BGH Beschluss v. - 4 StR 439/20

Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse

Gesetze: § 78c Abs 1 S 1 Nr 4 StGB

Instanzenzug: LG Detmold Az: 26 KLs 11/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 37 Fällen und wegen versuchten Betrugs in neun Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Detmold vom und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Teileinstellung des Verfahrens und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Verurteilung des Angeklagten kann in den Fällen II.A. 3.2.1 bis II.A. und II.A. bis II.A. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO einzustellen.

3a) Die Verjährungsfrist für vollendete und versuchte Betrugstaten beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB).

4Beim (vollendeten) Betrug beginnt die Verjährung mit Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils (vgl. , NStZ 2021, 222 mwN). Nach den Feststellungen sind dem Angeklagten in den Fällen II.A. 3.2.1 bis II.A. der Urteilsgründe die von den Geschädigten gezahlten Raten im Zeitraum zwischen und zugeflossen.

5Beim Versuch kommt es für den Verjährungsbeginn auf das Ende der Tätigkeit an, die der Vollendung der Tat dienen sollte (vgl. , BGHSt 36, 106, 117). Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in den Fällen II.A. bis II.A. der Urteilsgründe seine Täuschungshandlungen zwischen und Februar 2013 vorgenommen.

6Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Maßnahme (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB) war die Erhebung der Anklage vom . Sie erfolgte nach Ablauf der Verjährungsfrist dieser Taten, so dass Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

7b) Die Bekanntgaben des Ermittlungsverfahrens mit polizeilicher Verfügung vom und staatsanwaltlichem Schreiben vom konnten die Verjährung nicht nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB unterbrechen, weil sich beide jeweils auf eine Betrugstat bezogen, die nicht Verfahrensgegenstand ist.

8c) Auch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Detmold vom 8. und vermochten eine Unterbrechung der Verjährung nach § 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht herbeiführen, weil sie den Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs nicht genügen.

9aa) Ein richterlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss hat den Tatvorwurf zur rechtstaatlichen Eingrenzung des Ermittlungszugriffs sachangemessen zu konkretisieren (vgl. , NStZ 2002, 212). Der Richter muss die aufzuklärende Tat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1694/14, NJW 2015, 1585; vom - 2 BvR 1940/05, NJW 2009, 2516). Dabei ist die Angabe der Tatzeit zur Individualisierung der Tat grundsätzlich unerlässlich (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1260/16; vom - 2 BvR 1872/05). Anordnungen, die den Mindestanforderungen an die Konkretisierung des Tatvorwurfs nicht genügen, vermögen die Verjährung nicht zu unterbrechen (vgl. , NStZ 2004, 275).

10bb) Diesen Anforderungen entsprechen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Detmold nicht.

11Das Amtsgericht hat in beiden Beschlüssen zum Tatvorwurf lediglich ausgeführt, „dem Beschuldigten wird zu Last gelegt, als Verantwortlicher der Firmen ‚A.           ‘, ‚E.       ‘ und ‚T.       ‘ europäische Führerscheine anzubieten, diese aber trotz Zahlung nicht auszugeben, strafbar als Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB.“ Es fehlen konkrete Angaben, durch die der Lebenssachverhalt, der den vorgeworfenen Taten zugrunde liegt, nachvollziehbar umrissen wird. Den Beschlüssen kann insbesondere nicht entnommen werden, an welchen Tagen oder in welchem Zeitraum die dem Angeklagten zur Last gelegten Betrugshandlungen begangen worden sein sollen. Deshalb lässt sich den Beschlüssen nicht entnehmen, ob sich der Verfolgungswille der Ermittlungsbehörden zum Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse auf die ausgeurteilten Taten erstreckte.

122. Die Teileinstellung hat die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall der für die eingestellten Taten verhängten 20 Einzelstrafen zur Folge. Sie zieht auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne die weggefallenen Einzelstrafen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal das Landgericht bei Bemessung der Gesamtstrafe u.a. die Höhe des Gesamtschadens berücksichtigt hat.

133. Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

144. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Tatgericht bei Bildung einer neuen nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 StGB die Höhe der einzubeziehenden Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Detmold vom festzustellen hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:200721B4STR439.20.0

Fundstelle(n):
JAAAH-89279