Raub: Finalzusammenhang zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme
Gesetze: § 249 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Ansbach Az: KLs 1031 Js 6084/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Raubes mit Körperverletzung, mit Sachbeschädigung und mit Beleidigung“ sowie wegen Beleidigung in drei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hielten sich der alkoholisierte Angeklagte und der Nebenkläger am Tattag auf einer öffentlichen Grünfläche auf. Der Angeklagte forderte den Nebenkläger zum Gehen auf, anderenfalls werde er ihn schlagen. Nachdem der Nebenkläger erwidert hatte, er habe das Recht, sich dort aufzuhalten, schlug der Angeklagte ihm mit der Faust gegen die Schläfe, forderte ihn nochmals zum Gehen auf und versetzte ihm einen Fußtritt. Als nun der Nebenkläger seine Sachen aufnahm und die Örtlichkeit verlassen wollte, erblickte der Angeklagte das am Boden liegende Mobiltelefon des Nebenklägers und nahm dieses an sich, um es zu behalten. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der durch die vorangegangenen Tätlichkeiten eingeschüchterte Nebenkläger im Falle einer Gegenwehr gegen die Wegnahme des Telefons mit erneuten Tätlichkeiten rechnete, und er machte sich diese Fortwirkung seiner Gewalttätigkeiten als Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr gegenüber dem Nebenkläger zunutze. Aus Angst vor weiteren Schlägen unterließ der Nebenkläger den Versuch, sein Mobiltelefon gewaltsam zurückzuerlangen.
4b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB nicht.
5aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Deshalb fehlt es an einer solchen Verknüpfung, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. , BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156). Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. , NStZ-RR 2013, 45).
6bb) Hieran gemessen ist die von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme nicht festgestellt. Zum Zeitpunkt des Faustschlags und des Fußtritts, mit denen der Angeklagte seiner Forderung an den Nebenkläger, sich zu entfernen, Nachdruck verleihen wollte, hatte er noch nicht vor, dessen Mobiltelefon an sich zu bringen. Bezogen auf den Zeitpunkt nach Abschluss dieser Gewalthandlungen belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte – für den Fall geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen die Wegnahme – ausdrücklich oder zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar hatte der Nebenkläger weiterhin Angst vor dem Angeklagten; das bloße Ausnutzen der vorangegangenen Nötigung reicht aber mangels einer aktualisierten Drohung erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten für den Finalzusammenhang nicht aus (vgl. , NStZ 2013, 648; Beschluss vom – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269).
7c) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes zieht die Aufhebung der hiermit in Tateinheit stehenden Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung nach sich. Darüber hinaus entzieht sie dem Gesamtstrafausspruch sowie der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB, bei der die Strafkammer dem von ihr angenommenen Raub maßgebliches Gewicht als Anlasstat beigemessen hat, die Grundlage.
82. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sofern wiederum die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommt, wird das neue Tatgericht das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Maßregel eingehender als bislang geschehen zu erörtern haben. Denn soweit das angefochtene Urteil auf eine „organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung“ des Angeklagten abgestellt hat, die dessen Polytoxikomanie „begleite“ (vgl. UA S. 43, 46), werden weder die konkrete Störung noch deren Schweregrad hinreichend deutlich (zu den Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB in Fällen einer Persönlichkeitsstörung vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 543/20, NStZ-RR 2021, 138; vom – 4 StR 358/07, NStZ-RR 2008, 70). Zudem wird das neue Tatgericht bei der Gefährlichkeitsprognose zu beachten haben, dass zu erwartende Beleidigungen und Bedrohungen (vgl. UA S. 53) für die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB regelmäßig nicht genügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 139/20; vom – 2 StR 285/06).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:140721B6STR298.21.0
Fundstelle(n):
QAAAH-93444