BGH Beschluss v. - VI ZR 1265/20

Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer: Klage auf Beseitigung eines Carports auf dem Nachbargrundstück

Leitsatz

Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer (hier: Beseitigung eines Carports auf dem Nachbargrundstück).

Gesetze: § 4 Abs 1 ZPO, § 294 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 13 U 3470/19vorgehend LG Regensburg Az: 81 O 1234/18

Gründe

I.

1Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Beklagte errichtete an der Grundstücksgrenze auf seinem Grundstück einen Carport. Das zuständige Landratsamt hatte hierfür eine Baugenehmigung erteilt, über deren Rechtmäßigkeit die Parteien vor dem Verwaltungsgerichtshof streiten. Am Carport befestigte der Beklagte ein Schild mit dem Hinweis "Achtung! Videoüberwachung". Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens teilte der Beklagte dem Verwaltungsgericht Regensburg mit, dass der Kläger ständig vor seiner - des Beklagten - Grundstücksausfahrt parke.

2Der Kläger behauptet, der vom Beklagten errichtete Carport schränke die Ausfahrt von seinem Grundstück in unzumutbarer Art und Weise ein. Außerdem habe der Beklagte am Carport auch eine Videokamera angebracht, die ohne rechtfertigenden Grund und ohne Zustimmung des Klägers auch das klägerische Grundstück überwache und aufzeichne. Er habe die Garagenausfahrt nicht "wiederholt und permanent" zugeparkt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, das Grundstück des Klägers per Video zu überwachen,

2. an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht weniger als 2.000 € zu zahlen,

3. es zu unterlassen, im Hinblick auf den Kläger zu behaupten, dass dieser "wiederholt und permanent vor der Ausfahrt des Carports rechtswidrig geparkt" habe,

4. an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 490,99 € zu zahlen,

5. den auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Carport zu beseitigen,

6. es zu unterlassen, den Bereich, in welchem der Carport errichtet war, als Stellplatz zu nutzen und in diesen Bereich jeglichen Zu- und Abfahrtsverkehr zur Nutzung als Stellplätze zu unterlassen.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert im Einverständnis mit den Parteien auf insgesamt 21.000 € (Klageantrag Ziffer 1: 5.000 €, Ziffer 2: 2.000 €, Ziffer 3: 4.000 €, Ziffer 5: 8.000 € und Ziffer 6: 2.000 €) festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 21.000 € festgesetzt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will der Kläger die Zulassung der Revision erreichen, um sein Klagebegehren weiter zu verfolgen.

II.

4Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt 20.000 € nicht.

51. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden; an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZR 1191/20, VersR 2021, 668 Rn. 5; vom - VI ZR 145/14, juris Rn. 3; , NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8). Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Begründungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Wert der Beschwer den Betrag von 20.000 € übersteigt (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 281/20, Rn. 1; BGH, Beschlüsse vom - V ZR 273/19, MDR 2021, 380 Rn. 11 mwN; vom - V ZR 190/19, juris Rn. 4; vom - V ZR 28/13, juris Rn. 6).

62. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht.

7a) Der Kläger ist durch die Abweisung der Klageanträge 1 bis 4 und 6 in Höhe von insgesamt 13.000 € beschwert. Der Wert der Beschwer ist in Einklang mit den Angaben des Klägers und der Beurteilung der Vorinstanzen hinsichtlich Klageantrag Ziffer 1 auf 5.000 €, Klageantrag Ziffer 2 auf 2.000 €, Klageantrag Ziffer 3 auf 4.000 € und Klageantrag Ziffer 6 auf 2.000 € zu schätzen. Der auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag Ziffer 4 bleibt als Nebenforderung bei der Wertermittlung außer Betracht (§ 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO).

8b) Durch die Abweisung des Klagantrags Ziffer 5 ist der Kläger in Höhe von nicht mehr als 5.000 € beschwert.

9aa) Verlangt der Grundstückseigentümer - wie im Streitfall - die Beseitigung einer Störung oder Einwirkung auf sein Grundstück, bemisst sich der Wert der Beschwer grundsätzlich nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung oder Einwirkung erleidet (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 190/19, juris Rn. 4; vom - V ZB 218/17, MDR 2018, 1396 Rn. 7; vom - V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rn. 5). Nur ausnahmsweise, wenn sich die Störung nach Art bzw. Umfang nicht in einer Wertminderung des Grundstücks niederschlägt, kann sich der Wert der Beschwer nach den Kosten bemessen, die dem Eigentümer durch die Störung entstehen und die ohne diese nicht angefallen wären (vgl. , aaO, Rn. 10 f.). Der Wertverlust bzw. der ausnahmsweise relevante Kostenaufwand sind von dem Beschwerdeführer darzulegen und gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 273/19, MDR 2021, 380 Rn. 11 mwN; vom - V ZR 190/19, juris Rn. 4; vom - V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rn. 5)

10bb) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag in der Beschwerdebegründung nicht. Welchen Wertverlust das Grundstück des Klägers infolge der behaupteten Beeinträchtigung der Ausfahrt erlitten hat, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf verweist, dass das Landgericht in dem Streitwertbeschluss vom den Wert des Beseitigungsantrags im Einverständnis mit den Parteien mit 8.000 € bemessen und das Berufungsgericht diese Einschätzung übernommen habe, genügt dies zur Darlegung einer entsprechenden Beschwer des Klägers nicht. Weder der Kläger noch die Vorinstanzen haben die Wertfestsetzung begründet; Anhaltspunkte dafür, dass und wenn ja, in welcher Höhe der Wert des Grundstücks des Klägers durch die behauptete Beeinträchtigung der Ausfahrt gemindert ist, sind weder ersichtlich noch dargetan (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZR 190/19, juris Rn. 6; vom - V ZR 273/19, MDR 2021, 380 Rn. 12). Nicht anders verhält es sich hinsichtlich etwaiger dem Kläger durch die behauptete Beeinträchtigung entstehender Kosten.

11cc) Mangels abweichender Anhaltspunkte bewertet der Senat das Interesse des Klägers an der Beseitigung der geltend gemachten Beeinträchtigung in Anlehnung an die Bestimmungen in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 RVG, § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000 € (vgl. auch , WM 2016, 96 Rn. 13).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:240821BVIZR1265.20.0

Fundstelle(n):
NAAAH-90049