Täteridentifizierung im Strafurteil wegen Wohnungseinbruchsdiebstählen: Notwendige Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung von DNA-Spuren beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung
Gesetze: § 81e StPO, §§ 81eff StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 242 StGB, § 243 StGB
Instanzenzug: Az: 36 KLs 7/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in sechs Fällen, wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in zwei Fällen und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils.
21. Die auf die allgemeine Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte und mit einem umfassenden Aufhebungsantrag eingelegte Revision ist zulässig. Soweit der Verteidiger des Angeklagten nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom erklärt hat, dass nur das Unterbleiben der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB angegriffen werden solle, hat dies nicht zu einer entsprechenden Beschränkung des Rechtsmittels geführt. Denn der Verteidiger des Angeklagten hat nicht nachgewiesen, dass er über die für eine wirksame Teilrücknahme erforderliche besondere Ermächtigung des Angeklagten nach § 302 Abs. 2 StPO verfügt (vgl. , NStZ-RR 2013, 352). Damit ist die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer auch weiterhin gegeben (vgl. ‒ 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 308; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 67. Aufl., § 64 Rn. 28a).
32. Das angegriffene Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil die Darstellung der an den Tatorten vorgefundenen DNA-Spuren und des Ergebnisses von deren gutachterlicher Auswertung, auf die sich das Landgericht für den Nachweis der Täterschaft des Angeklagten gestützt hat, nicht den Anforderungen der Rechtsprechung genügt.
4a) Will das Tatgericht seine Überzeugungsbildung auf indizielle Beweisergebnisse stützen, müssen die dafür maßgeblichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte so mitgeteilt werden, dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist (vgl. , NStZ-RR 2007, 86; MüKo-StPO/Wenske, 1. Aufl., § 267 Rn. 69). Für die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung gilt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung das Folgende: Beziehen sich die Untersuchungen auf eine eindeutige Einzelspur und ergeben sich auch sonst keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung, ist es ausreichend, wenn in den Urteilsgründen lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird (vgl. , NJW 2020, 350 Rn. 5; Beschluss vom - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 Rn. 8 ff.). Bei Mischspuren, das heißt solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen, ist in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. , NJW 2020, 350 Rn. 5; Urteil vom − 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427 Rn. 17 f.; Beschluss vom - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 Rn. 8 ff.; Beschluss vom - 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119). Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können auch geringere Anforderungen gelten (zu den Darlegungsanforderungen bei Mischspuren mit eindeutiger Hauptkomponente vgl. Rn. 4; Beschluss vom - 6 StR 183/20 Rn. 2). So kann etwa die DNA-Analyse der Hauptkomponente einer Mischspur nach den für die Einzelspur entwickelten Grundsätzen dargestellt werden, wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4:1 stehen.
5b) Diesen Vorgaben werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Das Landgericht hat sich bei seiner Überprüfung des Geständnisses des Angeklagten „auf die an den Tatorten aufgefundenen DNA-Spuren“ gestützt. An welchen Tatorten Spuren gefunden worden sind, teilen die Urteilsgründe schon nicht in einer nachvollziehbaren Weise mit. Stattdessen nimmt die Strafkammer - entgegen § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO - auf diverse Spurengutachten Bezug, hinsichtlich derer lediglich die Aktenfundstellen mitgeteilt werden. Das sich daran anschließende - soweit ersichtlich - anhand eines in einer belgischen Datenbank gespeicherten DNA-Profils des Angeklagten erstellte Vergleichsgutachten wird inhaltlich ebenfalls nicht dargestellt. Stattdessen verweisen die Urteilsgründe auch insoweit lediglich auf eine Aktenfundstelle.
6Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht ausschließen. Die Strafkammer hat sich von der Richtigkeit des Geständnisses des Angeklagten aufgrund des Ergebnisses der Auswertung der DNA-Spuren überzeugt. Zudem enthielt das in den Urteilsgründen mitgeteilte Geständnis des Angeklagten nur in Bezug auf zwei der ausgeurteilten Fälle ein eindeutiges Bekenntnis zu einer eigenen Täterschaft aufgrund noch vorhandener „konkreter“ Erinnerung. Im Übrigen hat der Angeklagte seine Anwesenheit an den Tatorten lediglich mit dem Bemerken eingeräumt, dass es keinen anderen Grund für die dort gesicherten DNA-Spuren gebe.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:031120B4STR408.20.0
Fundstelle(n):
CAAAH-95504