BGH Beschluss v. - VIII ZR 88/20

Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete: Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten

Gesetze: § 558 Abs 2 S 1 BGB vom , § 558c BGB

Instanzenzug: Az: 63 S 138/18vorgehend AG Lichtenberg Az: 20 C 416/17

Gründe

I.

1Die Beklagten sind Mieter einer 75,18 m² großen Vierzimmerwohnung der Klägerin in B.           . Die zu entrichtende Nettokaltmiete belief sich seit September 2014 auf 373,54 €. Mit Schreiben vom forderte die Klägerin die Beklagten unter Hinweis auf den Mietspiegel Berlin 2017 auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem um 40,70 € auf monatlich 414,24 € zuzustimmen. Das entspricht einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 4,97 €/m² auf 5,51 €/m². Die Wohnung ist bei Heranziehung des Mietspiegels 2017, worauf die Klägerin in dem Mieterhöhungsverlangen auch hingewiesen hat, nach Alter, Wohnlage, Ausstattung und Wohnfläche in das Feld H 6 der Mietspiegeltabelle einzuordnen. Dieses weist eine Nettokaltmietenspanne von 4,68 €/m² bis 5,78 €/m² aus. Die Beklagten stimmten lediglich einer Mieterhöhung um 4,16 € auf 377,70 € zu.

2Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung um (weitere) 36,54 € auf 414,24 € monatlich ab dem in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den Berliner Mietspiegel 2017 herangezogen und ist anhand der dortigen "Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung" zu dem Ergebnis gelangt, die ortsübliche Vergleichsmiete entspreche der von den Beklagten bereits akzeptierten Nettokaltmiete (5,02 €/m²). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

II.

31. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht (mehr) vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

4Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil bezüglich der - von verschiedenen Kammern des Berufungsgerichts unterschiedlich beantworteten - Frage, ob ein Mietspiegel, dessen Qualifizierung (§ 558d BGB) von einer Partei (hinreichend) angegriffen werde, als Schätzungsgrundlage gemäß § 287 ZPO für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete geeignet sei, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Diese Frage sowie sämtliche damit einhergehenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind mit dem Urteil des Senats vom (VIII ZR 123/20, NJW-RR 2021, 76; bestätigt durch die nachfolgenden , WuM 2021, 442; vom - VIII ZR 93/20, juris) geklärt, weshalb die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision nicht mehr vorliegen.

52. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis frei von Rechtsfehlern einen Anspruch der Klägerin nach §§ 558 ff. BGB auf Zustimmung zu der von ihr verlangten Mieterhöhung bejaht.

6Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu der - allein streitigen - materiellen Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens sind im Ergebnis frei von revisionsrechtlich relevanten Fehlern.

7a) Das angefochtene Urteil unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits deswegen der Aufhebung, weil sich das Berufungsgericht nicht an die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Geeignetheit des Berliner Mietspiegels 2017 als Schätzungsgrundlage (§ 287 Abs. 2 ZPO) für die ortsübliche Vergleichsmiete gebunden gesehen hat.

8aa) Ähnlich wie in dem Fall, der dem Senatsurteil vom (VIII ZR 123/20, aaO Rn. 15) zugrunde lag, hat das Amtsgericht hier offengelassen, ob der Berliner Mietspiegel 2017 die Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels (§ 558d BGB) erfüllt, diesem aber jedenfalls die einem einfachen Mietspiegel (§ 558c BGB) zukommende Indizwirkung beigemessen und ihn als "Grundlage einer Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO" herangezogen. Auf diesem Weg hat es unter Zugrundelegung der im Mietspiegel aufgeführten "Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung" die Feststellung getroffen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete - weil die Bewertung der insgesamt fünf Merkmalgruppen im Ergebnis einen Abschlag von 20 % im Vergleich zu dem Mittelwert des einschlägigen Mietspiegelfelds (H 6: 5,11 €/m²) rechtfertige - die von den Beklagten auf das Mieterhöhungsverlangen hin akzeptierte Miete (377,70 € monatlich) nicht übersteige.

