BGH Beschluss v. - AnwZ 1/21

Anwaltgerichtliches Verfahren: Eröffnung des Rechtswegs zur Anwaltsgerichtsbarkeit für nicht zur Anwaltschaft zugelassene Dritte; Befugnis der Rechtsanwaltskammer zur Erteilung von Weisungen zum künftigen Verhalten eines Rechtsanwalts

Gesetze: § 112a Abs 1 BRAO, § 112a Abs 3 BRAO

Instanzenzug: nachgehend Az: AnwZ 1/21 Beschlussnachgehend Az: AnwZ 1/21 Beschlussnachgehend Az: AnwZ 1/21 Beschluss

Gründe

I.

1Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Verpflichtung der Rechtsanwaltskammer                    zum Erlass einer Anordnung gegen zwei beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte.

2Mit Schreiben vom beantragte der nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller bei der Rechtsanwaltskammer                  , die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte   T.     und        S.     aufzufordern, dem II. und dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mitzuteilen, dass sie in mehreren Verfahren(                                      ) Anträge als Vertreter ohne Vertretungsmacht gestellt hätten, und zu beantragen, die Nichtigkeit der in diesen Verfahren ergangenen Beschlüsse wegen Vertretungsmangels festzustellen. Zur Begründung führte er aus, die Rechtsanwälte seien in den Rubren der in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen, in denen er als Nebenintervenient des Beklagten oder als Antragsteller genannt sei, jeweils als Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin "GbR K.                " benannt, obwohl sie von dieser keine Vertretungs-/Prozess-/Zustellungs-/Empfangs-vollmacht erhalten hätten.

3Die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer                   teilte ihm mit Schreiben vom mit, ein Verstoß gegen berufsrechtliche Pflichten, zu denen eine Stellungnahme der Rechtsanwälte angefordert werden könnte, sei nicht ersichtlich. Die Nennung der Rechtsanwälte in den Rubren sei nur deshalb erfolgt, weil sie die Sozietät der Rechtsanwälte    M.    und   M.       fortführten.

4Auf seine weiteren Eingaben vom , und , mit denen er sich zusätzlich gegen die - seiner Ansicht ebenfalls unberechtigte - Nennung der Rechtsanwälte     M.    und  M.       als Vertreter der "GbR K.                 " in früheren Verfahren (           und          ) wandte, erhielt der Antragsteller keine Reaktion der Rechtsanwaltskammer.

5Mit als "Klage" überschriebenem Schriftsatz vom hat der Antragsteller beantragt, die Rechtsanwaltskammer                    zu verurteilen, den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten   T.      und         S.     die Anordnung zu erteilen, dem II. und dem XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mitzuteilen, dass sie und ihre "Rechtsvorgänger", die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte     M.     und  M.       , von den in den Rubren mehrerer Entscheidungen des II. und des XI. Zivilsenats (                                                         ) genannten Mit-/Gesellschaftern der "GbRK.                 " keine mündliche und schriftliche Vollmacht für Verfahren beim Bundesgerichtshof erhalten haben, nicht unmittelbar oder mittelbar zur Vertretung in den Revisions- und Prozesskostenhilfeverfahren bevollmächtigt wurden und deshalb verpflichtet sind, im Wege der Rubrumsberichtigung ihre Löschung als angebliche Prozessbevollmächtigte und Eintragung als Vertreter ohne Vertretungsmacht zu beantragen. Mit weiterem Schriftsatz vom hat der Antragsteller - nach Hinweis durch den Senat auf die fehlende Postulationsfähigkeit - klargestellt, dass es sich bei dem Schriftsatz vom lediglich ("richtig") um einen Klageentwurf handele, für den er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantrage.

6Mit Verfügung vom ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit nicht gegeben sei und es außerdem an der erforderlichen Klagebefugnis fehle.

7Nunmehr beantragt der Antragsteller,

1. durch Beschluss festzustellen, dass der Bundesgerichtshof örtlich und sachlich unzuständig sei und

2. den anhängigen Rechtsstreit durch einen zustellungspflichtigen, empfangsbedürftigen und begründeten Beschluss über den Antrag aus der Klageschrift vom an das örtlich und sachlich zuständige Verwaltungsgericht K.      zu verweisen.

II.

8Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die vom Antragsteller beabsichtigte Klage ist unzulässig.

