Schenkungsteuer | Abfindungszahlung wegen beeinträchtigender Schenkung (BFH)
Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben bzw. des Nacherben sind als Aufwendung zur Erlangung und Sicherung des Erwerbs gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i. V. mit § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zählen zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
Sachverhalt: Die Eltern des Klägers hatten ein Ehegattentestament errichtet, wonach der überlebende Ehegatte zum Alleinerben als befreiten Vorerben und die drei Söhne als Nacherben eingesetzt wurden. Nach dem Tod des Vaters legte das Nachlassgericht das Testament dahingehend aus, dass die Mutter Vollerbin und die Kinder Schlusserben seien und stellte einen entsprechenden Erbschein aus. In der Folgezeit übertrug die Mutter Grundbesitz an den Kläger sowie an einen seiner beiden Brüder, wofür das Finanzamt Schenkungsteuer festsetzte. Der von diesen Schenkungen nicht bedachte Bruder ließ den Erbschein nach dem Tod der Mutter durch das Nachlassgericht für kraftlos erklären, das nunmehr davon ausging, dass die Mutter lediglich Vorerbin gewesen sei. Er nahm daraufhin seine beiden Brüder auf Rückauflassung von Anteilen am übertragenen Grundbesitz in Anspruch. Der Kläger schloss mit seinem Bruder im Berufungsverfahren einen Vergleich, wonach er anstelle der Übertragung des Grundstücksteils eine Abfindungszahlung leistete.
Der Kläger beantragte, die Schenkungsteuerfestsetzung unter Berücksichtigung der Abfindungszahlung zu mindern. Dies lehnte das Finanzamt ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (). (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 18.3.2019)
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:
Sowohl der Nacherbe als auch der Vertragserbe, diesem gleichgestellt der durch ein Ehegattentestament begünstigte Erbe, können Ansprüche gegen den Beschenkten aus einer beeinträchtigenden Schenkung haben. Zahlungen zur Abwendung derartiger Herausgabeansprüche können Erwerbserlangungskosten sein.
Eine derartige Zahlung des Beschenkten stellt für seine Schenkungsteuer ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der vergleichsweise gezahlte Betrag rückwirkend die Bereicherung des Klägers mindert und der Schenkungsteuerbescheid entsprechend zu ändern ist.
Die Zahlung des Klägers stellt eine Aufwendung zur Erlangung des Erwerbs nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i. V. mit § 1 Abs. 2 ErbStG dar. Der mit dem Bruder abgeschlossene Vergleich diente dazu, etwaige Herausgabeansprüche abzuwenden und damit die erhaltene Schenkung für den Kläger endgültig zu sichern.
Die Vergleichszahlung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schenkung und nicht mit dem Erbfall nach der Mutter. Zwar trat erst mit deren Tod die aufschiebende Bedingung für die Entstehung etwaiger zivilrechtlicher Herausgabeansprüche gegen den Kläger ein. Allerdings treffen die Kosten den Kläger als Beschenkten; sie treffen ihn nicht im Zusammenhang mit seiner etwaigen Erbenstellung nach dem Tod seiner Mutter.
Der Schenkungsteuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Mit dem Tod der Mutter des Klägers ist die aufschiebende Bedingung für etwaige Herausgabeansprüche gegen den Kläger eingetreten. Diese führt in Höhe des vergleichsweise gezahlten Betrags rückwirkend zu einer Minderung des steuerpflichtigen Erwerbs.
Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:
Nicht selten gibt es innerhalb einer Familie nach dem Tod der Eltern Streit, z. B. um zu Lebzeiten geschenkte Vermögensgegenstände oder um den Pflichtteil. Häufig beruhen solche Streitigkeiten auf tatsächlichen oder gefühlten Bevorzugungen und – spiegelbildlich – Benachteiligungen einzelner Geschwister. So war es auch im Streitfall. Nach dem Tod der Mutter verlangten die Brüder des Klägers von ihm Herausgabe eines Grundstücks, das die Mutter ihm zu ihren Lebzeiten geschenkt hatte. Zur Abwendung des Herausgabeanspruchs zahlte er im Wege eines Vergleichs 150.000 €. Anschließend begehrte der Kläger die rückwirkende Änderung seines Schenkungsteuerbescheids und die steuermindernde Berücksichtigung des gezahlten Betrags – im Ergebnis zu Recht.
Das Bereicherungsprinzip ist ein Grundprinzip des ErbStG. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt bei Schenkungen unter Lebenden oder beim Erwerb von Todes wegen nur die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Nach § 10 Abs. 5 ErbStG sind die dort aufgeführten Schulden und Lasten vom steuerpflichtigen Erwerb abzuziehen, soweit sich nicht aus § 10 Abs. 6 bis 9 ErbStG etwas anderes ergibt. Die Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für Erwerbe von Todes wegen und "Nachlassverbindlichkeiten" im engeren Sinn anwendbar. Sie gilt über den Verweis in § 1 Abs. 2 ErbStG auch für Schenkungen unter Lebenden. Der BFH hat zugunsten des Klägers klargestellt, dass eine Zahlung, die der Beschenkte an einen Dritten leistet, damit die Schenkung nach Grund und/oder Umfang nicht mehr bestritten wird, zu den Kosten des Erwerbs gehört und die Bereicherung entsprechend mindert. Eine derartige Zahlung stellt ein rückwirkendes Ereignis dar, so dass auch ein bereits bestandskräftiger Schenkungsteuerbescheid noch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden kann.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
GAAAH-92659