9bb) Dass sich das Berufungsgericht an diese Feststellungen des Amtsgerichts nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden gesehen, sondern - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - neue Feststellungen getroffen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die betreffenden Erwägungen im Senatsurteil vom (VIII ZR 123/20, NJW-RR 2021, 76 Rn. 16-23) Bezug genommen.

10b) Es erweist sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus anderen Gründen als rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die ortsübliche Vergleichsmiete aufgrund eines - von der Klägerin beantragten - gerichtlichen Sachverständigengutachtens und nicht unter Heranziehung des als Tabellenspiegel ausgestalteten und mit einer Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung versehenen Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat.

11aa) Wie der Senat mit - nach der Verkündung der angefochtenen Entscheidung ergangenem - Urteil vom (VIII ZR 123/20, NJW-RR 2021, 76) entschieden und durch Urteile vom (VIII ZR 22/20, WuM 2021, 442) sowie vom (VIII ZR 93/20, juris) bestätigt hat, sind die Gerichte grundsätzlich auch dann berechtigt, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein von der beweisbelasteten Partei angebotenes Sachverständigengutachten einzuholen, wenn ein Mietspiegel vorliegt, der tabellarisch Mietspannen ausweist und zusätzlich eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung enthält. Das gilt bei solchen Mietspiegeln in der Regel auch dann, wenn - wie hier - die ortsübliche Vergleichsmiete unstreitig innerhalb der für das einschlägige Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne liegt und deshalb lediglich die Einordnung der konkreten Einzelvergleichsmiete in diese Spanne einer Klärung bedarf. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die diesbezüglichen Erwägungen in den genannten Senatsurteilen (vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 24-45 und 50-58; vom - VIII ZR 22/20, aaO Rn. 13-27; vom - VIII ZR 93/20, aaO Rn. 22-36) verwiesen, denen ebenfalls Fälle zugrunde lagen, in denen das Berufungsgericht die ortsübliche Vergleichsmiete nicht anhand des jeweils einschlägigen Berliner Mietspiegels 2017, sondern auf der Grundlage eines auf Antrag des Vermieters eingeholten Sachverständigengutachtens bestimmt hat.

12bb) Auch der Umstand, dass die Klägerin sich zur Begründung ihres Erhöhungsverlangens auf den Berliner Mietspiegel 2017 gestützt, im Prozess dann aber dessen Heranziehung - sei es als qualifizierter oder als einfacher Mietspiegel - abgelehnt hat, stand der Einholung des von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachtens nicht entgegen. Insbesondere stellt sich das Verhalten der Klägerin - anders als die Revision andeutet - nicht als treuwidrig dar. Insoweit kann auf die Ausführungen im Senatsurteil vom (VIII ZR 123/20, aaO Rn. 49) verwiesen werden.

13c) Das angefochtene Urteil ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag rechtsfehlerhaft bestimmt hat. Denn auf diesem Fehler beruht die angefochtene Entscheidung nicht (§ 545 Abs. 1 ZPO).

14aa) Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht (, NJW 2012, 1351 Rn. 30; vom - VIII ZR 22/20, aaO Rn. 29; vom - VIII ZR 93/20, aaO Rn. 38) und nicht der - vom Berufungsgericht zugrunde gelegte - Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB aF maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück. Im Streitfall ist das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom unstreitig noch im Juni 2017 zugegangen und die Vierjahresfrist entsprechend zu bemessen.

15Der Sachverständige hat - aufgrund der Vorgabe des Berufungsgerichts - seiner Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens indes Mietentgelte für vergleichbaren Wohnraum zugrunde gelegt, die in dem Zeitraum vom bis (neu) vereinbart oder geändert worden sind.

16bb) Dieser Fehler hat sich hier jedoch - anders als in den Fällen, die den Senatsurteilen vom (VIII ZR 22/20) sowie vom (VIII ZR 93/20) zugrunde lagen - nicht auf das Ergebnis des Rechtsstreits ausgewirkt.