91. Für die beabsichtigte Klage ist bereits der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit nicht eröffnet.

10a) Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Rechtsanwaltskammer zum Erlass einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme gegenüber ihr angehörenden Kammermitgliedern im Rahmen der ihr obliegenden berufsrechtlichen Überwachungspflicht nach §§ 162, 163 Satz 4, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO (Überwachung der Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten und Handhabung des Rügerechts).

11Es handelt sich bei einer solchen Angelegenheit um eine verwaltungsrechtliche Anwaltssache, für die der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit nach § 112a Abs. 1, Abs. 3 BRAO - und damit auch die erstinstanzliche Zuständigkeit des Senats nach § 112a Abs. 3 Nr. 1 Fall 4 BRAO betreffend Entscheidungen, für die die Rechtsanwaltskammer                    zuständig ist - nur dann eröffnet ist, wenn es sich um einen Rechtsstreit zwischen Personen oder Vereinigungen handelt, die Rechte oder Pflichten aus der Bundesrechtsanwaltsordnung ableiten können und damit an der Gestaltung des anwaltlichen Berufsrechts aktiv beteiligt oder davon unmittelbar betroffen sind, mithin um Rechtsstreitigkeiten zwischen Berufsangehörigen im Sinne der Berufsordnung, Berufsbewerbern oder ehemaligen Rechtsanwälten auf der einen und dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Bundesjustizministerium sowie der Landesjustizverwaltung auf der anderen Seite (vgl. Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112a Rn. 3; Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112a Rn. 10). Für Dritte ist der Rechtsweg zur Anwaltsgerichtsbarkeit dagegen auch dann nicht eröffnet, wenn sie ihren Klageanspruch aus Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung herzuleiten suchen, etwa indem sie anwaltliches Fehlverhalten zu ihrem Nachteil geltend machen. Ein solcher Anspruch wäre nicht berufsrechtlicher, sondern allgemein öffentlich-rechtlicher Natur und daher vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AnwZ (B) 10/97, BRAK-Mitt. 1997, 256 f. und vom - AnwZ (B) 47/97,BRAK-Mitt. 1998, 41, 42; VGH Mannheim, NJW 1982, 2011, jeweils zu § 223 BRAO aF; Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112a Rn. 13 f.; Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112a Rn. 3, 5). Diese Beschränkung der Gerichtsbarkeit der Anwaltsgerichte kommt im Wortlaut des § 112a BRAO zwar nicht zum Ausdruck, ist aber in der Natur der Anwaltsgerichtsbarkeit als besondere Gerichtsbarkeit nach Art. 101 Abs. 2 GG begründet (vgl. VGH Mannheim, NJW 1982, 2011 zu § 223 BRAO aF; Weyland/Kilimann, BRAO, 10. Aufl., § 112a Rn. 13 f.; Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112a Rn. 3, 5).

12b) Ausgehend davon ist der Rechtsweg für die vom Antragsteller beabsichtigte Klage für ihn als Dritten nicht eröffnet. Der nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller gehört nicht zu dem oben genannten Kreis möglicher Beteiligter eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nach § 112a BRAO. Sein Klagebegehren betrifft im Kern auch keine berufsrechtliche, sondern die allgemein öffentlich-rechtliche Frage, ob und in welchem Umfang ein Dritter von der Rechtsanwaltskammer ein Tätigwerden im Rahmen der ihr durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben verlangen kann (vgl. VGH Mannheim, NJW 1982, 2011).

132. Selbst wenn man den Rechtsweg zu den Anwaltsgerichten für eröffnet und den Senat nach § 112a Abs. 3 Nr. 1 Fall 4 BRAO für zuständig hielte, wäre die beabsichtigte Klage, unabhängig davon, unter welche Klageart man sie rechtlich einordnen wollte (Verpflichtungsklage gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 VwGO, Untätigkeitsklage gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 75 VwGO oder allgemeine Leistungsklage), jedenfalls deshalb unzulässig, weil es an der - auch für eine allgemeine Leistungsklage (vgl. hierzu BVerwGE 147, 312 Rn. 18) unerlässlichen - Klagebefugnis des Antragstellers nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 2 VwGO fehlt.

