Online-Nachricht - Donnerstag, 28.10.2021

Verfahrensrecht | Gemeinnützigkeit und politische Betätigung in der Corona-Krise (BFH)

Der Steuerbegünstigung steht es nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die allgemeinpolitische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks darf aber nicht über das hinausgehen, was das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung erfordert ( (AdV); veröffentlicht am ).

Hintergrund: Eine Körperschaft verfolgt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. § 52 Abs. 2 AO legt fest, welche Zwecke unter den Voraussetzungen des Abs. 1 als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind.

Sachverhalt: Im Streitfall ging es um einen im Jahr 2020 gegründeten Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die aktuelle Corona-Politik kritisch zu hinterfragen und über die gesundheitlichen Risiken durch das Corona-Virus sowie die Auswirkungen der zur Eindämmung ergriffenen Maßnahmen auf die Gesundheit zu informieren. Mitglieder des Vereins waren vorwiegend im medizinischen Bereich tätige Personen, darunter einige Ärzte sowie mehrere Hochschulprofessoren. Auf seiner Internetseite und in Zeitungsbeiträgen, Pressemitteilungen und auf Info-Plakaten vertrat der Verein zu den Corona-Maßnahmen von der Bundesregierung und den Landesregierungen abweichende Auffassungen (z. B. Kritik an Maskenpflicht und der Verwendung von Desinfektionsmitteln, Warnung vor Impflicht). Zudem erhob er konkrete politische Forderungen (z. B. Aufforderung an die Bundesregierung und alle Landesregierungen zur sofortigen Aufhebung aller verhängten Maßnahmen; Forderung nach Einrichtung eines Untersuchungsausschusses; Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht, Art. 20 Abs. 4 GG).

Das Finanzamt beanstandete die tatsächliche Geschäftstätigkeit des Vereins im Jahr 2020. Es erließ für das 4. Quartal einen Vorauszahlungsbescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von 0 € und versagte somit letztlich für 2020 die Gemeinnützigkeit. Der Verein erhob Klage und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das FG München wies den Antrag nach summarischer Prüfung als unbegründet ab

Die Beschwerde ist unbegründet:

  • Zwar gehört zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens auch die Information der Bevölkerung über die Verhinderung und Bekämpfung von Krankheiten. Der Inhalt der Informationen kann grundsätzlich auch dem widersprechen, was den Parlamenten oder Regierungen als Grundlage ihrer Entscheidungen dient.

  • Der Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht oder die Behauptung einer Abhängigkeit von Politikern von anderen Mächten hängen nach Auffassung des BFH aber nicht mit einer Information der Bevölkerung zum öffentlichen Gesundheitswesen zusammen. Dies geht über das hinaus, was zur gemeinnützigen Förderung dieses Zwecks zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist.

  • Eine Gemeinnützigkeit wegen der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens lehnte der BFH ebenfalls ab. Dafür muss sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befassen und diese in geistiger Offenheit objektiv und neutral würdigen. Dies hat der Verein jedoch nicht getan.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Nach den BFH-Entscheidungen aus jüngerer Zeit vom - V R 60/17, BStBl II 2019, 301 und vom - V R 14/20 BFHE 271, 53 äußert sich der BFH in dem AdV-Beschluss v. - V B 25/21 (AdV) erneut zu den Grenzen einer für die Gemeinnützigkeit unschädlichen Verfolgung politischer Zwecke. Die Entscheidung ist zwar im AdV-Verfahren, also im Rahmen einer nur summarischen Prüfung, ergangen. Der BFH weist aber erneut darauf hin, dass es der Steuerbegünstigung nicht entgegensteht, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die Grenzen der unschädlichen allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft sind deshalb noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert. Der Antragsteller, der nach seiner Satzung als gemeinnützige Zwecke die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) sowie die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO) verfolgt, hatte im vorliegenden Verfahren diese Grenzen überschritten, indem er öffentlich u. a. von der Bundesregierung und allen Landesregierungen verlangte, die nach seiner Ansicht „gegen alle Fakten und Vernunft“ verhängten Corona-Maßnahmen sofort und vollständig aufzuheben und darauf hinwies, dass nach Art. 20 Abs. 4 GG alle Deutschen das Recht zum Widerstand haben gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Quelle: (AdV); NWB Datenbank; BFH Pressemitteilung v. (JT)

Fundstelle(n):
NAAAH-93552