17(1) Zwar hätten diejenigen vom Sachverständigen berücksichtigten drei Vergleichswohnungen, für die das Mietentgelt im Jahr 2017 (neu) vereinbart beziehungsweise geändert wurde, der Entscheidungsfindung möglicherweise nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Denn da sich dem Gutachten nicht entnehmen lässt, zu welchem Zeitpunkt im Jahr 2017 die jeweilige Vereinbarung des Mietentgelts getroffen wurde, ist nicht auszuschließen, dass dies in einem außerhalb des maßgeblichen Betrachtungszeitrahmens liegenden Zeitraum - namentlich zwischen dem Zugang des Erhöhungsverlangens im Juni 2017 bis zu dem vom Berufungsgericht fehlerhaft angenommenen Stichtag am - geschehen ist.

18(2) Dieser Umstand hat die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete hier aber - ebenso wie im Verfahren VIII ZR 123/20 - nicht zum Nachteil der Beklagten beeinflusst. Denn die Nichtberücksichtigung der im Jahr 2017 vereinbarten beziehungsweise geänderten Mietentgelte führte im Streitfall zu einem (geringfügig) höheren Vergleichswert als vom Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens angenommen und deshalb nicht zu einem den Beklagten günstigeren Ergebnis. Ließe man die betreffenden Mietentgelte in der vom Sachverständigen - wegen Qualitätsunterschieden in der Ausstattung der Vergleichswohnungen - jeweils angepassten Höhe von 6,04 €/m², 5,23 €/m² und 5,00 €/m² bei ansonsten gleichbleibender Berechnung des Vergleichswerts außer Betracht, ergäbe sich nämlich in Bezug auf die vom Sachverständigen ermittelte Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete von 4,71 €/m² bis 6,64 €/m² keine Veränderung, jedoch ein erhöhter arithmetischer Mittelwert von 5,57 €/m² (anstelle von 5,55 €/m²), und in der Folge sodann ein ebenfalls erhöhter Vergleichswert von 5,54 €/m² (anstelle von 5,52 €/m²).

19Die Außerachtlassung von drei der insgesamt 16 in den Blick genommenen Vergleichswohnungen führte vorliegend auch nicht etwa dazu, dass die vom Sachverständigen ausgewertete Datengrundlage für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht (mehr) ausreichte (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 80). Denn der Senat hat in der Vergangenheit lediglich vier oder sechs Vergleichswohnungen als zu geringe Datengrundlage für den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete angesehen (, NJW 2013, 775 Rn. 28; vom - VIII ZR 346/12, NJW 2014, 292 Rn. 25), während er die Heranziehung von 19 oder elf Vergleichswohnungen hat genügen lassen (, NJW 2010, 149 Rn. 12; vom - VIII ZR 346/10, NJW 2012, 1351 Rn. 16).

20d) Weitere Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht unterlaufen. Insbesondere rügt die Revision ohne Erfolg, die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die ortsübliche Vergleichsmiete 5,52 €/m² betrage, beruhe auf verschiedenen Gehörsverletzungen. Auch andere revisionsrechtlich beachtliche Fehler bei der Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 ZPO) sind dem Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision nicht unterlaufen.

21aa) Die Rüge der Revision, dem Berufungsgericht sei eine Gehörsverletzung anzulasten, weil es den Beklagten nicht die Gelegenheit gegeben habe, den Sachverständigen mündlich oder schriftlich mit ihren Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten beziehungsweise ihren Einwendungen dagegen zu konfrontieren, hat keinen Erfolg. Denn jedenfalls sind die Beklagten wegen des allgemeinen Grundsatzes der Subsidiarität daran gehindert, die dem Berufungsgericht möglicherweise unterlaufene Gehörsverletzung in der Revisionsinstanz geltend zu machen.

