Online-Nachricht - Donnerstag, 18.11.2021

Einkommensteuer | Kinderfreibetrag bei unterbliebener Auszahlung von Kindergeld (BFH)

Wird ein noch nicht festsetzungsverjährter Kindergeldanspruch aufgrund der Anwendung der Frist des § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des StUmgBG v. (BGBl I 2017, 1682, BStBl I 2017, 865) ausgeschlossen, ist er auch bei der Günstigerrechnung und der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen. Die Frage, ob der Kindergeldanspruch durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossen wird, haben die Finanzämter und Finanzgerichte selbständig und ohne Bindung an die Beurteilung im Kindergeldverfahren zu entscheiden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des StUmgBG wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Regelung ist gem. Art. 11 Abs. 2 StUmgBG am in Kraft getreten und gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i.d.F. des Art. 7 Nr. 6 Buchst. c StUmgBG nur auf Anträge anzuwenden, die nach dem eingehen. Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG) vom (BGBl I 2019, 1066, BStBl I 2019, 814) wurde § 66 Abs. 3 EStG mit Wirkung ab aufgehoben. Die Vorschrift ist deshalb nach § 52 Abs. 49a Satz 7 EStG i.d.F. des SozialMissbrG auf Kindergeldanträge anzuwenden, die nach dem und vor dem eingehen.

Sachverhalt: Streitig ist, in welcher Höhe ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. ausgeschlossener Anspruch auf Kindergeld die tarifliche Einkommensteuer erhöht:

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind die Eltern eines 1995 geborenen Sohnes, der im Streitjahr 2017 ein Studium absolvierte.

Am beantragte der Kläger rückwirkend ab Januar 2017 Kindergeld für seinen Sohn. Die Familienkasse setzte mit Bescheid v. unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG jedoch nur Kindergeld ab November 2017 fest und zahlte entsprechend auch nur das Kindergeld für November und Dezember 2017 in Höhe von 384 € an den Kläger aus.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 beantragten die Kläger, den Kindergeldanspruch nur in Höhe von 384 € zu berücksichtigen. Das FA folgte dem nicht, sondern berücksichtigte die kindbedingten Freibeträge in Höhe von 7.356 € und den Kindergeldanspruch in Höhe von 2.304 €.

Das FG der ersten Instanz gab der hiergegen gerichteten Klage statt und setzte die Einkommensteuer auf den Betrag herab, der sich bei einer Hinzurechnung eines Kindergeldanspruchs in Höhe von 384 € anstatt 2.304 € ergab (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 14.10.2020 sowie Warttinger, ).

Die Richter des BFH wiesen die Revision des FA ab:

  • Das FG der ersten Instanz hat zutreffend angenommen, dass bei Anwendung des § 31 Satz 4 EStG auch in den Fällen des Eingreifens der Ausschlussfrist nach § 66 Abs. 3 EStG a.F. dem Grunde nach auf den Kindergeldanspruch und nicht etwa auf das gezahlte Kindergeld abzustellen ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, wird aber auch durch den mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck der Vereinfachung der Steuererklärung und festsetzung gefordert.

  • Was die Höhe des anzusetzenden Anspruchs anbelangt, ist jedoch bei verfassungskonformer Auslegung des § 31 Satz 4 EStG die materiell-rechtliche Wirkung der Ausschlussfrist auf den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen und ein derart ausgeschlossener Kindergeldanspruch bei der Vergleichsrechnung und bei der Hinzurechnung nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
XAAAH-95014