss. Zudem wird das Freistellungs- und Erstattungsverfahren beschrieben.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Neufassung der „Anti-Treaty-Shopping-Regelung“ in § 50d Abs. 3 EStG (vgl. dazu aus der umfassenden Literatur Grotherr, NWB 4/2021 S. 262; ders., IWB 3/2021 S. 95, 106 ff.; Schnitger/Gebhardt, IStR 2021 S. 289; Schönfeld/Erden, IStR 2021 S. 189). Die Norm regelt, dass eine ausländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse keinen Anspruch auf Entlastung von der Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG hat, wenn sie als Zwischengesellschaft einzustufen ist. Dies gilt wiederum dann nicht, soweit die ausländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, oder wenn mit der Hauptgattung der Anteile an ihr ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Die Neuregelung ist gem. § 52 Abs. 47b EStG grundsätzlich auf alle noch offenen Fälle anzuwenden, es sei denn, die zum Zeitpunkt des Zuflusses der S. 3566Einkünfte geltende frühere Fassung der Vorschrift erlaube die Entlastung von der Kapitalertragsteuer oder der Steuer nach § 50a EStG (Günstigerprüfung).