22(1) Kommt das Gericht einem von der Partei rechtzeitig gestellten, nicht rechtsmissbräuchlichen Antrag auf Erläuterung des Gutachtens nicht nach, liegt darin zwar jedenfalls dann ein Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es den Antrag völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht folgt, weil das Gutachten ihm überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, NJW 1998, 2273 f.; NJW 2012, 1346 Rn. 15; NZS 2018, 859 Rn. 4; Senatsurteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 60 f.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 314/15, NJW-RR 2017, 762 Rn. 3; vom - VIII ZR 101/17, NJW 2018, 1171 Rn. 8 ff.; vom - VI ZR 580/15, NJW 2018, 3097 Rn. 8).

23(2) Ob das von der Revision gerügte Vorgehen des Berufungsgerichts, das zu den fristgerecht erhobenen Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten beziehungsweise aufgeworfenen Fragen an den Sachverständigen weder eine schriftliche noch eine mündliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt hat, danach als Gehörsverstoß zu bewerten ist, kann hier jedoch offenbleiben. Denn die Beklagten sind nach dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität jedenfalls an dessen Geltendmachung in der Revisionsinstanz gehindert.

24(a) Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (st. Rspr.; vgl. , WuM 2011, 178 Rn. 10; vom - III ZR 54/17, BGHZ 219, 77 Rn. 37; vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 67; Beschlüsse vom - IX ZR 147/18, ZInsO 2019, 1026 Rn. 4; vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 15; jeweils mwN). Dieser Grundsatz ist nicht auf das Verhältnis zwischen Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit beschränkt, sondern gilt auch im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom - VIII ZR 57/19, aaO). Denn einer Revision kommt bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten auch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen. Daher sind für ihre Beurteilung die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führten (vgl. , BGHZ 154, 288, 296 f. [für die Nichtzulassungsbeschwerde]).

25(b) Gemessen daran sind die Beklagten mit der Geltendmachung der behaupteten Gehörsverletzung in der Revisionsinstanz ausgeschlossen. Denn spätestens in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätten sie die fehlende Einholung einer - schriftlichen oder mündlichen - Stellungnahme des Sachverständigen zu ihren (rechtzeitig) erhobenen Einwendungen gegen das Gutachten beziehungsweise aufgeworfenen Fragen dazu rügen können und - für die erfolgreiche Geltendmachung einer Gehörsrüge in der Revisionsinstanz - auch müssen. Das ist indes nicht geschehen. Vielmehr haben die Beklagten ausweislich des Sitzungsprotokolls "zur Sache und zum Ergebnis der Beweisaufnahme" verhandelt, ohne die Verfahrensweise des Berufungsgerichts zu beanstanden.

26bb) Ohne Erfolg rügt die Revision ferner, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten - soweit es sie beachtet habe - in der Urteilsbegründung "selbst abgehandelt" habe, ohne die hierfür erforderliche Sachkunde nachzuweisen.

27Die Revision verkennt bereits im Ausgangspunkt, dass das Berufungsgericht - anders als in den Fällen, die den von ihr herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde lagen (Urteil vom - III ZR 65/06, NJW-RR 2007, 357 Rn. 14, und Beschluss vom - VII ZR 299/14, BauR 2018, 1317 Rn. 14 f.) - ein Sachverständigengutachten zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeholt und sich insofern keine eigene Sachkunde angemaßt hat (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 69).

28Dass das Berufungsgericht die von der Beklagten gegen das Gutachten erhobenen Einwendungen eigenständig beschieden hat, ohne eine in seinem Ermessen stehende mündliche oder schriftliche Erläuterung des Gutachtens (§ 411 Abs. 3 ZPO) anzuordnen, ist nicht zu beanstanden. Denn die Beurteilung der Einwendungen der Beklagten erforderte kein spezielles Fachwissen, sondern allein die dem Tatrichter obliegende Überprüfung, ob sich der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens an die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze gehalten hat, von der richtigen Tatsachengrundlage ausgegangen ist und aus den getroffenen Feststellungen Schlussfolgerungen gezogen hat, auf die der Tatrichter seine Überzeugungsbildung ohne Rechtsfehler stützen durfte (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 70 f.). Es ist weder aufgezeigt noch ersichtlich, dass das Berufungsgericht hierbei seine Fachkompetenz überschritten hätte.