14a) Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 2 VwGO ist klagebefugt, wer geltend machen kann, durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts bzw. der Leistung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das ist nicht der Fall, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (st. Rspr. des BVerwG, siehe nur BVerwGE 18, 154, 157; 117, 93, 95 f.; 130, 39, 41; NVwZ 2011, 613 Rn. 14).

15b) Ein solcher Fall liegt hier vor. Dem Antragsteller steht kein eigener Anspruch gegen die Rechtsanwaltskammer auf Vornahme der von ihm begehrten aufsichtsrechtlichen Maßnahme gegenüber ihren Kammermitgliedern nach §§ 162, 163 Satz 4, § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74 BRAO zu. Die berufsrechtliche Aufsicht der Rechtsanwaltskammer über ihre Mitglieder dient nicht der Wahrung individueller Belange, sondern dem öffentlichen Interesse, so dass Dritte keinen Anspruch gegen die Kammer auf eine Aufsichtsmaßnahme oder auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein etwaiges Einschreiten gegen ein Kammermitglied haben (vgl. BVerwG, NJW 1993, 2066, 2067; VGH Mannheim, NJW 1982, 2011 f., Weyland/Weyland, BRAO, 10. Aufl., § 73 Rn. 46; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 73 Rn. 43; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 73 Rn. 47 mwN). Selbst die Klage eines Mandanten des betreffenden Rechtsanwalts auf Verpflichtung des Kammervorstands, seine berufsrechtliche Überwachungspflicht gegenüber dem Rechtsanwalt wahrzunehmen, hätte mangels subjektiven Anspruchs des Mandanten auf Tätigwerden der Rechtsanwaltskammer keine Aussicht auf Erfolg (vgl. Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 73 Rn. 47; Weyland/Weyland, BRAO, 10. Aufl., § 73 Rn. 46a).

16c) Darüber hinaus wäre die Rechtsanwaltskammer                    auch nicht befugt, den Rechtsanwälten die vom Antragsteller begehrte Anweisung künftigen Verhaltens zu erteilen. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer kann von einem kammerangehörigen Rechtsanwalt kraft Berufsrechts nicht die Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten künftigen Handlung verlangen. Ihm steht nach § 73 Abs. 2 Nr. 4, § 74, § 57 BRAO nur die Befugnis zu, dem Rechtsanwalt eine Rüge zu erteilen oder den Rechtsanwalt durch Zwangsgeld zur Einhaltung der ihm gegenüber dem Vorstand gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BRAO obliegenden besonderen Pflichten anzuhalten. Eine weitergehende Befugnis, dem Rechtsanwalt verbindliche Weisungen hinsichtlich seines künftigen Verhaltens zu erteilen, ist der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht zu entnehmen (vgl. AnwZ (B) 8/02, NJW 2003, 504; Lauda in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 74 Rn. 6; Weyland/Weyland, BRAO, 10. Aufl., § 73 Rn. 32; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, § 73 Rn. 40).

III.

17Die vom Antragsteller auf den Hinweis des Senats auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs zur Anwaltsgerichtsbarkeit beantragte Feststellung der Unzuständigkeit und Verweisung des Rechtsstreits nach § 17a Abs. 2 GVG (analog) im Prozesskostenhilfeverfahren kommt jedenfalls bei - wie hier - Einreichung eines bloßen Klageentwurfs nicht in Betracht (vgl. BAG, NJW 2006, 1371 Rn. 17; , NJW 2016, 1520 Rn. 8 f. [für das Beschwerdeverfahren nach § 17a Abs. 4 GVG und im Übrigen offenlassend, aber mit der Feststellung, dass § 17a Abs. 2 GVG ein rechtshängiges Verfahren voraussetze]; Zöller/Lückemann, ZPO, 33. Aufl., vor § 17 GVG Rn. 12 mwN auch zur Gegenansicht). Da der Antragsteller keine formlose Abgabe an das Verwaltungsgericht K.      beantragt hat, war der Prozesskostenhilfeantrag durch den Senat zu entscheiden.

18Von einer Anhörung der Rechtsanwaltskammer wurde in Anbetracht der offensichtlichen Unbegründetheit des Antrags abgesehen (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und der – nach der Klarstellung des Antragstellers als Klageentwurf zu behandelnde - Schriftsatz vom nicht an die Rechtsanwaltskammer zugestellt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:070721BANWZ1.21.0

Fundstelle(n):
SAAAH-93585