Online-Nachricht - Donnerstag, 30.09.2021

Einkommensteuer | Übertragung kindbedingter Freibeträge (BFH)

Bei verheirateten aber dauernd getrennt lebenden Elternteilen kann die Übertragung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von einem auf den anderen Elternteil nicht allein auf den Antrag eines Elternteils gestützt werden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Abweichend von § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG).

Sachverhalt: Streitig ist, wie der Vergleich zwischen der steuerlichen Entlastung durch das Kindergeld einerseits und der Entlastung durch die kindbedingten Freibeträge andererseits ("Günstigerprüfung") in Fällen des Eingreifens von Steuerermäßigungsvorschriften durchzuführen ist.

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2015 Entschädigungen, die aufgrund des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlamentes gezahlt wurden. Auf diesen Betrag erhob die Europäische Union eine Gemeinschaftssteuer. Der Kläger hat einen 1997 geborenen Sohn. Dieser wohnt seit 2010 bei seiner vom Kläger dauernd getrennt lebenden (und zwischenzeitlich geschiedenen) Mutter, die das Kindergeld bezieht. Den Kinderfreibetrag und den Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA Freibetrag) nahm antragsgemäß der Kläger in Höhe der auf beide Elternteile entfallenden Beträge in Anspruch.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 ergab die vom FA vorgenommene Günstigerprüfung nach § 31 EStG, dass die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch den Kindergeldanspruch vollständig bewirkt worden sei. Im Einkommensteuerbescheid 2015 erfolgte danach kein Abzug der kindbedingten Freibeträge. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen, das FG Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Das FG ist auf der Basis seiner bisherigen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Familienleistungsausgleich aufgrund der gem. § 31 Satz 4 EStG durchzuführenden Vergleichsrechnung durch Ansatz der kindbedingten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und nicht durch Gewährung von Kindergeld erfolgt.

  • Das FG hat keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen zu der Frage getroffen, ob der Kläger zu Recht den Kinderfreibetrag und den BEA Freibetrag der Kindsmutter in Anspruch genommen hat. Soweit das FG die Übertragung des Kinderfreibetrags der Kindsmutter auf den Kläger auf den Antrag des Klägers gestützt hat, fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen zum Vorliegen der Übertragungsvoraussetzungen.

  • Bei verheirateten aber dauernd getrennt lebenden Elternteilen kann die Übertragung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von einem auf den anderen Elternteil nicht allein auf den Antrag eines Elternteils gestützt werden.

  • Die Übertragung des Kinderfreibetrags scheidet aus, wenn der Elternteil, dessen Freibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden soll, seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachgekommen ist.

  • Die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf scheidet aus, wenn das Kind bereits volljährig ist oder bei dem Elternteil, dessen Freibetrag auf den anderen Elternteil übertragen werden soll, gemeldet ist.

  • Bei nicht zusammenveranlagten Elternteilen ist für die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG dem Anspruch auf Kindergeld die Differenz zwischen der Steuer nach dem Grundtarif auf das Einkommen ohne Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und der Steuer nach dem Grundtarif auf das Einkommen nach Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG gegenüberzustellen.

  • Führt die Vergleichsrechnung zu dem Ergebnis, dass die Freibetragsgewährung für den Steuerpflichtigen günstiger ist, ist die Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs erst nach Anwendung der Steuerermäßigungsvorschriften durchzuführen, mit der Folge, dass sich aus dem hinzugerechneten Kindergeldanspruch bei Anwendung der Steuerermäßigungsvorschriften kein zusätzliches Verrechnungspotenzial ergibt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB IAAAH-90295