29cc) Die Rüge der Revision, unabhängig von der dem Berufungsgericht insoweit fehlenden Sachkunde räume das Berufungsurteil - soweit es auf die gegen das Gutachten erhobenen Einwände der Beklagten eingehe - diese nicht aus, ist aus revisionsrechtlicher Sicht ebenfalls unbegründet.

30(1) Die tatrichterliche Würdigung kann vom Revisionsgericht regelmäßig nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche tatsächliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. nur , NJW 2017, 1474 Rn. 24; vom - VIII ZR 148/17, NJW-RR 2018, 1012 Rn. 15; vom - VIII ZR 123/20, NJW-RR 2021, 76 Rn. 77; vom - VIII ZR 22/20, WuM 2021, 442 Rn. 35; vom - VIII ZR 93/20, juris Rn. 44).

31(2) Danach beachtliche Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich.

32(a) Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf die Einwendungen der Beklagten, die sie gegen das Gutachten wegen der aus ihrer Sicht zu geringen Anzahl an Vergleichswohnungen sowie der ihrer Ansicht nach fehlenden Vorzugswürdigkeit der vom Sachverständigen angewandten Ermittlungsmethode gegenüber dem einschlägigen Mietspiegel erhoben haben.

33Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist das Berufungsgericht zum einen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, die vom Sachverständigen ausgewertete Datenmenge reiche zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete aus. Dass zum anderen die größere Breite der Datengrundlage eines Mietspiegels nicht dazu führt, dass dieser einem Sachverständigengutachten überlegen wäre, hat der Senat ebenfalls schon entschieden (, aaO Rn. 50 ff.; vom - VIII ZR 22/20, aaO Rn. 27; vom - VIII ZR 93/20, aaO Rn. 36). Auch dass das Berufungsgericht berechtigt war, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein Sachverständigengutachten einzuholen, anstatt diese mithilfe der dem Berliner Mietspiegel 2017 beigefügten Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung vorzunehmen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (grundlegend Urteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 37-54). Schließlich hat der Senat die vom Sachverständigen angewandte Vergleichswertmethode unter der - hier von ihm beachteten - Prämisse, dass die qualitativen Unterschiede der Vergleichsobjekte zu dem Bewertungsobjekt durch Zu- und Abschläge berücksichtigt werden, bereits mehrfach gebilligt (vgl. , aaO Rn. 80; vom - VIII ZR 62/18, NJW 2019, 3142 Rn. 58, und VIII ZR 82/18, juris Rn. 16; vom - VIII ZR 30/09, NJW 2010, 149 Rn. 12).

34(b) Erfolglos macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht habe den Einwand der Beklagten über die fehlende Offenlegung der genauen Lage der Vergleichswohnungen nicht (hinreichend) entkräftet, weshalb er weiterhin dem Gutachten die Überzeugungskraft nehme.

35Da der Sachverständige die Vergleichswohnungen in seinem Gutachten nach Lage, Wohnfläche, Bauart, Baujahr und Ausstattung ausreichend detailliert beschrieben hat, um die Richtigkeit der verwendeten Daten kritisch würdigen zu können, durfte das Berufungsgericht die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen seiner Beurteilung nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 91, 176, 182, 184) zugrunde legen, ohne ergänzende Angaben des Sachverständigen einzuholen.

36(c) Ohne Erfolg wendet die Revision schließlich ein, das Berufungsgericht habe die Einwendungen der Beklagten gegen die - aus ihrer Sicht unzutreffende - Bewertung ihrer Wohnung in Bezug auf die Küchenausstattung und den Fahrradkeller durch den Sachverständigen nicht hinreichend berücksichtigt, weshalb auch diese weiterhin die Überzeugungskraft des Gutachtens in Frage stellten.

