NWB Nr. 36 vom Seite 2641

Typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Steuer-Stichwort-Kommentars Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

BFH-Entscheidung zum Sammelpunkt

Wer das Urteil des BFH liest, muss ganz genau hinsehen. Letztlich hängt dort die Entscheidung über die strittige Frage, ob die für den Steuerpflichtigen ungünstigere Entfernungspauschale gilt oder aber die großzügigeren Reisekostengrundsätze zur Anwendung kommen, davon ab, ob er einen Sammelpunkt typischerweise „arbeitstäglich“ oder (nur) „fahrtäglich“ aufzusuchen hatte. Streitjahr war mit 2014 direkt das „Erstjahr“ des neuen Reisekostenrechts. Im Sachverhalt gelangte ein Baumaschinenführer entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers zu den Einsatzorten/Baustellen. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen (mehrtägig) übernachtet wurde. Die Einsätze auf den „Fernbaustellen“ dauerten in der Regel die gesamte Woche. Der Steuerpflichtige machte Fahrtkosten zum Sammelpunkt an 145 Tagen und damit an 82 % seiner Arbeitstage nach Reisekostengrundsätzen geltend. Das Finanzamt ließ den Abzug nur hälftig in Höhe der Entfernungspauschale zu. Nach Klageabweisung durch das Finanzgericht kam es nunmehr in diesem Bereich zur ersten höchstrichterlichen Sammelpunkt-Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Der BFH stellte dabei heraus, dass es für die entsprechende Anwendung der Entfernungspauschale darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer gemäß einer Ex-ante-Betrachtung den Sammelpunkt zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat. Zum Merkmal „dauerhaft“ ist die Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aus der Regelung zur ersten Tätigkeitsstätte entsprechend heranzuziehen. Ein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen schließt Ausnahmen etwa bei Fortbildungsveranstaltungen oder unvorhergesehenen Einsätzen nicht aus, der Ort muss aber „in der Regel üblich“ bzw. „im Normalfall“ aufzusuchen sein. Eine prozentuale oder tagesmäßige Grenze ist dadurch nicht gezogen. Für den Streitfall heißt dies: Entfernungspauschale, wenn aus Ex-ante-Sicht grundsätzlich nur ein tageweiser Einsatz auf lokalen Baustellen vorgesehen war, die mehrtägigen Einsätze also nicht absehbare Ausnahmen darstellten, hingegen aber Reisekostengrundsätze, wenn die längeren Arbeiten auf „Fernbaustellen“ schon anfänglich geplant waren.

Die Auslegung ist gerade durch den Gedanken nachvollziehbar, dass die Begrenzung auf die Entfernungspauschale überhaupt nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn sich der Steuerpflichtige vorab (eigentlich) auf die immer gleichen Wege einstellen kann, Abweichungen davon also unvorhergesehene Ausnahmen sind. Zudem lenkt der Fall den Blick noch auf zwei wichtige Punkte: Was bei Maschinenführern und Busfahrern (noch) schwer denkbar erscheint, dürfte bei anderen Arbeitnehmern durchaus zum Tragen kommen, nämlich dass – ggf. bereits von Beginn an vereinbartes – regelmäßiges „Homeoffice“ hier Wertungen verändern kann. Ferner sollte beachtet werden, dass der Sammelpunkt zwar die Absetzbarkeit der Fahrtkosten beeinflussen kann, dem Grunde nach jedoch eine Auswärtstätigkeit gegeben ist.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2021 Seite 2641
NWB QAAAH-88377