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StuB Nr. 23 vom Seite 958

Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht allein durch den Insolvenzverwalter

Anmerkungen zu den Beschlüssen des und Hinweise für die Praxis

RA/WP/StB/FAStR Alexander Kirchner, M.A.

Der Wirecard-Skandal und viele damit zusammenhängende Fragen sind seit vielen Monaten präsent. Durch eine zunächst erfolgte Zeugnisverweigerung im parlamentarischen Untersuchungsausschuss kam eine seit vielen Jahren in Rechtsprechung und Literatur höchst umstrittene Rechtsfrage auf: Wer ist für die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht des Jahresabschlussprüfers zuständig, wenn eine geprüfte Kapitalgesellschaft mittlerweile in Insolvenz geraten ist? Der BGH hat eine klare Entscheidung getroffen und allein dem Insolvenzverwalter diese Kompetenz zugesprochen. Die (früheren) Vorstände oder Geschäftsführer sind somit nicht mehr für diese Entbindungserklärung zuständig. Diese Entscheidung hat in vielerlei Hinsicht praktischen Bezug, auch wenn es zunächst nicht so aussieht, und sorgt für beruhigende Klarheit für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte.

BGH, Beschlüsse v.  - StB 43/20, NWB LAAAH-71839, StB 44/20, NWB CAAAH-71829 und StB 48/20, NWB IAAAH-71840

Kernfragen
  • Wer ist bei einer Kapitalgesellschaft befugt, den Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt von der Verschwiegenheit zu entbinden?

  • Welche Bedeutung kommt den BGH-Entscheidungen über den getroffenen Einzelfall zu?

  • Was gilt für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte nach der BGH-Entscheidung?

I. Hintergrund der BGH-Entscheidungen: Der Wirecard-Skandal

[i]Schumm, Befreiung von der Verschwiegenheit (Fall „Wirecard“), WP Praxis 6/2021 S. 196, NWB DAAAH-78845 Der Wirecard-Skandal ist zweifelsohne einer der größten, vielleicht der größte Wirtschaftsskandal der Nachkriegszeit. Bekanntlich war die Wirecard AG ein deutsches Finanzdienstleistungsunternehmen und im DAX seit September 2018 gelistet, bis sie am Insolvenz anmelden musste. Grund für die Insolvenz war – stark vereinfacht –, dass im Rahmen der Jahresabschlussprüfung für 2019 keine ausreichenden Nachweise für die Existenz von 1,9 Mrd. €, die treuhänderisch gehalten worden sein sollten, erbracht werden konnten. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die seit 2009 die Jahresabschlüsse der Wirecard AG geprüft hatte, kündigte daraufhin an, das Testat für 2019 zu verweigern. Dies war für diverse finanzierende Banken der Auslöser, Kredite zu kündigen und dies wiederum der Insolvenzgrund für die Wirecard AG. Am musste der Vorstand daher Insolvenz anmelden wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Der dadurch eingetretene Schaden für Gläubiger und Aktionäre der Wirecard AG ist immens, von über 36 Mrd. € ist die Rede.

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