37(aa) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht der Beurteilung des Sachverständigen gefolgt ist, soweit dieser die Küchenausstattung im Rahmen der Nutzwertanalyse - mit zehn von zwanzig möglichen Pluspunkten - positiv bewertet hat. Den Einwand der Beklagten, diese Bewertung sei wegen der "völlig veralteten Kücheneinrichtung (...) nicht nachvollziehbar", hat das Berufungsgericht deshalb als unberechtigt angesehen, weil der Sachverständige das Alter der Küchenmöblierung - wie seine Beschreibung der Küche zeige - zur Kenntnis genommen und diesen Umstand bei seiner Bewertung auch insofern berücksichtigt habe, als er den Ausstattungsfaktor der Wohnung um 0,05 Punkte reduziert habe. Diese Würdigung lässt revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler nicht erkennen; die Revision zeigt solche auch nicht auf.

38(bb) Auch die - dem Sachverständigengutachten folgende - Würdigung des Berufungsgerichts, wonach das Gebäude im Rahmen der Nutzwertanalyse unter dem Gesichtspunkt "zusätzliche Räume" mit zehn Pluspunkten zu bewerten sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

39Dem Einwand der Beklagten, das dem Gutachten beigefügte Lichtbild zeige, dass von einem ausreichend großen Fahrradabstellraum - wie für die vom Sachverständigen angenommene positive Bewertung vorausgesetzt - bei Aufhängemöglichkeiten für nur sieben Räder in einem Haus mit 48 Wohnungen keine Rede sein könne, hat das Berufungsgericht - von der Revision insoweit unangefochten - entgegengesetzt, der Gebäudekomplex verfüge nach der Beschreibung des Sachverständigen über zwei Fahrradkeller auf Erdgeschoss Niveau sowie zusätzlichen Abstellraum für Kinderwagen auf den Etagen. Weder diese noch die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, das dem Gutachten beigefügte Lichtbild von einem der Fahrradkeller lasse nicht auf dessen Unterdimensionierung schließen, lässt einen Rechtsfehler erkennen. Das gilt insbesondere mit Blick darauf, dass neben den Aufhängemöglichkeiten für Fahrräder - wie das Lichtbild zeigt - weiterer Abstellplatz vorhanden ist. Dabei ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von Belang, dass dieser Abstellplatz (teilweise) mit "Einkaufswagen und allerhand Gerümpel vollgestellt" ist. Denn dieser Umstand ist ersichtlich allein auf entsprechendes Nutzerverhalten zurückzuführen.

40dd) Der Revision bleibt ferner insoweit der Erfolg versagt, als sie rügt, das Berufungsgericht habe die weiteren von den Beklagten erhobenen Einwände gegen das Gutachten gänzlich übergangen und dadurch nicht nur den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, sondern auch das Beweisergebnis unvollständig gewürdigt.

41Abgesehen davon, dass weder § 313 Abs. 3 ZPO noch Art. 103 Abs. 1 GG eine ausdrückliche Befassung mit sämtlichem Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen eines Urteils verlangen (Senatsurteil vom - VIII ZR 123/20, aaO Rn. 75; vgl. zu Art. 103 Abs. 1 GG BVerfG, NVwZ 2016, 1475 Rn. 14; , juris Rn. 16 mwN), sind die nach Meinung der Revision übergangenen Einwände ersichtlich unbegründet und deshalb auch von vornherein nicht geeignet, einen entscheidungserheblichen Gehörsverstoß oder sonst revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zu begründen.

42(1) Entgegen der Auffassung der Revision geht der Sachverständige nicht selbst davon aus, die von ihm herangezogenen Daten reichten für eine tragfähige Aussage über die ortsübliche Vergleichsmiete nicht aus. Er hat in seinem Gutachten lediglich auf die statistischen Unsicherheiten hingewiesen, die bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Anwendung des Vergleichswertverfahrens selbst dann verblieben, wenn sich die Qualität der herangezogenen Daten - wie anhand des sogenannten Variationskoeffizienten festzustellen sei - hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit, wie hier, als hochwertig erweise. Eine solche Unsicherheit ist indes hinzunehmen; sie haftet der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unabhängig von der hierfür angewandten Methode naturgemäß an.

