BGH Beschluss v. - 4 StR 36/19

Kosten im Strafverfahren: Kostenanspruch der Staatskasse gegen den erfolglos revidierenden Angeklagten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Angeklagten

Gesetze: § 38 InsO, § 87 InsO, § 3 GKG, § 19 GKG

Instanzenzug: Az: 4 StR 36/19 Beschlussvorgehend LG Halle (Saale) Az: 13 KLs 17/17

Gründe

11. Der Senat hatte mit Beschluss vom auf die Revision des Verurteilten das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) vom mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Beschwerdeführer am rechtskräftig zu der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ihm die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.

2Daraufhin sind mit Kostenansatz vom Gebühren für das Revisionsverfahren in Höhe von insgesamt 840 Euro gegen den Beschwerdeführer festgesetzt worden. Hiergegen wendet er sich mit der Erinnerung. Der Beschwerdeführer macht sinngemäß geltend, der Kostenansatz sei unzulässig, da im Jahr 2016 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden sei. Die Gebühren hätten daher zur Insolvenztabelle angemeldet werden müssen.

3Die Kostenbeamtin beim Bundesgerichtshof hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

42. Die nach § 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

5a) Zu Recht hat die Kostenbeamtin nach § 19 Abs. 2 Satz 4, § 3 Abs. 2 GKG eine Gebühr in Höhe von 840 Euro für das Revisionsverfahren angesetzt. Diese bemisst sich auf den 2,0-fachen Satz des Festbetrages von 420 Euro, der zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Kostenentscheidung (vgl. § 71 Abs. 2 GKG) für eine rechtskräftig erkannte Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vorgesehen war. Die Höhe der Gebühr ergibt sich gemäß § 3 Abs. 2 GKG aus der Vorbemerkung 3.1 sowie den Nummern 3130 und 3112 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in der bis zum geltenden Fassung).

6b) Dem Kostenansatz steht die Regelung des § 87 InsO nicht entgegen, da es sich bei dem Anspruch der Staatskasse auf Zahlung der durch die Revision des Angeklagten veranlassten Verfahrenskosten nicht um eine Insolvenzforderung, sondern um eine Neuforderung handelt. Die Staatskasse ist insoweit nicht Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO.

7Insolvenzgläubiger sind diejenigen persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Eine solche Insolvenzforderung liegt vor, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist, mag sich eine Forderung des Gläubigers daraus auch erst nach Beginn des Insolvenzverfahrens ergeben. Nur die schuldrechtliche Grundlage des Anspruchs muss schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein. Unerheblich ist, ob die Forderung selbst schon entstanden oder fällig ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 121/11, ZVI 2011, 408 mwN; vom - IX ZB 57/12, WM 2014, 470; ‒ I E 8/10, ZIP 2011, 1066).

8Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen Kostenforderung nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Denn der Anspruch auf Zahlung der Kosten des strafprozessualen Revisionsverfahrens wird im insolvenzrechtlichen Sinne erst mit der Einlegung der Revision begründet. Erst mit der Revisionseinlegung wird die Grundlage für den später durch die Kostengrundentscheidung entstehenden Anspruch der Staatskasse geschaffen, die durch das Prozessverhalten des Rechtsmittelführers nicht mehr beseitigt werden kann. Da der Beschwerdeführer die Revision gegen das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Landgerichts erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingelegt hatte, war der Kostenanspruch zum Eröffnungszeitpunkt noch nicht begründet.

9c) Für die Bewertung der Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes ist unerheblich, ob die Kostenbeamtin nach § 10 KostVfg vom Ansatz der Kosten hätte absehen dürfen (vgl. ).

103. Die funktionelle Zuständigkeit des Einzelrichters folgt aus § 1 Abs. 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

Bender

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:230721B4STR36.19.0

Fundstelle(n):
TAAAH-88282