Online-Nachricht - Donnerstag, 14.10.2021

Einkommensteuer | Besteuerung von Anteilszuteilungen durch eine EU-Kapitalgesellschaft I (BFH)

Ein ausländischer Vorgang ist dann nicht mit einer Abspaltung i. S. des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vergleichbar, wenn es an einer Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers fehlt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Behandlung der von einer ausländischen Kapitalgesellschaft vorgenommenen Zuteilung von Aktien an einem anderen Unternehmen.

Die Richter des BFH hoben die Vorentscheidung auf und verwiesen zurück an das FG:

Anmerkung von Dr. Christian Levedag, Richter im VIII. Senat des BFH:

Im Besprechungsfall waren vom VIII. Senat des BFH die Möglichkeit des Vorliegens einer Einlagenrückgewähr bei Kapitalmaßnahmen ausländischer Aktiengesellschaften zu prüfen und erstmals die Sondertatbestände des § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG (für Anteilszuteilungen) und in § 20 Abs.4a Satz 7 EStG (für Abspaltungen) voneinander abzugrenzen. Der Fall betraf einen EU-Sachverhalt. Die Kläger hatten von einer englischen Aktiengesellschaft (Vodafone) Anteile an einer US-Gesellschaft (Verizon) und eine Barausschüttung (sog. return of value) erhalten, die auf einer Anteilsveräußerung einer Vodafone-Konzerngesellschaft gegen Anteile und eine Zuzahlung beruhten. Darüber hinaus wurden die Vodafone-Aktien der Kläger nach der Auskehrung der Anteile im Verhältnis 11 zu 6 zusammengelegt (sog. reverse split). Die Depotbank der Kläger hatte - ausgehend von einem unstreitigen Börsenkurs der Verizon-Aktien im Zeitpunkt der Einbuchung - aufgrund der Anteilszuteilung als Sachausschüttung (und der Barausschüttung) Kapitalertragsteuer und SolZ einbehalten. Das FG war im Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 der Auffassung, die allein streitige Zuteilung der Verizon-Aktien sei gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG steuerneutral für die Kläger und gab der Klage statt. Der VIII. Senat des BFH hob auf die Revision des FA hin das FG-Urteil auf und verwies den Streitfall an dieses zurück. Die Sachausschüttung der Verizon-Anteile sei grundsätzlich gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbar. Es handele sich nicht um eine steuerbare Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, da § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG für Ausschüttungen von EU-Kapitalgesellschaften eine bindende Ausschüttungsfiktion enthalte, wenn das erforderliche Feststellungsverfahren nicht durchgeführt werde (zu den unionsrechtlichen Zweifeln an dieser Gesetzeslage siehe unten). Anschließend waren § 20 Abs. 4a Sätze 5 und 7 EStG zu prüfen. § 20 Abs. 4a EStG enthält verschiedene Sonderregelungen zu § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG und den Regelungen des UmwStG (soweit anwendbar), wenn Kapitalmaßnahmen und Umstrukturierungen bei in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (im EU-Ausland und in Drittstaaten inländische Kleinanleger betreffen, deren Anteile den Regelungen der Abgeltungsteuer unterfallen. Es handelt sich um materielle Sonderregelungen, die im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs für die inländischen auszahlenden Stellen die Handhabung erleichtern sollen (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit der Bindung an die Anweisungen des BMF) und auch in der Einkommensteuerveranlagung von Bedeutung sind, wenn der Anleger auf der Grundlage eines Antrags gemäß § 32d Abs. 4 EStG die Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs überprüfen lassen will (vgl. dazu Schmidt/Levedag, 40. Aufl., § 20 Rz. 209 bis 211, § 32d Rn. 23). § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG hielt der BFH im Besprechungsfall für grundsätzlich auf Auslandsfälle für anwendbar, wendete dessen Tatbestand aber entgegen der Verwaltungsauffassung eng an und sah dessen Voraussetzungen nicht als erfüllt an, da angesichts des feststehenden Börsenkurses die Ermittlung der Höhe des Kapitalertrags für die zugeteilten Verizon-Aktien nicht unmöglich war. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG, der für Abspaltungen gilt, sah der BFH ebenfalls nicht als erfüllt an. Er verlangt für die Auslegung des Merkmals „Abspaltung“ bei ausländischen Vorgängen, dass eine Übertragung von Vermögensteilen gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers stattfindet. Die Zuteilung der Anteile an die Anteilsinhaber muss sich danach als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens auf die anteilsgewährende Gesellschaft darstellen. Es genügt für eine Abspaltung also nicht, dass nach einem Veräußerungsvorgang innerhalb des Konzerns erworbene Anteile „nach oben durchgereicht“ und an die Aktionäre der Spitzeneinheit ausgekehrt werden. In einem solchen Fall kann nur eine Anteilszuteilung gemäß § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG vorliegen.

Für die Praxis wichtig ist ferner, dass der BFH unionsrechtliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Fiktion des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG und der gänzlich ausgeschlossenen Nachweismöglichkeit des Anlegers für eine Einlagenrückgewähr von EU-Kapitalgesellschaften äußert, wenn wie im Besprechungsfall die EU-Kapitalgesellschaft das Feststellungsverfahren gemäß § 27 Abs. 8 KStG nicht betreibt und der inländische Anteilseigner trotz der - anhand der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 5 KStG substantiiert darzulegenden - Möglichkeit einer Einlagenrückgewähr hierzu im Veranlagungsverfahren keinen individuellen Nachweis führen darf. Das FG wird im zweiten Rechtsgang dem Vorbringen der Kläger zur möglichen Rückgewähr von Einlagen ggf. der Frage der unionsrechtlichen Vereinbarkeit des § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG nachzugehen haben.

Quelle: ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
NWB UAAAH-92676