43(2) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Sachverständige und ihm folgend das Berufungsgericht zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete eine Wohnung mit einer - den oberen Wert der vom Sachverständigen ermittelten Bandbreite der Vergleichsmiete bildenden - (angepassten) Nettokaltmiete von 6,64 €/m² in seine Betrachtung einbezogen hat. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei diesem Wert nicht um eine - nicht berücksichtigungsfähige - sogenannte "Ausreißermiete". Der Sachverständige hat in seinem Gutachten nicht nur ausführlich erläutert, dass und auf welchem Weg er für die Eliminierung etwaiger Ausreißermieten Sorge getragen hat, sondern zudem anhand des Variationskoeffizienten - wie oben bereits erwähnt - eine eher geringe Streuung der verwerteten Daten und damit deren hohe Aussagekraft festgestellt. Diese Ausführungen greift die Revision nicht an.

44Soweit sie Anstoß daran nimmt, dass der obere Wert der vom Sachverständigen gebildeten Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete (6,64 €/m²) den oberen Wert der Spanne übersteigt, die das für die Wohnung einschlägige Mietspiegelfeld H 6 ausweist (5,78 €/m²), und deshalb der vom Sachverständigen ermittelte Mittelwert (5,55 €/m²) ebenfalls oberhalb des Medians der im einschlägigen Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne (5,11 €/m²) liege, verliert sie aus dem Blick, dass dies eine Folge der grundlegenden Unterschiede zwischen den jeweiligen Verfahren der Erstellung einer Mietspiegeltabelle einerseits und der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Wege der Vergleichswertmethode durch einen Sachverständigen andererseits ist.

45(3) Auch die Einwände der Revision, die vom Sachverständigen für die Auswahl der Vergleichsobjekte angesetzten Kriterien seien unklar und die seinerseits angewandte Nutzwertanalyse sei nicht nachvollziehbar, entbehren jeglicher Grundlage.

46Der Sachverständige hat in seinem Gutachten eingehend erläutert, dass sich die Auswahl der Vergleichsobjekte nach der Vergleichbarkeit hinsichtlich der Merkmale Gebäudeart, Ausstattung, Größe, Beschaffenheit (insbesondere bautechnische Konstruktionsmerkmale und Baualtersklasse) und Lage (unter Einteilung in Einzelfaktoren, die als Lagevor- oder -nachteile anzusehen sind) richte und die 16 ausgewählten Vergleichsobjekte aus dem ihm zur Verfügung stehenden Datenbestand die nach diesen Kriterien höchste Übereinstimmung mit dem Bewertungsobjekt aufwiesen.

47Ebenso hat er sowohl den Zweck der Nutzwertanalyse, namentlich die sachgerechte Einordnung des Bewertungsobjekts in die zuvor ermittelte Bandbreite der Vergleichsmiete, als auch deren Funktionsweise - nicht nur abstrakt, sondern auch konkret bezogen auf die zu bewertende Wohnung - ausführlich in seinem Gutachten erläutert. Weshalb diese Darstellung nicht nachvollziehbar sei, legen die Beklagten nicht ansatzweise dar.

48(4) Soweit die Revision schließlich beanstandet, dass der Sachverständige auf Mietspiegel von Interessenverbänden ("IVD Immobilienpreisservice 2017/2018", "RDM Immobilienpreisspiegel" und "CRBE Wohnmarktreport 2017") Bezug genommen habe, blenden sie aus, dass diese im Gutachten angeführten privaten Mietspiegel ersichtlich keinen Einfluss auf das Ergebnis der Ermittlung der zutreffenden Einzelvergleichsmiete (in Höhe von 5,52 €/m²) hatten, sondern lediglich hilfsweise im Rahmen einer ergänzend durchgeführten Plausibilitätskontrolle erwähnt wurden.

493. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:030821BVIIIZR88.20.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 1455 Nr. 22
GAAAH-95183